Kommentar
16:35 Uhr, 01.04.2008

Japan: Tankan signalisiert Abkühlung, aber keine Rezession

1. Die Stimmung bei den japanischen Unternehmen hat sich im ersten Quartal 2008 zum zweiten Mal in Folge eingetrübt. Der Indexwert für die Einschätzung der wirtschaftlichen Lage sank bei den großen Industrieunternehmen im ersten Quartal von 19 auf 11 Punkte (Bloomberg-Median: 13 Punkte), bei den großen Dienstleistern von 16 auf 12 Punkte (Bloomberg-Median: 12 Punkte). Bei allen Großunternehmen gab es einen Rückgang des Indexwertes um 5 auf 12 Punkte. Insgesamt trübte sich die Stimmung damit etwas stärker ein als erwartet und erreichte im Großen und Ganzen das Niveau, das wir zuletzt im Jahr 2004 gesehen haben – damals allerdings von unten kommend. Ausschlaggebend wird es nun sein, wie tief die Stimmung in dieser Phase der konjunkturellen Abschwächung noch fallen wird.

Bei den Erwartungen zeigt sich aber ein erster Lichtblick der Tankan-Umfrage. Zwar erwarten die großen Industrieunternehmen eine weitere Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage für das zweite Quartal, sodass der entsprechende Indexwert im Vergleich zur aktuellen Lage um 4 Punkte tiefer – also bei 7 Punkten – liegt. Doch die großen Dienstleistungsunternehmen erwarten bereits für das zweite Quartal 2008 eine leichte Verbesserung der Lage mit einem Anstieg des Indexwertes um 1 Punkt auf 13 Punkte. Insbesondere sehen die Unternehmen im Einzelhandel, im Bau sowie im Bereich Strom- und Gasversorger eine Aufhellung der wirtschaftlichen Lage im zweiten Quartal. In der direkten Schlussfolgerung von der Stimmung auf die Gesamtwirtschaft würde das bedeuten, dass sich das Tempo der Abkühlung gegen Jahresmitte 2008 bereits verlangsamen könnte.

Bezüglich des Stimmungsbildes bei den mittelgroßen und den kleinen Unternehmen hat sich wenig verändert. Nach wie vor sind die kleinen Unternehmen am pessimistischsten eingestellt, wobei der entsprechende Indexwert über alle Sektoren hinweg um 4 Punkte auf -11 Punkte gefallen ist. Hierbei sehen die kleinen Unternehmen im Dienstleistungssektor mit -15 Punkten ihre wirtschaftliche Situation als noch ungünstiger an als die kleinen Industrieunternehmen mit -6 Punkten. Ein ähnliches Schema zeigt sich auch für die mittelgroßen Unternehmen: Die Stimmung bei den Dienstleistern sank um 5 auf -3 Punkte und somit in negatives Terrain, wobei die mittelgroßen Industrieunternehmen mit einem Rückgang des Indexwertes um 5 auf 5 Punkte noch mehrheitlich optimistisch bleiben.

2. Eher gemischte Antworten ergaben sich bei den anderen Teilfragen, bei denen die Unternehmen das erste Mal Prognosen für das Fiskaljahr 2008 abgegeben haben. Die Umsatzperspektiven für das Fiskaljahr 2008 wurden über alle Unternehmensgrößen und Sektoren hinweg mit einem Umsatzplus um 1,4 % als deutlich schwächer angegeben als für das Fiskaljahr 2007. Bezüglich der Gewinnerwartungen sind die japanischen Unternehmen hingegen mit einem erwarteten Gewinnzuwachs für das Fiskaljahr 2008 um 2,4 % sogar optimistischer als zuletzt für das vergangene Fiskaljahr. So lässt das recht hohe Gewinn-Umsatz- Verhältnis durchaus hoffen, dass die Investitionspläne für das Fiskaljahr 2008, die in der jetzigen Umfrage mit -1,6 % enttäuschend ausfielen, im Verlauf des Jahres deutlich nach oben korrigiert werden. Das Phänomen, dass die Unternehmen zu Beginn des Fiskaljahres sehr moderate Investitionserwartungen angeben, ist bekannt. Mit der Erwartung eines Investitionsrückgangs wurde zuletzt das Fiskaljahr 2004 begonnen. Am Ende stiegen die Erwartungen damals übrigens bis auf 7,7 % und tatsächlich wurde die Investitionstätigkeit um 4,5 % ausgeweitet.

3. Wir sehen zwar weiterhin keine Hinweise für eine japanische Kreditkrise, doch gibt es erste Anzeichen für eine Übertragung der internationalen Stimmungsverschlechterung auf Japan, was die Einschätzung der Kreditmarktsituation angeht. Zwar empfindet die deutliche Mehrheit der Unternehmen die Finanzierungslage als unverändert locker („easy“), doch gab der entsprechende Indexwert etwas nach. In der Teilfrage nach dem Kreditgewährungsverhalten von Finanzinstitutionen sank der Indexwert ebenfalls, verharrte aber deutlich im positiven Bereich, was angibt, dass die Lage auch hier als unproblematisch („accomodative“) gesehen wird. So erwarten wir zwar zunächst eine leichte Abschwächung der Investitionsdynamik in der ersten Jahreshälfte 2008, rechnen aber nach wie vor mit den Investitionen als einer binnenwirtschaftlichen Stütze für das Wachstum.

4. Die Ergebnisse der heutigen Tankan-Umfrage deuten auf eine konjunkturelle Abkühlung in Japan hin, sind aber von Rezessionsniveaus weit entfernt. So dürfte die japanische Volkswirtschaft dieses und nächstes Jahr mit 1 ½ % Wachstum hinter der Potenzialrate zurückbleiben.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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