Kommentar
12:37 Uhr, 26.02.2013

Italienwahl - Politische Lähmung

1. Viel hätte nicht schlimmer kommen können. Italien ist politisch gelähmt. Die Wahl zur Abgeordnetenkammerbrachte zwar erwartungsgemäß den Sozialdemokraten Bersani (Mitte-Links-Bündnis) als Sieger hervor. Doch im Senat – der zweiten Kammer des Parlaments – schafft er es nicht, eine Mehrheit zu erzielen, nicht einmal in einer Koalition mit Mario Montis Bündnis der Mitte. Das war aber nicht die einzige Überraschung dieser am 24. und 25. Februar abgehaltenen Wahl. Deren heimlicher Sieger war einmal mehr Silvio Berlusconi. Ihm und seinem Mitte-Rechts-Bündnis gelang es mit einem populistischen Antireformwahlkampf in der Abgeordnetenkammer nur hauchdünn (0,37 Prozentpunkte) hinter dem Wahlsieger Bersani auf Platz zwei zu landen und im Senat sogar die stärkste Fraktion zu stellen. Der zweite und zugleich größte Sieger ist der Komiker Beppe Grillo. Dessen reformkritischen 5-Sterne-Bewegung gelang es, aus dem Stand 25,6 % der Abgeordnetensitze zu erobern und damit die Wahlumfragen um über 10 Prozentpunkte zu übertreffen. Die Verlierer dieser Wahl sind Bersani und Monti, die beide deutlich hinter den Wahlumfragen zurückblieben und nun keine Reformregierung bilden können, die mit der Kraft beider Kammer arbeitet.

2. Unter allen Szenarien, die vor der Wahl durchgespielt wurden, wäre nur ein Wahlsieg Berlusconis schlechter gewesen. Was nun kommt ist eine zähe Phase der Regierungsbildung, an deren Ende folgende Ergebnisse stehen könnten:

- Eine Neuauflage der Expertenregierung, getragen von den Bündnissen Bersanis, Montis und einer dritten Kraft. Da aber beide anderen Bündnisse einen Antireformwahlkampf geführt hatten, ist diese Option unwahrscheinlich.

- Bersani hatte im Vorfeld der Wahlen schon angedeutet, dass er im Fall einer verfehlten Mehrheit in beiden Kammern Neuwahlen anstreben würde. Er steht nun aber vor dem Problem, dass deren Ausgang nach dem knappen Ergebnis der aktuellen Wahl ungewisser denn je ist. Es wird darauf ankommen, dass er Nichtwähler und Wähler der Protest-5-Sterne-Bewegung zurückgewinnt. Dieser Weg ist riskant und könnte letztlich auch mit einer Neuauflage der Regierung Berlusconi enden.

- Am Tag nach den Wahlen schloss Berlusconi (vorerst) Neuwahlen, aber auch eine Koalition mit Mario Monti aus und signalisierte zugleich eine gewisse Kompromissbereitschaft. Dies würde auf eine große Koalition zwischen Berlusconi und Bersani hinauslaufen. In einigen Bereichen ließen sich durchaus Kompromisse finden, beispielsweise keine neuen Sparprogramme aufzulegen oder die Wirtschaft durch Ausgaben anzukurbeln. Eine solche Regierung würde zwar über eine hinreichende Mehrheit verfügen, letztlich aber nur eine Lösung auf Zeit sein und einen Rückschritt gegenüber dem status quo bedeuten.

3. Was nun folgt ist eine Rückkehr der Verunsicherung, denn die politische Risikoprämie hat durch die Italienwahl wieder deutlich zugelegt. Im günstigsten Fall ist sie befristet bis zu einer Neuwahl, an deren Ende eine Reformregierung steht. Im schlechtesten Fall gewinnen die Antireformkräfte. Über die italienischen Politik und deren Reformkurs hinaus, kommt dieser Wahl eine andere durchaus kritische Bedeutung zu. Zum ersten Mal in der Schuldenkrise sprechen sich die Wähler an den Urnen gegen Reformen aus. Es ist zu hoffen, dass dies ein einmaliges Ereignis bleibt.

4. Die Marktauswirkungen waren deutlich: Der an den Aktienmärkten bereits eingepreiste Sieg der Reformkräfte wurde wieder ausgepreist und die Volatilitäten sind stark gestiegen. An den Rentenmärkte sieht man die Situation noch kritischer: hier ist die Flucht in die Qualität wieder angesprungen, 10-jähr Bundrenditen sind deutlich gefallen (15bp), italienische Staatsanleihen mussten kräftige Rückschläge hinnehmen um etwa 75 bp gegenüber den Vor-Wahl-Niveaus. In den Handelstagen nach der Wahl herrscht wieder Risk-off-Modus, der lange Zeit ausgeschaltet war, weil der Markt begonnen hatte, wieder Vertrauen aufzubauen. Im vergangenen Jahr hatte es nämlich Fortschritte gegeben bei der Akzeptanz von Reformmaßnahmen in den Krisenländern einerseits und Finanzierungszusagen aus den stärkeren Ländern unter Einbeziehung der EZB andererseits. Nach diesem Wahlergebnis ist wieder offen, wieweit einzelne Mitgliedstaaten ihre Probleme anerkennen und angehen wollen. Das hat eine schädliche Signalwirkung, nachdem die Finanzmärkte gerade dabei waren, den im letzten Jahr gefundenen Konsens als glaubwürdig anzuerkennen. Dazu kommt, dass das sich gerade wieder erholende Konjunkturvertrauen neuerlich Schaden nehmen könnte. Wir glauben zwar nicht daran, dass die politische Konstellation in Italien die Euro-Krise mit voller Wucht zurückbringt. Es sollte dabei bleiben, dass dieses Jahr halbwegs friedlich bleibt an den Finanzmärkten. Die Gefahren für die entferntere Zukunft sind jedoch gestiegen.

Quelle: DekaBank

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