Johnson geht gestärkt in die nächste Runde mit der EU
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Selbst für Veteranen der britischen Politik war es ein atemberaubender Wahlsieg. Entgegen unseren Erwartungen konnten Boris Johnsons Tories mit mehr als 360 (von 650 Sitzen) ihre größte Mehrheit im Unterhaus seit 1987 sichern. Dieses Ergebnis wird nicht nur die Wahllandschaft des Vereinigten Königreichs, möglicherweise über viele Jahre, verändern. Vielleicht noch wichtiger aus Marktperspektive dürften die neuen politischen Realitäten in Westminster die Dynamiken in der nächsten Verhandlungsphase mit der Europäischen Union (EU) verändern.
Wie dieser überraschende Wahlsieg doch noch zustande kommen konnte, analysieren wir weiter unten. Zuerst zu den wichtigsten Schlüssen aus dem Wahlsieg. So deutlich dieser auch ist, so lässt er doch einige Frage offen. In Schottland dürfte die Scottish National Party 48 von 59 Sitzen gewinnen. In Nordirland erlitten Johnsons ehemalige Verbündete der Demokratischen Unionistischen Partei schwere Verluste. Zum ersten Mal bedeutet dies, dass die nordirischen Abgeordneten, die zur Vereinigung mit Irland bereit sind, die Zahl derjenigen übertreffen werden, die sich für einen Verbleib im Vereinigten Königreich aussprechen.
Die Ablehnung der sehr harten Version des Brexit von Boris Johnson in Schottland und Nordirland bietet allerdings eine gute Ausrede, um in der nächsten Verhandlungsphase eine leichte Abschwächung zu erreichen (nicht zuletzt, um die Risiken der Zollgrenzkontrollen in der Irischen See zu mindern). Während seiner kurzen Amtszeit in der Downing Street hat Johnson bereits öfter seine berühmte Flexibilität gezeigt, um Verpflichtungen gegenüber Freund und Feind gleichermaßen einzugehen. Mit der jetzt gesicherten Mehrheit im House of Commons, wird Johnsons Macht nicht länger eingeschränkt sein. (Kontrollmechanismen, wie sie in anderen westlichen Demokratien bekannt sind, fehlen im Vereinigten Königreich weitgehend, solange der Premierminister eine Mehrheit hat und auf die Unterstützung seiner Partei zählen kann.)
Dies unterstreicht, dass Boris Johnson der politisch stärkste Tory-Premierminister seit Margaret Thatcher sein könnte. Für die übrigen 27 EU-Länder bedeutet dies, dass der Ausstieg des Vereinigten Königreichs bis Ende Januar 2020 tatsächlich erfolgen kann. Dabei wird Johnsons wiederbelebtes politisches Glück die Dynamik in der nächsten Phase der Verhandlungen über die zukünftige Beziehung verändern. Da er nicht mehr auf den euroskeptischen Flügel seiner Partei angewiesen ist, könnte er etwa eine Verlängerung der Übergangszeit beantragen, wenn nötig, um ein besseres Handelsabkommen zu erreichen. Alternativ kann Johnson nun glaubwürdig damit drohen, eine Reihe von Steuersenkungs- und Deregulierungsmaßnahmen durchzuführen, wenn keine Einigung erzielt wird. Aus Angst vor einem solchen Wettlauf nach unten direkt vor Europas Haustür erwarten wir, dass die neue EU-Kommission und die übrigen 27 Mitglieder in der nächsten Verhandlungsphase aus purem Eigeninteresse weniger legalistisch und pragmatischer sind. Das letztendliche Ergebnis könnte - für beide Seiten - durchaus besser sein, als es noch vor wenigen Wochen plausibel erschien.
Ausnahmsweise scheint die Marktbegeisterung in den frühen Handelsstunden berechtigt. Tatsächlich hatten sowohl das Pfund als auch die Aktienmärkte bereits einen konservativen Sieg seit einigen Wochen graduell eingepreist. Infolge der tatsächlichen Ergebnisse legten die inländisch orientierten britischen Aktien noch stärker zu, während die global exponierten Aktien unter dem stärkeren Pfund litten. Zur positiven Marktstimmung dürfte auch beigetragen haben, dass die vom Markt so skeptisch beurteilten Wirtschaftspläne der Labour-Partei (etwa Verstaatlichung gewisser Industrien) nun komplett vom Tisch sind. Aus makroökonomischer Sicht haben sich die Rezessionsrisiken weiter verringert, und wir könnten sogar eine Belebung der Investitionen sehen. Die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung durch die Bank of England ist gesunken. All dies könnte für Anlagen wie Aktien oder Unternehmensanleihen im weiteren Sinne moderat günstig sein.
Zurück zum Zustandekommen des überraschenden Wahlsieges. Es war ein Sieg entgegen der Vorzeichen. Nachdem wir seit dem Frühjahr einige Zeit damit verbracht hatten, die Chancen der Konservativen in jedem der 650 Wahlkreise zu analysieren, waren wir uns sehr wohl bewusst, wie leicht Boris Johnsons Glücksspiel negativ für ihn ausfallen könnte. Basierend auf unserer bisherigen Daten gibt es wahrscheinlich drei Hauptgründe, warum dies nicht der Fall war.
Erstens, und am wichtigsten, war die Position der Labour-Partei wahrscheinlich noch schwächer vor dem Wahltag, als ihre meist schwachen Umfragewerte vermuten ließen. Ein früher Hinweis - dem wir eher misstrauend gegenüber standen - konnte aus den detaillierten Gewichtungsannahmen mehrerer britischer Meinungsforscher gewonnen werden. Bei einer Befragung konnte sich einer von fünf Labour-Wählern nicht mehr an seine Wahlentscheidung von 2017 erinnern. Wir hätten dies als Zeichen nehmen sollen, dass viele Wähler mit ihrer damaligen Wahl unzufrieden waren. Genau das geschah am Wahltag in England und in geringerem Maße in Wales. (Im Gegensatz dazu, hatten frühere Kampagnen eine späte Verschärfung in diesen arbeitsorientierten Bereichen vorhergesagt).
Zweitens und in Verbindung damit, haben Fehlschritte von Labour und den Liberaldemokraten (Lib Dems) Johnsons Aufgabe wahrscheinlich erleichtert. Die beiden wichtigsten Oppositionsparteien in England und Wales fehlte das taktische Verständnis das beiden 1997 so sehr geholfen hatte - das letzte Mal, als es im Großteil des Landes eine so starke Anti-Tory-Stimmung gab. Stattdessen konzentrierten beide einen Großteil ihrer Kraft für das gegenseitige Bekämpfen. Darüber hinaus versprach der neue und bald ehemalige Führer der Lib Dems, Jo Swinson, unklugerweise den Brexit ganz zu widerrufen, sollte er eine absolute Mehrheit gewinnen. Dieses vorschnelle Versprechen hat wahrscheinlich nicht geholfen, wenn man die Wähler vor ihrer Haustür trifft. Allerdings führte es mit ziemlicher Sicherheit dazu, dass die Lib Dems ihre Ressourcen falsch aufteilten. Tatsächlich verlor Frau Swinson knapp ihren eigenen Sitz in Schottland.
Drittens, und am beeindrucktesten, sicherten sich die Tories auch Plätze, die weder auf schwache Gegner, noch auf Glück zurückzuführen sind. Eines der besten Beispiele dafür war in East Devon, wo ein unerfahrener konservativer Kandidat gewinnen konnte, obwohl es im Vorhinein nach einer großen Herausforderung ausgesehen hatte. Selbst in Schottland, wo Johnson und der Brexit nach wie vor äußerst unbeliebt sind, hat sich das Tory-Votum überraschend gut gehalten. Die Konservativen führten im ganzen Land eine äußerst geschickte Kampagne.
Jetzt hört man nichts mehr von den Leuten und Medien die damals nach dem Brexit Votum Boris Johnson und andere als Populisten beschimpft haben, die nach der Entscheidung weglaufen.
Johnson hat sein Wort gehalten, am ende ist es der "Populist" der die Werte der Demokratie aufrecht erhält und die Linken die versucht haben diese zu unterwandern.