Japan: Die vergessene Anlageregion?
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China, Indien, die Schwellenländer Asiens insgesamt, dazu die USA, Deutschland ..., die Anlegerthemen sind aus regionaler Sicht breit gefächert. Wer aber denkt dabei an Japan? Wird diese Anlageregion zu Unrecht „vergessen“?
Sicher: Auch Japan hatte, obwohl die heimischen Banken eher zu den relativen Gewinnern der Finanzkrise gehörten, konjunkturell unter der Krise zu leiden. Die Exportabhängigkeit wirkte sich negativ aus. Zentralbank und Regierung mussten mit der Rückkehr zur Nullzinspolitik und Konjunkturstimuli, welche 5,5 % des japanischen Bruttoinlandsproduktes entsprechen, gegensteuern.
Davon und von der sich verdichtenden globalen Konjunkturerholung scheint das Land der aufgehenden Sonne jetzt zu profitieren: Der OECD-Frühindikator zeigt eine (vorsichtige) Erholung an, wenngleich diese im Kontext der G-4-Staaten noch moderat ausfällt. Das Sentiment in der Industrie verbessert sich langsam und Auftragseingänge sowie Industrieproduktion verzeichnen wieder Zuwachsraten.
Helfen dürfte dem Land dabei auch die starke Verflechtung innerhalb Asiens: Die Exporte in die Region haben sich während der letzten zehn Jahre mehr als verdoppelt. Hinzu kommt, dass die aufstrebenden Staaten Asiens deutlich solider durch die Krise gehen als die Industriestaaten. Für 2010 rechnen die Volkswirte der Allianz dort mit einem Wachstum von ca. 6 % – das knüpft schon fast wieder an das Vorkrisenniveau an. Gut für die Exporte.
Allerdings: Die Lage am Arbeitsmarkt bleibt prekär. Die Arbeitslosenquote kletterte im Herbst 2009 auf 5,5 % – für japanische Verhältnisse sehr hoch. Würde die statistische Erhebung der Arbeitslosenzahlen genauso erfolgen wie in den anderen Industriestaaten, kämen noch einige Prozent dazu. Eine Belastung für den privaten Konsum.
Taktik
Im Performancevergleich ist auffällig, dass der japanische Aktienmarkt bei der im März einsetzenden Erholung noch am wenigsten Fahrt aufgenommen hat. Eigentlich erstaunlich, da die Exportnation doch zu den größten Profiteuren einer sicher erholenden Weltwirtschaft zählen sollte. Nicht zu vergessen: Die Banken des Inselstaates waren von Abschreibungen auf US-Hypothekenanleihen fast nicht betroffen.
Das Kurs-Gewinn-Verhältnis erscheint auch im historischen Vergleich nicht mehr besonders günstig, selbst wenn die für 2010 zu erwartenden Unternehmensgewinne zugrunde gelegt werden. Bei der Betrachtung ist zu berücksichtigen, dass die operativen Gewinne scharf eingebrochen waren und erst langsam wieder Tritt fassen. Die Analysten passen ihre Gewinnerwartungen geradezu dynamisch an, eine Entwicklung, die im März 2008 einsetzte. Seither steigt die sogenannte Up/Down-Ratio und sie lag zwischenzeitlich sogar bei über 2: Das heißt von den nach dem Datenbankanbieter IBES befragten Analysten für japanische Unternehmen haben doppelt so viele ihre Gewinnprognosen nach oben angepasst, wie sie das nach unten getan haben. Die Gewinnerwartungen weisen in Richtung steigender Gewinne. Diese Entwicklung sollte die Schere aus Kursen und Gewinnen wieder schließen.
Gleichzeitig sind auch die Übernahmeaktivitäten japanischer Firmen – nach einem Rückgang im Jahr 2007 – wieder gestiegen. Diese Unternehmen bauen damit ihr Wachstumspotenzial im globalen Markt aus.
Außerdem scheinen sich auch die ausländischen Investoren am japanischen Aktienmarkt zurückzumelden, wie die Zuflüsse aus dem Ausland zeigen.
Diese Entwicklung ist verständlich, deckt die japanische Volkswirtschaft doch immerhin 10 % der globalen Wirtschaftsleistung ab und umfasst 8 % des weltweiten Aktienmarktes, gemessen am MSCI-Weltindex. Japan macht auch allein über 50 % vom gesamten Kuchen Asien aus.
Strukturelle Überlegungen
Über das taktisch/strategische Momentum hinaus gedacht, sind allerdings einige strukturelle Schwächen Japans nicht zu übersehen.
Auffällig sind vor allem die stark gestiegenen Staatsschulden, die 2008 ca. 170 % des Bruttoinlandsproduktes ausmachten und die, nach Schätzungen der OECD, bis zum Jahr 2010 auf knapp 200 % ansteigen werden. Dahinter stehen vor allem zwei Treiber:
1. Die Konjunkturpakete der 1990 er Jahre, mit denen die japanische Regierung gegen die Deflation ankämpfte, und
2. die fiskalischen Konjunkturspritzen, die als Antwort auf die aktuelle Finanzmarktkrise verabreicht wurden.
Im Vergleich mit den großen OECD-Ländern liegt Japan mit seiner Schuldenquote deutlich an der Spitze, und die neue Regierung lässt nicht erwarten, dass sie mit harten Sparmaßnahmen gegensteuert.
Dies ist auch wegen der belastenden demographischen Entwicklung bedenklich. Japan ist die erste Industrienation, bei der die demographische Kontraktion einsetzte. So fällt z. B. auf, dass das Arbeitskräftepotenzial seit dem Jahrtausendwechsel rückläufig ist, während gleichzeitig der Anteil der Nicht-Erwerbstätigen an der Bevölkerung stetig steigt. Anders betrachtet: Während die Nicht-Erwerbstätigen an Zahl zunehmen, steht ihnen ein immer kleiner werdendes Arbeitskräftepotenzial gegenüber. D. h. aber auch: weniger Steuereinnahmen aus Erwerbstätigkeit, sofern Produktivität und Lohnwachstum dies nicht ausgleichen.
Mit Blick auf die Produktivität lassen die Patentanmeldungen hoffen. Gemessen an der Anzahl der gemeldeten Patente steht Japan auf Platz zwei und folgt damit direkt den USA. Bei Nano- und bei Grüner Technologie nimmt das Land den Spitzenplatz noch vor den USA und dem abgeschlagenen Europa ein. Während der ersten acht Monate des Jahres 2008 wurden in Japan 20.000 Patente für das verarbeitende Gewerbe, Schwerpunkt Nanotechnologie, angemeldet. Die USA schafften es nur auf gut 10.000 Patente. Bei Grüner Technologie wurden 7.000 Patente eingereicht (USA: ca. 2.000).
Summa Oeconomica
- Japan, das in der Fülle der dominierenden Anlegerthemen scheinbar vergessene Segment, lohnt den zweiten Blick:
- Konjunkturell zeichnet sich eine Erholung ab.
- Taktisch scheint der japanische Aktienmarkt attraktiv bewertet zu sein, während sich die Gewinne gleichzeitig erholen und die Performance den anderen Regionen hinterherläuft.
- Strukturell allerdings belasten die Staatsfinanzen und die demographische Lücke.
- Japan macht mit ca. 10 % der globalen Marktkapitalisierung einen großen Teil des Investmentkuchens aus und rückt damit vor allem für global allokierende Investoren ins Blickfeld.
Quelle: Allianz Global Investors
Allianz Global Investors Deutschland verwaltet rund 270 Milliarden Euro (Stand: 30.09.2008) für private sowie institutionelle Anleger und ist damit Deutschlands größter Asset Manager. Weltweit gehört Allianz Global Investors mit 969 Milliarden Euro verwaltetem Vermögen zu den größten aktiven Vermögensverwaltern und ist in mehr als 25 Wirtschafts- und Wachstumszentren mit über 900 Investmentprofis vertreten.
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