IW: Hohe Investitionsabflüsse deuten auf Deindustrialisierung hin
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Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones) - Ausländische Unternehmen haben im vergangenen Jahr so wenig wie lange nicht in Deutschland investiert, zeigt eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) nach dessen Angaben. Auch die deutschen Unternehmen expandierten lieber in der EU. Nur rund 22 Milliarden Euro hätten ausländische Unternehmen im Jahr 2023 in Deutschland investiert - so wenig wie seit zehn Jahren nicht mehr. Insgesamt lagen die Netto-Abflüsse im vergangenen Jahr demnach bei 94 Milliarden Euro. Der Wert gibt laut IW die Differenz zwischen Investitionen deutscher Unternehmen im Ausland und ausländischer Unternehmen in Deutschland an. Nur in den beiden Vorjahren, 2021 (100 Milliarden Euro) und 2022 (125 Milliarden Euro), sei mehr Geld aus Deutschland abgeflossen.
"Die wiederholt hohen Netto-Abflüsse deuten darauf hin, dass es sich nicht um Ausnahmeerscheinungen, sondern um erste Symptome einer Deindustrialisierung handelt", erklärte das arbeitgebernahe Wirtschaftsforschungsinstitut. Zwar seien die Direktinvestitionen derzeit weltweit rückläufig, nicht allerdings in der EU. In den ersten neun Monaten des Jahres 2023 seien die Zuflüsse hier um 120 Prozent gestiegen - auch aus Deutschland: Rund 90 Milliarden Euro, also etwa zwei Drittel aller Auslandsinvestitionen deutscher Unternehmen, seien zuletzt in EU-Mitgliedsländer geflossen, vor allem in die Benelux-Staaten und nach Frankreich.
Innerhalb der deutschen Grenzen investierten die ausländischen Unternehmen hingegen kaum. Und wenn sie es doch getan hätten, habe es sich oft um kleinere Zukäufe oder Projekte gehandelt - nach Einschätzung des Instituts ein Hinweis auf ungünstige Standortbedingungen im globalen Wettbewerb. "Die Politik macht es für Unternehmen alles andere als attraktiv, in Deutschland zu investieren", sagte IW-Ökonom Christian Rusche. Dazu zähle, dass Förderprogramme wiederholt und quasi über Nacht gestoppt würden. Die Politik müsse die Investitionsbedingungen drastisch verbessern "Bleiben die politischen Rahmenbedingungen so, wie sie sind, könnte sich die Deindustrialisierung stark beschleunigen", warnte Rusche.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) forderte angesichts der Ergebnisse der Studie Maßnahmen auf zahlreichen Politikfeldern. "Wir müssen aufarbeiten, dass die Standortattraktivität lange vernachlässigt wurde", erklärte der FDP-Vorsitzende über den Kurznachrichtendienst X. "Mit Weichenstellungen im Arbeitsmarkt, einer Bürokratie-Rosskur, einem Moratorium für neue Sozialleistungen, günstigerer Energieversorgung und einer wettbewerbsfähigen Unternehmensbesteuerung."
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
DJG/ank/apo
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