Kommentar
15:38 Uhr, 13.02.2012

Japan: Erneute BIP-Schrumpfung im Schlussquartal 2011, aber nicht der Beginn einer weiteren Rezession

1. Das Jahr 2011 ist für die japanische Volkswirtschaft ein schwieriges gewesen. Bereits in der ersten Jahreshälfte sank das Bruttoinlandsprodukt aufgrund der Naturkatastrophe im März des Jahres. Es folgte eine erfreuliche Wiederbelebung im dritten Quartal sowie eine erneute Schrumpfung im Schlussquartal. Im vierten Quartal 2011 sank das Bruttoinlandsprodukt unseren Erwartungen entsprechend um 0,6 % gegenüber dem Vorquartal (Bloomberg-Umfrage: -0,3 %, DekaBank: -0,6 %). Insbesondere die Auswirkungen der Flutkatastrophe in Thailand waren ein maßgeblicher Belastungsfaktor. Insgesamt verringerte sich das Bruttoinlandsprodukt 2011 um 1,0 % gegenüber dem Vorjahr. Obwohl sich die japanische Volkswirtschaft verhältnismäßig häufig in einer Rezession befindet (also zwei Schrumpfungsquartale in Folge aufweist), ist ein Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität im Jahresvergleich ungewöhnlich.

2. Die japanische Volkswirtschaft befindet sich nicht mit einem Bein in einer neuen Rezession. Dies lässt sich der Zusammensetzung der wirtschaftlichen Aktivität im vierten Quartal entnehmen. Die wichtigsten inländischen Nachfragekomponenten konnten im Vergleich zum Vorquartal Anstiege verzeichnen. Entgegen unseren Erwartungen sind die Konsumausgaben der privaten Haushalte gegenüber dem Vorquartal angestiegen, und das obwohl insbesondere die schwache Entwicklung der realen Einzelhandelsumsätze auf eine eher schwächere Konsumaktivität hingedeutet hat. Die gestiegene Konsumaktivität ruht allerdings nicht auf gestiegenen Einkommen der privaten Haushalte. Diese sind, wenn auch nach einem außerordentlich starken Anstieg im Vorquartal, um 0,6 % gegenüber dem Vorquartal (qoq) gesunken.

3. Ebenfalls stärker als von uns erwartet konnten sich die Anlageinvestitionen entwickeln. Im vierten Quartal sanken allerdings die Staatsinvestitionen sowie die Wohnungsbauinvestitionen im Vergleich zum Vorquartal. Im zweiten Quartal, im Zuge der japanischen Naturkatastrophe, wurden von staatlicher Seite zeitnah Investitionen getätigt. Im dritten Quartal begann der negative Rückpralleffekt, der sich im vierten Quartal
noch fortsetzte. Diese Bereinigung dürfte mit dem vierten Quartal abgeschlossen sein. Die Wohnungsbauinvestitionen schrumpften nach einer verhältnismäßig kräftigen Entwicklung im Quartal zuvor. Vermutlich liegt also ein negativer Rückpralleffekt vor, der zudem etwas weniger ausgeprägt ausgefallen ist als von uns erwartet. Eine positive Überraschung stellten die gewerblichen Investitionen dar. Diese stiegen um knapp 2 % (qoq) an,
was immerhin der zweitstärkste Zuwachs seit Beginn des globalen Aufschwungs Anfang 2009 ist. Da allerdings mit der Erstmeldung des Bruttoinlandsprodukts noch keine Detailinformationen bekannt gegeben werden, bleibt vorerst unklar, weshalb die gewerblichen Investitionen so kräftig angestiegen sind. Zudem haben sich monatlich verfügbare Investitionsindikatoren im vierten Quartal durchaus beachtlich verschlechtert.
Denkbar ist, dass die Unternehmen mit größerer Verzögerung auf die Erholung nach der Naturkatastrophe vom Frühjahr reagiert haben. Dies würde bedeuten, dass im ersten Quartal 2012 nicht unbedingt mit einem negativen Rückpralleffekt gerechnet werden muss.

4. Deutlich schwächer als von uns erwartet sind die Lagerinvestitionen der Unternehmen ausgefallen. Bereits mit der Naturkatastrophe rutschten die Lagerinvestitionen in den negativen Bereich. Zwar folgten dann zwei Quartale mit positiven Wachstumsbeiträgen, allerdings nur, weil die Lagerbestände weniger stark schrumpften als zuvor. Der Lagerabbau setzte sich im vierten Quartal mit erhöhtem Tempo fort, was sowohl mit den Lieferengpässen im Zuge der Flutkatastrophe zu tun gehabt haben könnte, als auch mit der letztlich überraschend guten inländischen Nachfrageentwicklung. Eine Normalisierung der Lageraktivität würde für 2012 einen positiven Wachstumsbeitrag von ca. 0,8 Prozentpunkten bedeuten.

5. Wenige Überraschungen boten die Außenhandelsdaten. So schrumpften die Exporte ein weiteres Mal gegenüber dem Vorquartal. Die monatlich verfügbaren Außenhandelsdaten deuten an, dass die Exporte im Oktober und November spürbar gesunken sind und im Dezember der Aufholprozess begann. Wir gehen davon aus, dass diese Entwicklungen im Zusammenhang mit den Überschwemmungen in Thailand stehen. Die Importentwicklung war hierdurch kaum beeinflusst, wenngleich eine Abschwächung der Importe zum Ende
des Quartals stattfand.

6. Die Wachstumsaussichten für 2012 haben sich mit den Daten für das Bruttoinlandsprodukt für das vierte Quartal 2011 aufgehellt. Stärker als von uns erwartet dürfte der Aufholprozess nach den Flugkatastrophen in Thailand die wirtschaftliche Aktivität vor allem im ersten Halbjahr beflügeln. Die inländische Nachfrageentwicklung insbesondere im Bereich der privaten Konsumausgaben und den gewerblichen Investitionen sieht für den Moment ebenfalls besser als erwartet aus. Die wieder einmal schwache Einkommensentwicklung der privaten Haushalte gibt allerdings zu denken. Unsere bisherige BIP-Prognose für 2012 lag bei einem Wachstum von 1,5 %. Bleiben in diesem Jahr weitere Naturkatastrophen aus, dann könnte das BIPWachstum durchaus in den Bereich von knapp 2 % vorstoßen. Nach dem verlorenen Jahr 2011 wäre dies sicherlich ein Erfolg. Gleichwohl sind die strukturellen Probleme insbesondere im Bereich der Staatsverschuldung ungelöst. Solange sich hier keine Lösung ergibt, wird sich an der japanischen Wellblechkonjunktur nicht viel ändern.

Quelle: DekaBank

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