Kommentar
09:46 Uhr, 03.04.2019

Ist die Inflation tot?

Inflation bleibt in vielen Ländern Mangelware. Kurz nach der Finanzkrise gab es den letzten Inflationsschub, der die Teuerungsrate in der Eurozone auf 3% und in den USA auf 4% katapultierte. Die Hintergründe dazu liegen mehr oder minder auf der Hand.

Nachdem die Wirtschaft erst stark einbrach, legten Regierungen Konjunkturprogramme auf. Was diese Programme von früheren Unterschied, war der globale Gleichschritt. Ein einzelnes Konjunkturprogramm eines einzelnen Landes bewegt die Inflationsrate nur moderat. Da global aber gleich über 2 Billionen über Staatsausgaben in die Wirtschaft gepumpt wurden, wirkte sich das auf die Inflation aus.

Seither bleibt die Inflationsrate relativ niedrig. Sie schwankt mit dem Ölpreis zwischen 1 % und 2,5 %. Ohne diesen Effekt liegt die Kerninflation weit unter 2 %. Das tut sie nun schon so lange, dass Verbraucher den Glauben an die Inflation verlieren.

In den USA schätzen die meisten Verbraucher, dass die Inflation im jeweils nächsten Jahr nicht mehr als 2 % betragen wird (Grafik 1). Das sind fast 50 % der Verbraucher. Dass die Inflation sogar mehr als 4 % betragen könnte, wird praktisch ausgeschlossen.


Fasst man die Gruppen zusammen (Grafik 2), zeigt sich, dass Konsumenten die Teuerung selten so moderat erwarteten. Der Trend ist seit den hohen Inflationsraten der 70er Jahre nicht geradlinig. Es zeigt sich aber die Tendenz zu einer immer niedrigeren Inflationserwartung.

Das ist aktuell besonders bemerkenswert, da die Wirtschaft gerade in den USA noch boomt. Daher ist es geradezu erschreckend wie die langfristigen Perspektiven eingeschätzt werden. Auf Sicht von 5-10 Jahren erreichen die Inflationserwartungen einen neuen Negativrekord. Über 50 % erwarten nicht mehr als 2 % Inflation und fast 90 % nicht mehr als 4 %.

Verbraucher haben sich an niedrige Inflationsraten gewöhnt und rechnen gar nicht mehr damit, dass die Teuerung auch wieder einmal steigen kann. Damit sind die Erwartungen nicht nur verankert, sondern seit Jahren fallend. Für Notenbanken stellt das ein Problem dar.

Erwartet niemand mehr, dass die Preise in Zukunft höher sein werden, hat das mehrere Auswirkungen. Gerne werden Lohnverhandlungen hier als Beispiel genannt. Die Löhne steigen weniger, weil niemand nach mehr Geld fragt, da es keine Inflationserwartung gibt. Persönlich halte ich das für nicht ganz plausibel. Jeder will gerne mehr Geld, ob die Preise nun steigen oder nicht.


Dafür aber ist ein anderer Aspekt sehr ernst zu nehmen: Kredit. Die größte Investition der meisten Verbraucher ist der Hauskauf. Wer in den 80er Jahren einen Kredit für ein Haus aufgenommen hat, konnte diesen einfach in dieser Höhe stehen lassen. Im Verhältnis zum Wert des Hauses im Jahr 2019 wäre der Kredit nun winzig. Steigen die Preise nicht mehr bzw. gibt es gar nicht mehr die Erwartung, werden Kredite nicht nur unattraktiv, sondern gefährlich.

Wer ein Haus auf Kredit kauft und damit rechnen muss, dass es in 20 Jahren gleich 30 % weniger wert ist, wird keinen Kredit aufnehmen wollen. In Deutschland steigen die Immobilienpreise derzeit kräftig. In vielen Ländern ist das nicht der Fall.

Es geht aber nicht nur um Immobilienkredite, sondern Kredit im Allgemeinen. Fallende Preise (oder selbst sehr langsam steigende Preise), bringen das Kreditgerüst zum Einsturz. Die immer moderater ausfallenden Inflationserwartungen sollten von den Notenbanken ernst genommen werden. Sie müssten dringend gegensteuern.

Clemens Schmale

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  • Andreas Hoose
    Andreas Hoose

    "Fallende Preise (oder selbst sehr langsam steigende Preise), bringen das Kreditgerüst zum Einsturz. Die immer moderater ausfallenden Inflationserwartungen sollten von den Notenbanken ernst genommen werden. Sie müssten dringend gegensteuern".

    Sie sind ja auch gerade dabei, gegenzusteuern: Rund um den Globus werden die Geldschleusen wieder geöffnet. Einstürzen wird das Kreditgerüst allerdings trotzdem. Am Ende dieser Geschichte genügt erodierendes Vertrauen...

    12:55 Uhr, 03.04.2019

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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