Kommentar
17:28 Uhr, 08.03.2022

Ist Geopolitik für die Börse doch relevanter als gedacht?

Historisch betrachtet konnten sich Aktien von Schocks wie Krieg schnell erholen. Es heißt auch, (geo)politische Börsen haben kurze Beine. Stimmt das wirklich?

Am ersten Kriegstag fielen die Kurse an vielen Börsen ins Bodenlose. Der DAX verlor zwischenzeitlich mehr als 5 %, schloss aber am Ende etwas besser mit einem Minus von 4 %. Statistisch gesehen stehen die Kurse nach so großen Kursbewegungen nach sechs bis zwölf Monaten höher. Darüber hatte ich berichtet.

Selbst große Kriege konnten US-Börsen wenig anhaben (siehe Artikel hier). Umso verunsicherter ist man, wenn man plötzlich Charts sieht, die etwas ganz anderes zeigen. So kam mir am Wochenende eine Betrachtung unter, die zum beherzten Verkaufen einlädt. Große Veränderungen, Kriege und geopolitische Krisen zeigen nicht automatisch eine gute Performance nach sechs oder zwölf Monaten.

Von 16 Krisen endeten immerhin noch 6 nach zwölf Monaten mit Verlusten (Grafik 1). Bei einer Krise stand der Markt sogar nach einem Jahr 40 % unter dem Vorkrisenniveau. Das war beim Jom Kippur Krieg der Fall. Gerade dieser Krieg zeigt aufgrund der steigenden Rohstoffpreise Parallelen zu heute.

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Bei deutschen Aktien sieht die Statistik nicht besser aus. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Markt nach einem Jahr höher steht, gleicht dem eines Münzwurfs. In fast jedem zweiten Fall muss man selbst nach einem Jahr mit tieferen Kursen rechnen (Grafik 2). Eine solche Statistik lädt nicht zum Kauf von Aktien ein, sondern eher zum Verkauf.
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Auf den ersten Blick widersprechen die Daten der Börsenweisheit, dass politische Börsen kurze Beine haben sollen. Es scheint auch der Geschichte zu widersprechen, die ich in den oben verlinkten Artikeln aufbereitet hatte. Was gilt also? Ist mit einem Rebound zu rechnen oder ist das Risiko groß, dass der Markt in einem Jahr tiefer steht?

Es gibt noch eine Weisheit: Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast. Die Grafiken in diesem Artikel zeigen die Kursentwicklung im Vergleich zum Vorkrisenniveau. Im aktuellen Fall ist der Vergleichswert der 23. Februar 2022. Wer schlechtes Timing hatte und gerade am 23. Februar bei Aktien einstieg, muss unter Umständen längere Zeit warten, bis sich Gewinne zeigen.

Im Normalfall überlegt man sich als Anleger jedoch, wann man bei fallenden Kursen kaufen soll. Wer nicht das Pech hat und beim Vorkrisenhoch eingestiegen ist, muss deutlich weniger lang warten. Hier gilt, dass eine Kurserholung sehr wahrscheinlich ist. Obwohl es keine Garantie gibt, stehen Kurse nach einem Jahr mit einer Trefferquote von mehr als 80 % höher.

Ob eine Krise für das Depot schnell abgehakt werden kann, hängt vom Timing ab. Oft machen wenige Tage den Unterschied zwischen einer hohen Trefferquote und einer niedrigen. Solange NATO-Länder nicht Kriegsparteien werden, erscheinen die Chancen auf Jahressicht nicht schlecht.

Am 24. Februar hatte ich geschrieben, dass ich eine erste Tranche kaufen würde. Jetzt würde eine zweite Tranche folgen, mit genug Raum für eine dritte.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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