Japan in der Demografie-Falle: Wirtschaft ohne Wachstumsphantasie
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Japan verzeichnet seit zwei Jahrzehnten auch in globalen Boomphasen nur noch geringe Wachstumsraten. Die Staatsverschuldung wächst rasant, von der Nähe zur Wachstumsregion Asien kann das Land nur begrenzt profitieren. Sobald der Staat versucht, Konjunkturmaßnahmen zurückzufahren, wirkt sich dies sofort auf negativ auf die japanische Wirtschaft aus. Ende 2010 beschloss die japanische Regierung für das Haushaltsjahr 2011 (beginnend im April), die Konjunkturhilfen zu erhöhen, um den Konsum anzukurbeln. Nennenswerte Erfolge stellten bis zum Zeitpunkt der Atomkrise in Fukushima nicht ein. Die japanische Bevölkerung altert zusehends. Die Demografie wird die wirtschaftlichen Perspektiven in den nächsten Jahren sukzessive weiter verschlechtern.
Lebenszyklus-Hypothese
In der Volkswirtschaftslehre impliziert die sogenannte Lebenszyklus-Hypothese, dass Menschen in ihrer ersten Lebensphase (Jugend, Ausbildung) kein oder nur ein sehr geringes Einkommen haben. Im aktiven Erwerbsleben steigt das Einkommen immer weiter an und wird dann teilweise zur Vermögensbildung (Sparen) verwendet. In der Ruhestandsphase wird das Einkommen geringer (Rentenbezug) und es wird auf das gesparte Vermögen zurückgegriffen (Entsparen). Bei Verschiebungen der Bevölkerungsstruktur, insbesondere bei einer alternden Bevölkerung, kann die gesamtwirtschaftliche Ersparnis dann fallen und negativ werden.
Japan spart weniger
Die Demografie führt zu einer Veränderung des volkwirtschaftlichen Sparverhaltens. Die Sparquote in Japan sinkt deutlich. Während sie Mitte der 90er-Jahre noch bei rund 12 Prozent gelegen hatte, lag sie in den letzten fünf Jahren nur noch bei durchschnittlich zwei Prozent. Japan ist einem Prozess des Entsparens ausgesetzt, der mit einer geringeren Investitionsneigung einhergeht. Damit reduziert sich langfristig das Wachstumspotenzial der Volkswirtschaft und höhlt die wirtschaftliche Leistungskraft aus. Aufgrund der bis in die 90er-Jahre hohen Sparneigung verfügen die Japaner derzeit noch über Sparguthaben in Höhe von umgerechnet 13.500 Milliarden Euro. Die Demografie wird dafür sorgen, dass diese Guthaben langfristig abschmelzen werden.
Japan wird älter
Das japanische Wachstum dürfte in den nächsten Jahren schwach bleiben. Rund 25 Prozent aller Japaner sind mindestens 65 Jahre alt. Ab den Jahren 2013 und 2014 gehen die geburtenstarken Jahrgänge 1947 und 1948 in die Pension. Dies werden mehr als acht Millionen Japaner sein. Bei einer Gesamtbevölkerung von 127 Millionen Japanern sind dies immerhin 6,3 Prozent der Bevölkerung. Auf dem Arbeitsmarkt werden diese Personen dann fehlen. Die Rentenkasse bekommt dadurch Probleme. Erstmals ist sie im Jahr 2010 bei den Staatsanleihen auf der Verkäuferseite gewesen. Es wurden mehr Staatsanleihen ver- als gekauft. Andernfalls hätte man den Rentenverpflichtungen nicht mehr nachkommen können. Mittelfristig wird sich diese Tendenz verstärken.
Hohe Verschuldung, schwaches Wachstum
Japan hat aktuell eine Verschuldung von über 200 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und damit eine der höchsten weltweit. Infolge des Negativwachstums in der Finanzkrise von minus sechs Prozent im Jahr 2008 und über minus fünf Prozent im Jahr 2009 betrug das Wirtschaftswachstum in den Jahren 2001 bis 2010 nur 0,3 Prozent innerhalb einer ganzen Dekade. Der Anteil der Ausgaben für das Gesundheitssystem lag Ende 2010 bei 8,5 Prozent des BIP. Dieser Wert wird ohne massive Einschnitte bei der Gesundheitsversorgung infolge der demografischen Entwicklung massiv steigen. Infolge des niedrigen Zinsniveaus ist die Zinslast jedoch geringer als beispielsweise in Deutschland. Der japanische Kapitalmarkt ist stark abgeschirmt. Etwa 95 Prozent der Schulden werden von den Japanern selbst gehalten. Würde das Zinsniveau bei beispielsweise 5 Prozent liegen, müsste Japan fast seine gesamten Steuereinnahmen zur Tilgung der Staatsschulden aufwenden.
Hilflose Regierung
Statt schmerzhafte Steuerreformen vorzunehmen, konzentriert sich die japanische Regierung infolge der klammen Haushaltskasse darauf, einen stärkeren japanischen Yen zu verhindern. So wird eine Schwächung der japanischen Exportindustrie vermieden, zugleich reduziert sich die Gefahr des Imports einer Deflation. In Phasen eines stärkeren Yens wird die japanische Notenbank auch zukünftig Yen gegen den US-Dollar verkaufen. Der japanische Wiederaufbau wird im zweiten Halbjahr positive Konjunkturimpulse liefern, aber Kosten von bis zu 300 Milliarden US-Dollar verursachen und die Staatsschulden damit weiter erhöhen.
Künstliches Überleben am Tropf
Die japanische Notenbank muss ähnlich wie die US-Notenbank Fed und die britische Notenbank die eigenen Schulden aufkaufen, um die Wirtschaft mit Kapital zu versorgen. Bereits in der Vergangenheit wurde ein erheblicher Anteil der eigenen Anleihen aufgekauft. Die japanischen Banken haben zudem bis zu 400 Prozent ihres Kernkapitals in japanischen Staatsanleihen investiert. Eine Krise am Bondmarkt könnte sofort eine Bankenkrise nach sich ziehen. Folglich wird die Bank of Japan auch weiterhin Milliardenbeträge in das Bankensystem pumpen müssen.
Demografie macht Schuldenproblem unlösbar
Die hohe Staatsverschuldung erhöht das Währungsrisiko im Yen. Die zunehmende Alterung verhindert, dass die japanische Wirtschaft an die Wachstumsraten bis Anfang der 90er Jahre anknüpfen kann. Japan lebt von seiner Substanz. Langfristig scheint eine Abwertung des japanischen Yen unvermeidlich. Um die Zinsen der Schulden und die Staatsausgaben zu finanzieren, wird weiterhin die Aufnahme neuer Schulden erforderlich sein. Letztendlich verhindert die Demografie, dass das japanische Schuldenproblem überhaupt gelöst werden kann.
Jens Lüders
Technischer Analyst und Redakteur bei Godmode-Trader.de
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