Kommentar
17:20 Uhr, 24.10.2023

Ist der Renditeanstieg übertrieben oder gerechtfertigt?

Anleger machen sich über den Renditeanstieg große Sorgen. Im Kern besteht Unsicherheit darüber, ob der Anstieg eine Übertreibung ist, die den Markt gefährdet oder ob er gerechtfertigt ist.

Die US-Notenbank verfolgt den Renditeanstieg mit großem Interesse. Viele stimmberechtigte Notenbanker interpretieren den Anstieg so, dass er weitere Zinsanhebungen überflüssig macht. Für den nächsten Zinsentscheid Anfang November gilt eine Zinsanhebung so gut wie ausgeschlossen. Eine Garantie, dass das Zinsplateau erreicht ist, will die Notenbank jedoch noch nicht geben.

Ein Notenbanker erklärte dies so: Der Renditeanstieg reflektiert die veränderte Erwartung der zukünftigen Geldpolitik. In diesem Fall müsste der Leitzins weiter steigen, damit die Renditen nicht wieder fallen. So sehen es die geldpolitischen Falken unter den Notenbankern. Die geldpolitischen Tauben haben eine andere Erklärung. Der Renditeanstieg reflektiert die veränderten Erwartungen. Ein weiterer Zinsschritt ist allerdings nicht notwendig. Die Erwartungen eilen der Zinspolitik nicht voraus, sondern schließen lediglich zu dem Mantra „höher für länger“ auf.

Welche Interpretation sich am Ende durchsetzt, bleibt abzuwarten. In beiden Fällen hat eine weitere Zinsanhebung um 0,25 Prozentpunkte eher Symbolcharakter. Der Renditeanstieg wird von keinem Notenbanker als übertrieben wahrgenommen. Nur Anleger haben diesbezüglich Bedenken.

Diese lassen sich zerstreuen. Der Renditeanstieg folgt der Wachstumserwartung penibel (Grafik 1). Die Rendite steigt nicht, weil Anleger panikartig Anleihen verkaufen. Sie reflektiert die höhere Wachstumserwartung. Je robuster das Wachstum ist, desto besser kann die Wirtschaft höhere Renditen vertragen.

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Wachstum ist am Ende das, was auch für den Aktienmarkt zählt. Der Aktienmarkt folgte daher auch der Wachstumserwartung seit Beginn der Zinswende (Grafik 2). 2022 fiel die Wachstumserwartung und mit ihr der Aktienmarkt. Seitdem die Erwartung nach oben tendiert, steigen auch die Kurse. Die positive Korrelation ist erst seit drei Monaten gebrochen.

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Aktienanleger befürchten, dass das Renditeniveau das Wachstum abwürgt. Der Anleihemarkt ist da anderer Meinung. Für gewöhnlich liegt der Anleihemarkt richtig. Die seit drei Monaten anhaltende Korrektur bei Aktien wäre demnach fehlplatziert. Anleger preisen einen Abschwung ein, den der Anleihemarkt nicht erkennt.

Man kann nicht ausschließen, dass auch der Anleihemarkt einmal irrt, zumal die Notenbank langsameres Wachstum begrüßt. Solange die Wirtschaft jedoch weiterhin wächst, können auch die Gewinne der Unternehmen steigen. Langfristig ist es das Gewinnwachstum, was die Kurse bestimmt. Grundsätzlich ist die Korrektur daher als Chance zu begreifen.

Wie schnell sich diese materialisieren könnte, hat die Entwicklung am Montag gezeigt. Die Rendite 30-jähriger US-Anleihen erreichte fast 5,2 %. Der Aktienmarkt fiel parallel zum Renditeanstieg. Dann postete Bill Ackman auf X, dass er seine Shortposition auf Anleihen geschlossen hat. Offenbar folgten ihm viele andere Anleger. Die Rendite fiel auf 5 % zurück, der Aktienmarkt erholte sich. Ein Ende des Renditeanstiegs, wenn es nachhaltig kommt, dürfte den Aktienmarkt zu einer Rally verhelfen.

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3 Kommentare

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  • Bigdogg0806
    Bigdogg0806

    na eben, weil der Anleihemarkt keine Rezession einpreist, sondern eine starke Wirtschaft. Zweiter Grund: massive Verschuldung in den USA die zeitnah refinanziert werden muss. Ohne Notenbank muss halt mehr Zins bezahlt (fallende Anleihekurse) werden, um den Schrott an den Mann zu bringen.

    12:36 Uhr, 25.10. 2023
    1 Antwort anzeigen
  • Aus meiner Sicht
    Aus meiner Sicht

    Die Rendite steigt nicht, weil Anleger panikartig Anleihen verkaufen.

    Das ist dass, was ich nicht verstehe.
    Weshalb werden jetzt panikartig Anleihen verkauft.
    Kann mir der Autor dies bitte kurz erklären?
    Vielen Dank im Voraus.

    18:50 Uhr, 24.10. 2023

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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