Kommentar
13:07 Uhr, 02.04.2019

Ist die Krise schon vergessen?

Wirtschaftlich ging es in Europa auch schon einmal besser – und schon einmal schlechter. Die wirklich schlechten Zeiten scheinen aber vergessen. Genau das kann dazu führen, dass sie wiederkommen.

Geht es einem Land erst einmal ein paar Jahre wieder gut, kommen schnell Forderungen nach mehr, mehr von allem: höhe Staatsausgaben, höhere Löhne, höhere Mindestlöhne, höhere Sozialausgaben usw. Per se ist daran nichts falsch. Es muss allerdings maßvoll sein. Ist es das nicht, ist es mit dem Aufschwung auch wieder schnell wieder vorbei. Das Zauberwort heißt hier Konkurrenzfähigkeit. In den Boomjahren vor der Finanzkrise stiegen die Löhne in einigen Ländern so schnell, dass die Produktion einfach nicht mehr kompetitiv war. Das fiel lange Zeit nicht auf. Wenn Geld, vor allem Kredit, einfach auf der Straße liegt, kann abnehmende Konkurrenzfähigkeit lange versteckt bleiben.

Die Krise deckte die Schwachstellen auf. Viele Länder lebten lange über ihre Verhältnisse. Die Krise beendete das. Das war vor allem in den Krisenländern Italien, Griechenland und Portugal zu sehen. Um sich aus der Krise zu arbeiten, muss die Konkurrenzfähigkeit erhöht werden.

Das ist aber gar nicht so einfach. Hat man einen gewissen Standard erreicht, gibt man ihn nicht gerne wieder her. Politisch grenzt es fast an Selbstmord, Löhne zu senken und Staatsausgaben zu kürzen. Das kommt nicht gut an. Nicht zuletzt deswegen gab es in vielen Ländern Regierungswechsel am laufenden Band.


Die Bevölkerung wollte zwar Reformen, damit die Länder wieder auf die Beine kommen, doch am Ende wählten sie jene Parteien, die einfach nur eine bessere Zukunft ohne Anstrengung versprachen.

Letztendlich wurden Reformen dadurch verschleppt bzw. nur halbherzig umgesetzt, wenn überhaupt. Die Konkurrenzfähigkeit stieg kaum. Das ist insbesondere bei den Löhnen zu erkennen. Die Mindestlöhne sind in den meisten Ländern in Europa seit 2009 deutlich gestiegen. Nur in einem einzigen Land, Griechenland, sind die Löhne gefallen. Pro Jahr lag der Rückgang bei knapp 2 %.

In allen anderen Ländern sind die Löhne gestiegen und das teils nicht zu knapp. In Portugal waren es ca. 3 % pro Jahr. Das ist höher als die Inflationsrate. Die Reallöhne sind dadurch gestiegen. Diejenigen, die das betrifft, freuen sich. Allerdings ist es nicht sehr zukunftsfähig die Reallöhne zu steigern, wenn die Wirtschaft nicht wirklich wettbewerbsfähig ist.

Die Wettbewerbsfähigkeit wird so nicht besser. In der nächsten Krise wird das vielen Ländern wieder auf den Kopf fallen. Solange sich das fragile Gleichgewicht in Europa hält, ist alles gut. Gerät die Wirtschaft aber erst einmal aus dem Gleichgewicht, sind die Einschnitte notwendig und zwar sehr viel härtere als direkt nach der Krise, weil Reformen verschleppt wurden.

Die EZB weist bei jeder Pressekonferenz darauf hin, dass Regierungen etwas tun müssen. Einfach nur Löhne nach oben schrauben ist leider kein Erfolgsrezept. Die Wettbewerbsfähigkeit muss vor den Lohnsteigerungen kommen. In den letzten Jahren ist es umgekehrt gewesen.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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