Kommentar
07:55 Uhr, 01.12.2015

Japan: Arbeitskräfte werden knapp

Japan hat vieles nicht. Japan hat keine Inflation und kein Wirtschaftswachstum, aber auch kaum noch Arbeitslose. Der Arbeitsmarkt in Japan brummt und weist die niedrigste Arbeitslosenquote unter den Industrieländern nach Singapur aus.

Japan ist im Wandel. Keiner weiß, ob es ein Wandel zum Besseren ist. Das Wirtschaftsprogramm, bekannt als Abenomics, hat bisher nicht das bewirkt, was es sollte. Es sollte die Wirtschaft vor allem reflationieren. Genau davon ist nach wie vor nichts zu spüren. Ein Fehlschlag muss die aggressive Wirtschaftspolitik deshalb noch nicht sein, auch wenn es so aussieht, dass insbesondere die massive geldpolitische Lockerung der Notenbank wenig gebracht hat.

Das Versprechen der Abenomics konnte bisher nicht gehalten werden. Versprochen wurden Inflation, Reformen und Schuldenabbau. Gemessen an diesen drei Versprechen ist die Politik grandios gescheitert. An anderer Stelle scheint der Funke hingegen übergesprungen zu sein. Die Arbeitslosenquote erreicht in diesem Jahr den tiefsten Stand seit fast 20 Jahren.
Grafik 1 zeigt die Entwicklung der Arbeitslosenquote seit 1953. Es war viele Jahrzehnte ein Aufwärtstrend zu beobachten. Das stand für den Niedergang der einstigen Exportmacht Japan. Den Niedergang aufzuhalten schien fast unmöglich. Doch seit Beginn der Abenomics vor 3 Jahren hat sich viel getan. Die Zahl der Arbeitslosen sinkt so schnell wie noch nie in den vergangenen 60 Jahren.

Mit einer Arbeitslosenquote von nur noch knapp über 3% ist die Quote so niedrig wie in kaum einem anderen Land. Wie hat Japan das geschafft, obwohl die Abenomics scheitern?

Die Abenomics haben ihre ursprünglichen Ziele bisher nicht erreicht. Was sie sehr wohl geschafft haben ist die Abwertung der Währung. Das sollte unter anderem Inflation importieren. Das ging schief. Dafür hat die Abwertung der Währung dem Export unter die Arme gegriffen. Japanische Unternehmen exportieren so viel wie lange nicht und die Gewinne der Unternehmen sind auf Allzeithochs.

Durch den Exporterfolg ist auch die Nachfrage nach Arbeitskräften hoch. In zwei Jahren könnten Japan die Arbeitskräfte ausgehen. Das wird dann letztlich doch noch zu höheren Lohnsteigerungen und in der Konsequenz Inflation führen.

Ob es soweit kommt, kann man noch lange nicht garantieren. Theoretisch hat die japanische Wirtschaft noch Potential, kurzfristig mehr Menschen auf den Arbeitsmarkt zu locken. Die Partizipationsrate (Grafik 2) war in den vergangenen Jahrzehnten rückläufig und erreichte zuletzt weniger als 60%. Unter Frauen liegt die Partizipationsrate mit knapp 50% über den Tiefs der 70er Jahre. Verglichen mit der Gesamtpartizipation und jener von Männern (70%) ist hier noch Potential nach oben.

Die bisher höchste, gemessene Partizipationsrate der Gesamtbevölkerung lag bei 71%. Unter Männern lag das Maximum bisher bei 87%.
Eine höhere Partizipationsrate lässt sich nicht verordnen. Geht man davon aus, dass die Partizipationsrate nun langsam ansteigt und Ende des Jahrhunderts bei über 80% liegt, dann sinkt die Zahl potentieller Arbeitnehmer trotzdem weiter. Um die Zahl potentiell Beschäftigter zu erhöhen müsste die Partizipationsrate um zumindest 3 Prozentpunkte pro Jahr ansteigen.

Ein Anstieg von 3 Prozentpunkten ist ziemlich unrealistisch, aber selbst wenn dies gelingen sollte, dann stagniert die Zahl der Beschäftigten über die kommenden Jahrzehnte. Wenn selbst mit „makroökonomischen Tricks“ die Beschäftigung nicht gesteigert werden kann, dann wird es schwierig bleiben Wachstum zu erzeugen.

Japan kann nur weiter wachsen, wenn es pro Beschäftigten sehr viel mehr produzieren kann als derzeit. Dazu braucht es hohes Produktivitätswachstum. Genau dieses ist jedoch mittelmäßig. Das liegt unter anderem daran, dass Unternehmen wenig investieren, obwohl sie Rekordgewinne einfahren. Die Gewinne fließen vor allem in Zukäufe im Ausland. Japanische Unternehmen diversifizieren sich aus ihrem Heimatmarkt heraus und kaufen sich zukünftiges Wachstum im Ausland ein. Für Unternehmen macht das Sinn. Für die japanische Wirtschaft ist das nicht gerade ein Beweis von Vertrauen und Zuversicht.

Durch den Arbeitsmarkt und dem Effekt steigender Exporte kann es in Japan doch noch zu einer kleinen Erholung und Reflationierung kommen. Diese Entwicklung – so sie tatsächlich noch einsetzt – wird nicht nachhaltig sein. Der demographische Trend ist einfach zu stark. Entsteht durch die kurzfristigen Entwicklungen der Eindruck, dass die Abenomics das Problem der Deflation und Stagnation doch beheben konnten, dann trügt dieser Eindruck. Anleger sollten sich davon nicht in die Irre führen lassen.

Japanische Aktien sind deswegen trotzdem nicht uninteressant. Exportunternehmen und Unternehmen, die im Ausland zukaufen, dürften langfristig weiterhin outperformen. Auf den Heimatmarkt fokussierte Unternehmen werden langfristig schrumpfen müssen – so wie auch die Bevölkerung schrumpft. Diese wird über die nächsten Jahrzehnte um 30% schrumpfen. Unter diesen Voraussetzungen ist Wachstum in Japan selbst fast unmöglich.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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