Kommentar
14:06 Uhr, 25.07.2016

Japan kauft die Welt auf

Die Zeiten sind ungewöhnlich. Das hat inzwischen jeder mitbekommen. Nun entwickelt sich die Anomalität weiter und grenzt an Wahnsinn.

Um Missverständnisse zu vermeiden, möchte ich gleich vorwegnehmen, dass ich auf Sicht der kommenden Monate eine positive Entwicklung an den Märkten und für die Volkswirtschaften erwarte. Langfristig sieht die Sache anders aus. Mir fehlt die Fantasie, um ein Happy End zu erkennen.

Gründe für Bedenken gibt es zur Genüge. Ganz besonders im Fokus steht die Praxis von Notenbanken, Anleihen aufzukaufen. Die US-Notenbank hat QE salonfähig gemacht und damit gleichzeitig die Büchse der Pandora geöffnet. Notenbanken rund um den Globus zogen nach und hören einfach nicht auf Anleihen zu kaufen.

Notenbanken haben nur geringen Einfluss auf die langfristigen Zinsen. Kurzfristige Zinsen können sie festlegen, indem sie den Leitzins verändern. Liegt der Leitzins z.B. bei 1 %, dann ist es fast ausgeschlossen, dass kurzfristige Anleihen niedriger rentieren. Würden Anleihen weniger als 1 % Rendite abwerfen, wäre es lukrativer, das Geld absolut risikolos bei der Zentralbank zu parken.

Kurzfristige Zinsen sind durch die Notenbank beeinflussbar. Sie können den Zinsen einen Boden geben. Bei langfristigen Zinsen ist das nicht der Fall. Sie werden – korrekter: sie wurden – vom Markt bestimmt. Notenbanken können nur Einfluss auf die langfristigen Zinsen nehmen, wenn sie selbst als Marktteilnehmer agieren. Indem sie Anleihen kaufen und die Nachfrage künstlich erhöhen, steigen die Preise der Anleihen und die Renditen fallen.

Nun denken die Bank of Japan, die Bank of England und die EZB schon wieder über weitere Maßnahmen nach. Aller Wahrscheinlichkeit nach sollen dabei noch mehr Anleihen gekauft werden. Die Konsequenz: Investoren befinden sich selbst gerade im Kaufrausch, um Anleihen schnell noch aufzuschnappen, bevor die Zinsen noch tiefer in den negativen Bereich fallen.

Notenbanken verdrängen Investoren wie Pensionsfonds. Sie müssen ihr Geld jedoch irgendwo anlegen. Aktien sind keine wirkliche Alternative. Aktien sind historisch gesehen volatiler als Anleihen. Das Risiko ist höher und dieses Risiko soll vermieden werden. Vielmehr wollen Investoren wie Pensionsfonds langfristig eine stabile Rendite. Es geht nicht darum eine zweistellige Rendite zu erzielen, sondern eine niedrige, dafür aber sichere Performance zu generieren.

Unter der Politik der Notenbanken wird dies immer schwieriger. Inzwischen ist es unmöglich. Das führt nun dazu, dass aus der ohnehin schon ungewöhnlichen Situation eine Sachlage entsteht, die man nur noch als Wahnsinn bezeichnen kann. Im Versuch der Notenbanken die Wirtschaft anzuschieben, indem sie die Zinsen sämtlicher Laufzeiten steuern, verlieren sie gerade die Kontrolle. Das ist paradox, aber eine bittere Realität.

Woher der Kontrollverlust kommt, zeigt die Grafik. Dargestellt sind die Nettokäufe ausländischer Wertpapiere (Aktien und Langfristanleihen) japanischer Anleger und Investoren im Zeitraum 2005 bis Mitte Juli 2016. Es floss bereits in den Vorjahren sehr viel Geld in ausländische Anlagen, vor allem Langfristanleihen. Nun hat sich der Prozess nach einer Pause beschleunigt. Auf Jahressicht wurden 250 Mrd. Dollar an ausländischen Anleihen erworben. Innerhalb einer 12-Monatsperiode wurde noch nie so viel Geld ins Ausland geschafft.

Die Summe, die Japaner im Ausland aufkaufen, reicht, um gut die Hälfte aller neu ausgegebenen US-Staatsschulden zu kaufen. Da ein Großteil der Käufe tatsächlich in den USA stattfindet, kaufen Japaner fast schon so viele US-Staatsanleihen wie die Fed zur Zeit ihres QEs. Das erklärt, weshalb die Zinsen in den USA tendenziell nicht steigen, sondern weiter fallen.

Obwohl die Fed ihr QE Programm schon lange beendet hat, steht der Markt immer noch unter dem Einfluss von QE. Das japanische QE schwappt quasi über. Die US-Notenbank hat durch diesen Umstand kaum noch Kontrolle über den Markt. Selbst wenn sie einen Zinsanstieg befürwortet, kann sie wenig ausrichten, um diesen zu bewerkstelligen.

Eine unabhängige Notenbankpolitik wird, je länger die QE Programme in Europa und Japan andauern, immer schwerer. Es ist eine Illusion anzunehmen, dass die US-Notenbank noch eine unabhängige Zinspolitik betreiben kann. Sie kann zwar die kurzfristigen Zinsen steuern, doch das QE der anderen Länder lässt eine Normalisierung am langen Ende der Zinskurve nicht zu.

Der Trend ist nicht neu, doch er erreicht in diesen Wochen eine neue Dimension. Obwohl eine Wirtschaft wie die der USA vielleicht höhere Zinsen bräuchte, lassen sich diese kaum durchsetzen. Vereinfacht kann man auch sagen: das ausländische QE sorgt dafür, dass Ungleichgewichte in ganz anderen Ländern entstehen, die eigentlich nicht Ziel der Programme sind.

Inzwischen ist die Dimension so groß, dass ein kompletter Kontrollverlust droht. Kurz- und mittelfristig kann das vollkommen irrelevant sein, wenn Wirtschaft, Inflation usw. stabil sind. Ändern sich Faktoren, auf die eine Notenbank nicht mehr reagieren kann, wird es unter Umständen große Verwerfungen geben.

Clemens Schmale

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26 Kommentare

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  • netzadler
    netzadler

    "Mal schauen welcher großer Zocker zu erst die Nerven verliert und die Reißleine zieht"

    was man so mitkriegt, ist big money schon gar nicht mehr groß dabei.

    21:19 Uhr, 25.07.2016
  • Keyser Soze
    Keyser Soze

    Hallo Herr Schmale,

    Sie schreiben "Selbst wenn sie (die Fed) einen Zinsanstieg (am langen Ende) befürwortet, kann sie wenig ausrichten, um diesen zu bewerkstelligen."

    Doch kann sie, zumindest teilweise - indem sie die in ihrem Besitz befindlichen Anleihen (aufgekauft während QE 1 bis 3) wieder am freien Markt veräußert.

    20:52 Uhr, 25.07.2016
  • Market Impact
    Market Impact

    ich denke es kommt vielleicht wie in zypern . bargeld über xy wird mit z besteuert und schon sind die schulden wech ;)

    obwohl in zypern haben sie ja wohl hauptsächlich die russen mafia rasiert :)

    20:04 Uhr, 25.07.2016
  • Mitdenker
    Mitdenker

    Denke auch, wenn se das Bargeld abgeschafft haben wird es eine Zwangsabgabe für jeden Bürger geben, mit Ausnahme derer, die die Scheisse verbockt haben wie Merkel Drako und Co......

    19:57 Uhr, 25.07.2016
  • netzadler
    netzadler

    Es werden über Nacht kapitalkontrollen in g20 kommen. Die Banken sind im Boot, weil sie in Abhängigkeit sind.

    Wenn Kontrolle über die Steueroasen erreicht ist, geht es los, jede wette.

    Sollten Krieg und politchaos vorher schon ein treten, haben wir halt Pech.

    19:15 Uhr, 25.07.2016
    2 Antworten anzeigen
  • MDADVISORY
    MDADVISORY

    .. ggfs. wird das bald durch nicht vorhersehbare Handlungen des künftigen Präsidenten Don Johnson Lecko Mio mach mir den Hengst Donald Trump oder der Präsidentin Hau drauf Mutti Clinton.

    18:42 Uhr, 25.07.2016
    1 Antwort anzeigen
  • Market Impact
    Market Impact

    bin auch gespannt wie lange das noch gut geht

    18:33 Uhr, 25.07.2016
  • Market Impact
    Market Impact

    aber nein es geht doch viel einfacher . ja die rentner, sie bekommen jedes jahr 3 oder 5 % mehr. denn die sind die größte wählergruppe? schade nur das die satt sind und nicht mehr so konsum geil. außer natürlich der neue daimler damit sich der nachbar ärgert :)

    18:12 Uhr, 25.07.2016
  • Market Impact
    Market Impact

    die regierung könnte aber dafür sorgen indem sie den mindestlohn anhebt damit die armen proleten halbwegs leben können und nicht auch noch in 45 jahren beim sozi anstehen müssen

    18:02 Uhr, 25.07.2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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