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11:16 Uhr, 18.02.2013

Japans Notenbank auf gefährlichem Kurs

Frankfurt/Boston (BoerseGo.de) - Die jüngste Schwäche des japanischen Yen hat große gesamtwirtschaftliche Folgen, die über die Devisenmärkte hinausgehen. Seit dem Sommer 2012 ist der Yen gegenüber dem US-Dollar um 15 Prozent gefallen, gegenüber dem Euro um 25 Prozent. An den Devisenmärkten sind das große Veränderungen, wie Robert Spector, CFA Portfolio Manager bei MFS Investment Management in seinem aktuellen Konjunkturausblick schreibt. Andere Assetklassen hätten positiv darauf reagiert, da die Yen-Abwertung als ein Zeichen für eine gestiegene Risikobereitschaft gesehen werde. In den letzten Jahren habe der Yen als ein sicherer Hafen gegolten.

„Heute fragen wir uns, ob ein schwächerer Yen mit steigenden Aktien- und Unternehmensanleihekursen sowie Verlusten bei Staatsanleihen einhergeht. Unserer Ansicht nach ist die Schwäche des Yen einem Regimewechsel der Notenbank zu verdanken. Offensichtlich bemühen sich die Notenbank und die neue Regierung jetzt sehr viel intensiver als früher, die nicht enden wollende Deflation und wirtschaftliche Stagnation zu überwinden“, so Spector. Noch gingen die japanischen Verbraucherpreise um 0,1 Prozent jährlich zurück. Die Notenbank habe aber nun ein offizielles Inflationsziel von zwei Prozent verkündet. Und sie werde ihre Offenmarktgeschäfte, also Wertpapierkäufe, so lange fortsetzen, bis das Ziel erreicht ist. Sowohl die Fed und in naher Zukunft wohl auch die EZB weiteten ihre Bilanzen aus. So viel Geld wie die japanische werde jedoch voraussichtlich keine der beiden Notenbanken drucken. „Uns überrascht es daher nicht, dass der Yen abwertet und die japanischen Aktienkurse deutlich gestiegen sind“, so Spector.

Sind das nun gute Aussichten für Japan und die Weltwirtschaft? „Eine einfache Antwort wäre schön. Doch wir sehen das Risiko von Währungskriegen. Wenn die Binnenwirtschaft schwach ist, weil Verbraucher und Unternehmen Schulden abbauen, versuchen viele Länder sich in den Export zu retten. Aber das ist bei unterdurchschnittlichem Wachstum der Weltwirtschaft nicht einfach. Das Bestreben, die eigene Währung zu schwächen und dadurch Weltmarktanteile zu gewinnen, ist dann naheliegend. Aber eine Abwertung der eigenen Währung bedeutet eine Aufwertung der übrigen Währungen. Die Folge ist ein Abwertungswettlauf, der am Ende zu nichts führt“, heißt es.

Besonders besorgniserregend sei die Aufwertung des Euro gegenüber dem Yen. Der Euroraum brauche Wachstum, um aus der Schuldenkrise herauszukommen. Der Aufschwung in Deutschland sei beeindruckend, aber die Angst groß, dass die japanischen Wechselkursmanipulationen den deutschen Exporten schadeten. Am Ende werde die EZB gezwungen sein, Geld zu drucken, um den Euro zu schwächen. Im Währungskrieg entstünde dann eine neue Front. „Wir sind überzeugt: Japan hält seine Währungspolitik nicht für einen Angriff auf andere Länder, sondern einzig und allein für eine Maßnahme, die jahrzehntelange Deflation zu überwinden. Aber natürlich gibt es hier unterschiedliche Auffassungen“, schreibt Spector.

Ein anderes wichtiges Thema ist die Unabhängigkeit der Notenbanken - seit Jahrzehnten ein Grundpfeiler solider Wirtschaftspolitik. Technisch sind die Notenbanken der meisten Industrieländer Teil der Regierung, doch sind sie meist autonom und können ihre eigene Geldpolitik verfolgen. Doch in Zeiten des Schuldenabbaus erscheint eine enge Zusammenarbeit von Notenbanken und Regierungen immer wichtiger - so wie zurzeit in Japan. „Das ist nicht ungefährlich! Es besteht die Gefahr einer Staatsfinanzierung über die Notenpresse und damit einer langfristig höheren Inflation. Doch nicht nur in Japan werden die Grenzen zwischen Geld- und Fiskalpolitik verwischt. Fed und EZB verhalten sich ähnlich: die Fed mit ihrem Quantitative Easing Programm sowie einer nicht mehr nur an der Inflation, sondern auch am Arbeitsmarkt orientierten Geldpolitik; die EZB mit ihren Outright Monetary Transactions. Wir befinden uns bereits jetzt auf einem gefährlichen Weg“, so Spector.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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