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08:11 Uhr, 29.12.2017

Japans Aktienmarkt steckt voller Value-Gelegenheiten

Nach Meinung von Goran Vasiljevic, CIO und Mitglied der Geschäftsführung bei Lingohr und Partner Asset Management, erholen sich Japans Unternehmen nach einem verlorenen Jahrzehnt.

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    ISIN: DE0008469008Kopiert
    Kursstand: 13.072,79 Pkt (XETRA) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung

Erkrath (GodmodeTrader.de) - Japan wurde über lange Zeit sowohl für seine Attraktivität als auch seine außergewöhnlichen Renditen am Aktienmarkt beneidet. Der MSCI Japan hat von 1970 bis 1989 mehr als 5.500 Prozent gewonnen, während der MSCI Europa und der MSCI USA um gerade mal 660 bzw. 370 Prozent angestiegen sind. Von 1968 bis 2010 verzeichnete Japan über mehrere Dekaden hinweg das weltweit zweithöchste Bruttoinlandsprodukt – und war zur selben Zeit sogar im marktkapitalisierten MSCI World die am höchsten gewichtete Nation, wie Goran Vasiljevic, CIO und Mitglied der Geschäftsführung bei Lingohr und Partner Asset Management, in einem aktuellen Marktkommentar schreibt.

Niedrige Zinsen hätten den Aktien- und Immobilienmarkt in ungeahnte Höhen schießen lassen. Die Erkenntnis, dass diese Entwicklung keinesfalls nachhaltig sein könne, habe die Regierung zu Zinserhöhungen veranlasst. Damit habe sie einen Zusammenbruch des Aktienmarktes wie auch eine Schuldenkrise ausgelöst – vor allem, da viele Schulden mit spekulativen Assets besichert gewesen seien. Japan sei in das sogenannte „verlorene Jahrzehnt“ gerutscht, heißt es weiter.

„Das Land schlitterte in die längste Krise seiner Geschichte. Bis heute konnte sich Japan nicht vollständig davon regenerieren. Doch die Zeichen stehen auf Erholung. Erst im Mai 2017 konnte der MSCI Japan in US-Dollar gemessen wieder die Höchststände von 1989 erreichen. Es scheint hier zurzeit weit mehr Value-Gelegenheiten zu geben – also Aktien mit hohem Potential – als in der restlichen Welt. Grund genug, den japanischen Markt unter die Lupe zu nehmen und genauer zu analysieren, wie optimistisch Value-Investoren hinsichtlich der aktuellen Entwicklungen in Nippon sein dürfen“, so Vasiljevic.

Um die Attraktivität eines Marktes oder Unternehmens zu bewerten, vergleiche man seinen tatsächlichen Wert mit seinem Preis. Die wichtigsten Kriterien zur Beurteilung einer Anlageentscheidung seien neben der Bewertung – absolut wie auch relativ zu anderen Ländern und Regionen und zur eigenen Historie – Wachstum, Business Sentiment und Allokation von Kapital, heißt es weiter.

„Es ist der gewichtete Durchschnitt der einzelnen Unternehmen, die die Marktbewertungen maßgeblich bestimmen. Sie können entweder von vielen Unternehmen oder von nur wenigen großen Firmen getrieben werden, die aber besonders teuer oder günstig sind. Zur Aktienbewertung müssen gleich mehrere Kennzahlen analysiert werden – unter anderem das wichtige Kurs-Gewinn-Verhältnis. Über die letzten 47 Jahre konnte Japan fast stetig die Bewertung auf das KGV verbessern. Dazu beigetragen haben auch steigende Gewinne. Zur eigenen Historie, wie auch relativ zu den anderen Märkten, ist die Gewinnrendite attraktiv“, so Vasiljevic.

Um die Einflüsse und Treiber der Bewertung auf die Gewinnrendite besser verstehen zu können, müssten zusätzlich die beiden Haupteinflussfaktoren Preis-Buchwert-Verhältnis und Eigenkapitalrendite analysiert werden. Das Kurs-Buchwert-Verhältnis sei einer der beliebtesten Bewertungsfaktoren von Value-Investoren, um Unterbewertung zu identifizieren. Auf Basis dieses Faktors habe sich der japanische Aktienmarkt seit 1990 beinahe gedrittelt. Die Bewertung relativ zur eigenen Historie liege unter dem Durchschnitt, im Gegensatz zu amerikanischen Aktien. Der Bewertungsvorteil gegenüber den anderen Märkten sei damit aktuell größer als im historischen Durchschnitt, heißt es weiter.

„Für jeden Value-Investor stellt sich bei der Anlageentscheidung immer die Frage, was bereits in die Bewertung eingepreist wurde und ob ein Markt berechtigterweise günstig bewertet ist. Wie jeder Faktor hat auch das Kurs-Buchwert-Verhältnis Vor- und Nachteile. Es kann Unterbewertung erkennen und Investoren davor schützen, zu viel für ein Investment zu zahlen. Gleichzeitig ignoriert es aber auch die Ertragskraft eines Investments“, so Vasiljevic.

Ein Unternehmen mit niedriger Profitabilität (Eigenkapitalrendite) könne nur geringe Anteile des operativen Ergebnisses in freie Cash-Flows umwandeln. Profitable Unternehmen hätten dagegen mehr Freiraum und könnten effizienter wachsen. Der japanische Markt habe bei attraktiv bleibender Bewertung die Eigenkapitalrendite absolut und auch im Verhältnis zu Europa und den USA steigern können. Nur in vier Prozent der Zeitpunkte sei die Eigenkapitalrendite in Japan so nah an der US-amerikanischen dran gewesen. In Japan sei sowohl absolut als auch relativ eine historisch geringe Unternehmensverschuldung zu beobachten. In anderen Regionen, allen voran in den USA, habe die Verschuldung der Unternehmen seit der Finanzkrise deutlich zugelegt, wobei ein Großteil des Kapitals eher in Aktienrückkäufe statt in Investitionen geflossen sei, heißt es weiter.

„Japan ist also mit Blick auf die Bewertungskennzahlen sowohl relativ zur eigenen Historie als auch zu anderen Märkten sehr attraktiv. Dies gilt für klassische Bewertungskennzahlen ebenso wie für die Rentabilität und Ertragskraft. Das historisch und relativ zu anderen Regionen niedrige Verschuldungsniveau unterstreicht die Nachhaltigkeit der attraktiven Bewertung“, so Vasiljevic.

Lange Zeit habe in Japan das Gewinnwachstum als Fremdwort gegolten. Heute jedoch seien hier höhere Gewinnzuwächse als in Regionen mit höherer Bewertung, stärkerer Verschuldung und ähnlicher Profitabilität zu finden. Auch für die nächsten Jahre seien die Schätzungen positiv.

Aussagekräftig sei auch das Business Sentiment der einzelnen Unternehmen innerhalb eines Marktes und damit verbunden die Auswirkungen von veränderten Gewinnerwartungen auf die Kapitalrendite, heißt es weiter.

„Diese vielschichtigen Blickwinkel helfen dabei, Value-Traps zu vermeiden. In den letzten Wochen konnten diesbezüglich bei etwa 60 Prozent der japanischen Unternehmen positive Entwicklungen beobachtet werden, weit mehr als in den übrigen entwickelten Märkten. Sowohl neue politische Anreize als auch unternehmenstechnische Verbesserungen haben dazu beigetragen, dass der japanische Markt bezüglich Business Sentiment und Gewinnwachstums einen eindeutigen Aufwärtstrend beschreitet. Auch wenn es regional und global Zeiten größeren Wachstums gegeben hat, bietet Nippon, vor allem relativ zu den anderen Regionen, ein attraktives Wachstum sowie zukünftiges Potential“, so Vasiljevic.

Je nach Ertragskraft sei es entscheidend, wie ein Unternehmen seine verfügbaren Eigenmittel oder sein Kapital einsetze. Hier zeige sich eine große Diskrepanz zwischen japanischen Unternehmen und seinen US-amerikanischen bzw. europäischen Konkurrenten. Seit geraumer Zeit hätten japanische Firmen mehr Cash in ihren Bilanzen als Firmen in anderen Regionen. Dieser Trend habe sich in den letzten fünf Jahren sogar verstärkt. Hauptgrund dafür sei eine historische Knappheit an tragfähigen Investitionsmöglichkeiten gewesen, die wiederum eine geringe erwirtschaftete Eigenkapitalrendite zur Folge gehabt habe. Durch die aktuelle Vielfalt an lukrativen Projekten könne das angehäufte Kapital gewinnbringend eingesetzt und die Rentabilität gesteigert werden, heißt es weiter.

„Aus diesem Blickwinkel hat der japanische Markt noch einiges an Aufholbedarf und damit einhergehend auch ein Potential, das es zu heben gilt. Richtig eingesetzt, kann das Kapital der japanischen Unternehmen durchaus ein wichtiger Hebel sein, um zukünftigen Wert zu schaffen. Durch diese Investitionen – ob in Aktienrückkäufe, Übernahmen oder Forschung und Entwicklung – kann erwirtschaftetes Kapital wieder rentabel angelegt werden. Dies führt zu einem positiven Schneeballeffekt und zu einer zusätzlichen Wertschöpfung“, so Vasiljevic.

Die bisher geringe Verwendung von Eigenkapital gebe den Unternehmen also einerseits Flexibilität und Anpassungspotenzial sowie andererseits die Möglichkeit, in Zukunft besser für die Aktionäre zu handeln. Erste Tendenzen seien schon an den steigenden Aktienrückkäufen in den letzten Jahren zu sehen, heißt es weiter.

„Die Bewertung Japans in Kombination mit konservativ positiven Wachstumsaussichten, einem positiven Business Sentiment, einer hohen Bilanzstärke und viel Aufholpotential in der Allokation von Kapital sind gute Gründe dafür, das Japan-Gewicht in diversifizierten Portfolios zu erhöhen. Aus Value-Perspektive sind vor allem solche Unternehmen attraktiv, die Nicht-Basiskonsumgüter sowie Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe herstellen“, so Vasiljevic.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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