Japans dessignierter Premier droht mit teilweisem Bruch US-japanischer Beziehungen (UPDATE)
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Die neue japanische Regierung droht mit einem teilweisen Bruch ihrer historisch gewachsenen Beziehungen zur US-Regierung. Der designierte Ministerpräsident Yukio Hatoyama äußert sich kritisch gegenüber der Globalisierung und auch gegenüber dem Abkommen mit den USA, Kriegsschiffe zur Unterstützung des Kriegs in Afghanistan im indischen Ozean durch japanischen Schiffe zu betanken. Hatoyama wird voraussichtlich am 16. September zum Regierungschef gewählt. Japan ist die zweitgrößte Volkswirtschaft weltweit.
Yukio Hatoyama, Vorsitzender der Demokratischen Partei Japans, sorgt derzeit für Unruhe in Washington mit der Veröffentlichung eines Artikels, in dem er die USA für die Fehlschläge des Kapitalismus, die Rezession in der Weltwirtschaft und die „Zerstörung der Menschenwürde“ verantwortlich macht.
Er kündigt auch eine Überprüfung des Abkommens an, das derzeit US-Kriegsschiffen erlaubt, an japanischen Häfen betankt zu werden. Dies sei nicht mit der Anti-Atomwaffenpolitik Japans vereinbar, so Hatoyama. Er will ebenso erneut die Kosten von 6 Mrd. Dollar prüfen, die für Japan entstehen, weil US-Truppen von ihrer Basis in Okinawa auf die Pazifikinsel Guam überstellt werden sollen. Dies soll Teil einer generellen Überprüfung der Militärpräsenz der USA auf japanischem Boden sein.
In seiner Wahlkampagne verspricht er eine „unabhängigere“ Politik von Washington und eine engere Zusammenarbeit mit benachbarten asiatischen Staaten.
Jetzt ist fraglich, ob Japan wirklich einen Kurswechsel machen wird, wenn die neue Regierung im Amt ist. Viel zu oft wird ja das eine versprochen und das genaue Gegenteil gemacht. Ungeachtet davon hat Hatoyama sich sehr kritisch gegenüber den USA geäußert. In Auszügen möchte ich Ihnen den Artikel des zukünftigen Premiers Japans präsentieren. Der Artikel erschien auch in der New York Times unter dem Titel „Ein neuer Weg für Japan“:
„In diesen Zeiten müssen wir zur Idee der Brüderlichkeit zurückkehren – wie die Franzosen sagen „Liberté, Égalité, Fraternité“ – und sie als Kraft gegen die inhärenten Gefahren der Freiheit verwenden.
Die jüngste Wirtschaftskrise resultiert aus einer Denkart, die auf der Idee basiert, dass die amerikanische freie Marktpolitik eine universelle und ideale Wirtschaftsordnung der Welt darstellt, und dass alle Länder ihre Traditionen und Regulierungen aufgeben und sie an globalisierten (beziehungsweise amerikanischen) Standards anpassen sollen.
Die Wirtschaftsordnung in jedem Land ist über die Jahre gewachsen und reflektiert die Einflüsse von Traditionen, Gewohnheiten und nationalen Lebensstilen. Die Globalisierung ist jedoch fortgeschritten, ohne dass sie nicht-wirtschaftliche Werte, noch Umweltfragen oder Probleme der Ressourcenknappheit beachtete.
Wenn wir auf die Veränderungen blicken, welche die japanische Gesellschaft seit dem Ende des Kalten Krieges erfuhr, glaube ich, ist es keine Übertreibung, wenn ich schreibe, dass die Weltwirtschaft traditionelle Wirtschaftsabläufe beschädigt und lokale Gemeinschaften zerstört hat.
Gemessen an der Markttheorie sind Menschen einfach nur Personalkosten. Aber in der realen Welt sind Menschen die Bestandteile von lokalen Gesellschaften und sind die physische Verkörperung von Lebensstilen, Traditionen und der Kultur. Ein Individuum gewinnt Respekt durch andere Menschen indem es einen Arbeitsplatz bekommt und eine Rolle in der Gemeinschaft einnimmt und in der Lage ist, seiner Familie ein gutes Leben zu ermöglichen.
Unter dem Prinzip der Brüderlichkeit, würden wir uns nicht zu politischen Entscheidungen hinreißen lassen, die das Leben der Menschen und ihre Sicherheit – dazu gehören die Landwirtschaft, die Umwelt und Medizin – unter das Schicksal der Globalisierung stellen.
Die Finanzkrise hat vielen bewusst gemacht, dass die Ära des US-Unilateralismus zu einem Ende kommen könnte. Sie hat Fragen darüber aufgeworfen, wie nachhaltig der US-Dollar auch in Zukunft als die weltweite Reservewährung fungieren kann.
Heute, wo die supranationalen politischen und ökonomischen Philosophien des Marxismus und der Globalisierung, sei dies nun gut oder schlecht, stagnierten, keimt erneut der Nationalismus auf und wirkt sich entscheidend in vielen Ländern aus.“
Update vom 18. September 2009: Der Artikel, der in der New York Times veröffentlicht wurde, wurde dort gekürzt und ohne Genehmigung von Hatoyama veröffentlicht. Er distanizierte sich mittlerweile von dem Geschriebenen, er habe keine anti-amerikanische Haltung, bekundet Hatoyama. Der in dem Artikel der New York Times erkenntbare anti-amerikanische Ton sei das Ergebnis "unfreundlichen Redigierens" seitens der zuständigen Autoren. Hatoyama stehe weiterhin hinter bilateralen Beziehungen mit den USA und habe seit Veröffentlichung des NYT-Artikels daran gearbeitet.
Ein Leser hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass US-amerikanische Kriegsschiffe nicht in Häfen in Japan betankt werden. Sie werden im indischen Ozean durch japanische Schiffe betankt. (Vielen Dank für den Hinweis).
Jochen Stanzl, Chefredakteur Rohstoff-Report.de
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