Ist die tiefe Krise bei diesem US-Weltmarktführer eine Chance?
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- Carrier Global Corp.Kursstand: 62,500 $ (NYSE) - Zum Zeitpunkt der VeröffentlichungVerkaufenKaufen
- Carrier Global Corp. - WKN: A2P1UY - ISIN: US14448C1045 - Kurs: 62,500 $ (NYSE)
Das entspricht einem Umsatzrückgang von rund 500 Mio. USD im Vergleich zur bisherigen Planung. Etwa die Hälfte dieses Einbruchs ist auf einen drastischen Lagerabbau im Vertrieb zurückzuführen, die andere Hälfte auf nachlassende Endkundennachfrage.
Carrier Global ist ein weltweit führender Anbieter von Heizungs-, Klima-, Lüftungs- und Kältetechnik (HVAC), Kühlkettenlösungen sowie integrierten Gebäude- und Energiesystemen für Wohn-, Gewerbe- und Industriekunden.
Das Management will diesen Rückgang nicht abfedern, sondern zulassen. CEO Dave Gitlin wählte auf der Morgan Stanley Laguna Conference eine Formulierung, die wenig Interpretationsspielraum ließ: "We are taking all the pain now, not to have any hangover next year." Mit anderen Worten: Carrier vollzieht einen bewussten Rückbau, um die Belastungen im laufenden Jahr vollständig abzuschichten und 2026 ohne Altlasten neu durchzustarten.
Volle Bremsung im Residential-Geschäft, Offensive im Rest des Portfolios
Die Gründe für den Nachfrageeinbruch liegen in einer Kombination aus hohen Zinsen, gedämpftem Konsumverhalten und einer deutlich geringeren Transaktionsaktivität auf dem US-Immobilienmarkt. Gleichzeitig führen viele Distributoren einen rigiden Lagerabbau durch. Gitlin sagte: "Unsere Vertriebspartner senken ihren Lagerbestand um 75 bis 100 Millionen Dollar pro Monat." Im vierten Quartal werde sich dieser Effekt zwar abschwächen, doch bis Jahresende dürften die Feldbestände auf das niedrigste Niveau seit der Zeit vor der Pandemie sinken.
Die operative Belastung ist erheblich. CFO Patrick Goris bezifferte den Ergebnisrückgang mit 20 bis 25 Cent pro Aktie. Das entspricht einer ungewöhnlich hohen Fall-Through-Quote, was laut Goris an der Profitabilität des Residential-Geschäfts liege: "Es ist ein sehr gutes Geschäft mit hohen Margen. Wenn die Volumina so stark einbrechen, wirkt sich das überproportional aus." Die Fertigung wurde heruntergefahren, zusätzlich wird die indirekte Belegschaft um mehr als 2.000 Stellen reduziert.
Starker Kontrapunkt: Rechenzentren wachsen in den Milliardenbereich
Während der Residential-Bereich als temporäres Sorgenkind gilt, floriert das gewerbliche HVAC-Geschäft. Mit einem Umsatzvolumen von rund 6,5 Mrd. USD macht es inzwischen etwa 30 Prozent des Konzernumsatzes aus. Besonders dynamisch entwickelt sich das Segment für Rechenzentren: Nach 500 Mio. USD im Vorjahr soll der Umsatz hier 2025 auf rund 1 Mrd. USD steigen. Gitlin stellte klar: "Manche glauben, andere gewinnen mehr. Ich sage: Wir gewinnen mehr als unseren fairen Anteil."
Basis dafür sei eine umfassende Erneuerung des Portfolios. Neue Flüssig- und Direktkühllösungen, kombinierte Steuerungssysteme und die Integration digitaler Technologien aus der Akquisition des britischen Spezialisten Nlyte hätten das Produktangebot deutlich gestärkt. "Wir liefern keine Komponenten mehr, sondern integrierte Systeme. Das ist unser Zugang zu den Hyperscalern."
Besonders außerhalb Nordamerikas sieht sich Carrier im Vorteil. In Europa und Asien zählt der Konzern bereits zu den führenden Anbietern. Gitlin sagte: "Wo andere erst anfangen, sind wir längst etabliert. Und in Nordamerika haben wir stark aufgeholt."
Viessmann-Übernahme strategisch sinnvoll – trotz schwacher Nachfrage
Auch die Viessmann-Übernahme von 2023 bleibt aus Sicht des Managements ein zentraler Baustein der langfristigen Positionierung. Zwar verläuft die Marktentwicklung in Deutschland derzeit schwächer als erwartet. Statt 715.000 geplanten Anlagen dürften es im laufenden Jahr nur rund 600.000 sein. Doch der strukturelle Wandel sei ungebrochen. Gitlin: "Die Nachfrage nach Wärmepumpen wächst exponentiell. Wir sind genau dort, wo wir sein wollen, mit der besten Marke, der besten Technologie und der stärksten Marktstellung im europäischen RLC-Geschäft."
Auch die Synergien entwickeln sich wie geplant. Goris bestätigte, dass man beim Ziel von 200 Mio. USD an Kostensynergien auf Kurs sei. Im laufenden Jahr werden wie schon 2024 rund 75 Mio. USD realisiert. Hinzu kommen rund 100 Mio. USD an Umsatzsynergien, etwa durch Cross-Selling und Produktintegration. Gitlin ergänzte: "Ohne Viessmann wären wir bei Themen wie Energieeffizienz, Smart Home oder Systemintegration in Europa gar nicht erst am Tisch. Jetzt sitzen wir vorne."
Zu den stillen Gewinnern im Konzern zählt das Aftermarket-Geschäft, das mit rund einem Viertel zum Konzernumsatz beiträgt. Es wächst seit Jahren zweistellig und das soll so bleiben. "Double digits as far as the eye can see", so Gitlins Formel. Neben Ersatzteilen und Wartung wächst insbesondere das digitale Monitoring. Die Systeme "Lynx“, "Abound“ und "One Base“ ermöglichen prädiktive Wartung und KI-gestützte Energieoptimierung, mit wachsendem Interesse von Kunden und Versorgern.
Besonders vielversprechend sei das neue Geschäftsfeld Carrier Energy. Dabei handelt es sich um eine netzgekoppelte Wärmepumpenlösung mit Heimspeicher, die Lastspitzen im Stromnetz abfangen soll. Derzeit laufen Feldversuche in den USA. Erste Umsätze werden Anfang 2026 erwartet. Gitlin sieht darin ein künftiges Wachstumsfeld mit strategischer Relevanz: "Wir sind in einem Drittel aller US-Haushalte vertreten. Das gibt uns einen systemischen Hebel, den kaum jemand sonst hat."
2025 als bereinigendes Übergangsjahr – 2026 als neues Normal
Im Gesamtbild zeigt sich eine klare Strategie: 2025 wird bewusst als "Übergangsjahr“ genutzt, um strukturelle Altlasten abzuarbeiten. Der Lagerabbau wird abgeschlossen, die Kostenbasis verschlankt, die Marktanteile im Residential-Geschäft verteidigt. Ab 2026 sollen alle Segmente wieder wachsen, auf einem stabileren, skalierbaren Fundament.
Gitlin formulierte es mit Blick auf das Portfolio so: "Unsere gewerblichen HVAC-Lösungen sind sehr gut positioniert. Der Aftermarket wächst kontinuierlich. Und im Residential-Bereich haben wir 2025 die Talsohle erreicht." CFO Goris ergänzte: "Hinzu kommt ein sinkender Steuersatz und der positive Effekt aus unserem Aktienrückkaufprogramm."
Für Investoren ist die Botschaft eindeutig: Carrier spielt bewusst auf Zeit. Wer das durchzieht, dürfte ab 2026 auf ein neu aufgestelltes, margeneffizientes Unternehmen treffen.
Fazit: Längerfristig orientierte Anleger können sich die Carrier-Aktie auf die Watchlist nehmen. Ich selbst bin seit der Abspaltung von United Technologies im Jahr 2020 investiert. Das Wachstum verläuft nicht gradlinig, doch das Unternehmen adressiert wichtige Megatrends. Heizen und Kühlen wird immer relevanter, auch vor dem Hintergrund zunehmender Klima- und Wetterextreme. Das Thema Rechenzentren entwickelt sich zu einer wichtigen Größe. Ein gestaffelter Einstieg über die kommenden 6 bis 12 Monate sollte sich auf Sicht von 3 bis 5 Jahren auszahlen.
Jahr | 2024 | 2025e* | 2026e* |
Umsatz in Mrd. USD | 22,48 | 22,98 | 24,38 |
Ergebnis je Aktie in USD | 2,56 | 3,03 | 3,45 |
KGV | 24 | 20 | 18 |
Dividende je Aktie in USD | 0,76 | 0,91 | 1,00 |
Dividendenrendite | 1,23% | 1,47% | 1,61% |
*e = erwartet, Berechnungen basieren bei |

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