Analyse
09:20 Uhr, 07.09.2023

Was treibt Nvidia mit CoreWeave?

Sind NVIDIAs Quartalszahlen "too good to be true"? Eine Bloomberg-, CNBC- und YahooFinance-Kontributorin erhebt krasse Vorwürfe gegenüber NVIDIA. Die Hintergründe, erfährst Du hier.

Erwähnte Instrumente

  • NVIDIA Corp.
    ISIN: US67066G1040Kopiert
    Kursstand: 470,880 $ (Nasdaq) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
    VerkaufenKaufen
  • BlackRock Funding Inc.
    ISIN: US09290D1019Kopiert
    Kursstand: 674,080 $ (NYSE) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
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  • NVIDIA Corp. - WKN: 918422 - ISIN: US67066G1040 - Kurs: 470,880 $ (Nasdaq)
  • BlackRock Funding Inc. - WKN: A40PW4 - ISIN: US09290D1019 - Kurs: 674,080 $ (NYSE)

Im Kern geht es um CoreWeave, aka die GPU-Cloud. Das Unternehmen selbst bezeichnet sich als spezialisierter Cloud-Anbieter, der eine große Anzahl von GPUs auf der schnellsten und flexibelsten Infrastruktur der Branche bereitstellt. CoreWeave kauft im großen Stil GPUs ein und verleiht diese Rechenleistung mit Marge an andere Unternehmen weiter. Ursprünglich wurde CoreWeave gegründet, um Ethereum-Mining zu betreiben, im Jahr 2019 dann der Pivot hin zu Cloud-Infrastruktur. Das derzeitige Business Modell klingt ein wenig nach jenem Geschäftsmodell, das die kritisch gesehene deutsche Firma Northern Data betreibt.

Anfang August wurde bekannt, dass CoreWeave im Rahmen einer von Magnetar Capital und Blackstone geführten und durch Nvidia-Chips besicherten Kreditfazilität 2,3 Mrd. USD aufnimmt, um die die Expansion zur Bewältigung des steigenden KI-Aufkommens stemmen zu können. Zu den weiteren Kreditgebern gehören Coatue, DigitalBridge sowie BlackRock, PIMCO und Carlyle. Die Vergangenheit von Magnetar Capital ist nicht ganz unumstritten, wie hier zu lesen ist.

CoreWeave kauft Nvidia-GPUs im Wert von 2,3 Mrd. USD (= mehr als die gesamte Marktkapitalisierung von CoreWeave) und nutze diese anschließend als Sicherheit, um den 2,3 Mrd. USD Kredit von unter anderem BlackRock zu besichern.

Das ist ein sehr interessantes Collateral. Warum?
Die Chips haben ein eingebautes Verfallsdatum, und das ist bald. Ein leistungsfähigerer Chip für KI - der GH200 - soll nächstes Jahr zum Kauf angeboten werden. Der bull case für die Darlehengeber: Der Kredit ermöglicht es CoreWeave, in einer Zeit, in der die Nachfrage nach Rechenleistung hoch ist, schnell zu expandieren und neue Rechenzentren zu bauen usw. Wenn CoreWeave schnell genug vorankommt, könnte es sogar in der Lage sein, die Mittel aus den Darlehen zu nutzen, um der Zeit voraus zu sein und GH200-Chips zu kaufen, sobald sie verfügbar sind.

Warum sollte Nvidia so ein großes Interesse an CoreWeave haben?
Durch CoreWeave als Partner könnte man die derzeitige Umsatzabhängigkeit von den Hyperscalern (Amazon Web Services, Microsoft Azure, Google Cloud Platforms) verringern. So wird es Nvidia vermutlich vorziehen, seine Chips an CoreWeave zu verkaufen, da CoreWeave nicht bestrebt ist direkt mit Nvidia zu konkurrieren. Anders sieht es bei Microsoft, Google und Amazon aus. Alle drei entwickeln derzeit ihre eigenen AI-Chips.

Dann am 30. August meldet Bloomberg, dass "Nvidia-Backed CoreWeave Seeks Stake Sale at Up to $8 Billion Valuation". Innerhalb weniger Wochen soll die Bewertung von CoreWeave urplötzlich von 2,3 Milliarden USD auf 9 Milliarden USD angestiegen sein.

Einen Tag später ist in The Information zu lesen, dass Morgan Stanley eingeschaltet wurde, um CoreWeave zu helfen. CoreWeave-Mitarbeiteraktien sollen an Investoren zu einer Bewertung von mindestens 6 Milliarden USD verkauft werden. Das ist dreimal höher als die Bewertung bei einer Eigenkapitalfinanzierung im Mai, so eine Person mit direkter Kenntnis. Das Geschäft beinhaltet den Verkauf von Stammaktien im Wert von etwa 500 Millionen Dollar, was je nach endgültiger Bewertung etwa 8 % der CoreWeave-Aktien ausmachen würde. Es wird erwartet, dass sich die drei Mitbegründer von CoreWeave sowie einige Mitarbeiter an dem Verkauf beteiligen werden, wie The Information eine Quelle zitiert. Das würde bedeuten, dass potenzielle Käufer der Aktien das Unternehmen wahrscheinlich mit mehr als dem 12-fachen des für 2023 prognostizierten Umsatzes bewerten müssten. Laut einer mit der Anlegenheit vertrauten Person soll CoreWeave im Jahr 2024 voraussichtlich einen Umsatz von etwa 1,5 Milliarden USD erzielen. CoreWeave wollten dazu keine Stellung beziehen.

Ist-das-der-Grund-hinter-dem-NVIDIA-blow-out-quarter-Chartanalyse-Valentin-Schelbert-stock3.com-1
dealroom.co

Im April 2023 hatte Nvidia ca. 100 Mio. USD zu der Series B im Volumen von 221 Mio. USD beigetragen. Laut PitchBook ist CoreWeave aktuell mit 2,3 Mrd. USD bewertet. Damit hält Nvidia deutlich unter 50 % an CoreWeave und ist nicht zur Vollkonsolidierung verpflichtet. Zudem wäre das Kreditvolumen mindestens genauso hoch, wie die derzeitige Bewertung. Interessant...

Diese Hintergründe sind wichtig, um die folgenden Vorwürfe von Samantha LaDuc, bekannt von Bloomberg, CNBC und YahooFinance, zu verstehen. Ist-das-der-Grund-hinter-dem-NVIDIA-blow-out-quarter-Chartanalyse-Valentin-Schelbert-stock3.com-2

In diesem Tweet macht sie einige krasse Vorwürfe gegenüber Nvidia und BlackRock. Wichtig: Zum aktuellen Zeitpunkt ist nichts davon bestätigt.
Die Kurzfassung: Nvidia hat in CoreWeave investiert, das von Nvidia-Produkten abhängig ist. Diese Nvidia-Produkte würden wiederum als Sicherheit verwendet werden, um Kredite aufzunehmen und damit möglicherweise noch mehr Nvidia-Produkte kaufen zu können.

Klingt irgendwie fishy, oder? Der Reihe nach. Sie schreibt:

  • Zunächst führt sie an, dass Nvidia an CoreWeave beteiligt sei.
  • CoreWeave kaufe Nvidia-GPUs im Wert von 2,3 Mrd. USD (= gesamte Marktkapitalisierung von CoreWeave) und nutze diese H100-GPUs anschließend als Sicherheit, um den 2,3 Mrd. USD Kredit von unter anderem BlackRock zu besichern. Klingt nach asset-backed security.
  • Ferner merkt sie an, dass BlackRock 13,5 % aller ausstehenden Nvidia-Aktien im Rahmen von ETFs und Co. hält.

Nvidia meldete vergangene Woche am Mittwoch nach US-Börsenschluss ein "blow-out quarter". Insbesondere das Segment Data Center konnte mit deutlich über den Erwartungen liegenden Umsätzen glänzen. Falls Du den Beitrag verpasst haben solltest, dann kannst Du diesen hier nachträglich lesen.

Auffällig: Während die Umsätze um über 100 % gegenüber dem Vorjahr zulegten, stiegen die Umsatzkosten (Cost of Revenue) um lediglich 7 % an. Damit explodierten die Bruttomargen wortwörtlich von 43 % im Vorjahr auf über 70 %. Gründe dafür können sein, dass man entweder die Preise massiv erhöht hat (Kosten einer H100 Nvidia GPU Einheit: 40.000 $), oder Umsätze in das Quartal geflossen sind, die so noch gar nicht zu den Herstellungskosten beigetragen haben.

Auch spannend: Die Investitionsausgaben der Hyperscaler Amazon Web Services, Google Cloud Platform oder Microsoft Azure sind nicht in dem Ausmaß gestiegen, wie die Umsätze bei Nvidia. Das könnte ein weiterer Grund dafür sein, dass die 2,3 Mrd. USD Umsatzerlöse durch den Verkauf der H100 GPUs an CoreWeave vermutlich im vergangenen Quartal in das Data Center Segment von Nvidia mit knapp über 10 Mrd. USD eingeflossen sein müssten.

In NVIDIAs Form 10-Q ist zu lesen, dass 39 % des Umsatzes im 2. Quartal und 32 % des Umsatzes im 1. Halbjahr von nur zwei Kunden stammen. Ferner stellt ein anderer Twitter-User weitere Vorwürfe in den Raum, die teilweise nachvollziehbar sind. Beispielsweise die massiven Insider-Verkäufe des Managements, während Nvidia erst ein 25 Milliarden USD Aktienrückkaufprogramm angekündigt haben. Der Twitter-Thread kann hier nachgelesen werden.


Samantha LaDucs These in Stichpunkten:

  • Nvidia agiere in gewissem Maße wie ein Hedgefonds.
  • CoreWeave sei auf NVIDIA-GPUs angewiesen. Nvidia ist auch gleichzeitig an CoreWeave beteiligt.
  • Damit sich CoreWeave die H100 GPUs für ihre Cloud-Infrastruktur überhaupt leisten könne, benötigen sie einen Kredit.
  • Und da es sich bei CoreWeave um ein Startup handelt, müsse man auch eine gewisse Kreditfazilität hinterlegen.
  • Das Hauptkapitalbedürfnis von CoreWeave (die Nvidia-GPUs) dienten gleichzeitig als Kreditsicherheit für eine 2,3 Mrd. USD Kreditlinie.

Da Nvidia als Investor in CoreWeave beteiligt ist, wirft es Fragen auf, inwiefern die mit dieser Transaktion erzielten Umsätze im Bereich Data Center einfach so zum Ergebnis von Nvidias "blow-out quarter" gezählt werden können – ohne diesen Impact im Earnings Call oder Filing klar offenzulegen. Will man den Hintergrund für das "blow out quarter" unter den Tisch kehren? Es handelt sich hier immerhin um 2,3 Mrd. USD von rund 10 Mrd. USD Data Center Umsatz. Unglücklicherweise sind die 2,3 Mrd. USD auch genau der Betrag, um den die Umsatz-Schätzungen geschlagen wurden... Und wir wissen, was der Kurs gemacht hätte, wenn man hier nur "in-line" abgeliefert hätte.

Das soll keine Unterstellung sein! Aber für einen Nicht-Wirtschaftsprüfer scheint dieses Vorgehen fast, als ob Nvidia praktisch an sich selbst verkauft und dann den damit erzielten Umsatz als Erfolg verbucht. Es bleibt ein Fall für die Wirtschaftsprüfung. Insbesondere, da diese Art von Kreditfazilität komplettes Neuland ist, vor allem in Kombination mit der engen Verflechtung der beiden zentralen Akteure Nvidia und CoreWeave.

Und für alle, die sagen: "NVIDIA würde niemals Bilanzierungs-Fehler begehen und wenn, dann wäre es schon lange aufgefallen und der Kurs hätte negativ reagiert."

  1. Bei den Banken ist auch niemanden aufgefallen, dass deren Bilanzen tickende Zeitbomben waren.
  2. NVIDIA wurde bereits in der Vergangenheit von der SEC belangt, da Umsätze als Gaming-Revenue verbucht wurden, die eigentlich dem Krypto-Mining zugehörten.
    Was-treibt-Nvidia-mit-CoreWeave-Das-hat-ein-G-schmäckle-Chartanalyse-Valentin-Schelbert-stock3.com-1

Fazit: Es ist verständlich, wenn dieser komplexe Sachverhalt beim ersten Lesen schwer verständlich ist. Die ganze Situation ist stark verschachtelt. Ein komisches Gefühl bleibt doch. Was sich aus diesen Vorwürfen ergibt, bleibt abzuwarten. Als Laie in Sachen Wirtschaftsprüfung kann ich dazu keine Stellung nehmen. Falls Nvidia jedoch versuchen sollte, systematisch seine Umsätze zu "schönen", wird dies wahrscheinlich früher oder später herauskommen, insbesondere wenn die scheinbar ungebrochenen Nachfrage der Hyperscaler nach Nvidia-GPUs abnimmt.


Spannender weiterführender Artikel mit Hintergründen zu CoreWeave und Nvidia

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7 Kommentare

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  • 1 Antwort anzeigen
  • Tobias Krieg
    Tobias Krieg Technischer Analyst

    Das bedeutet übrigens nicht, dass die Deal-Struktur zwischen CoreWeave, NVDA und Blackrock nicht ziemlich fragwürdig wäre

    12:50 Uhr, 02.09.2023
    1 Antwort anzeigen
  • Tobias Krieg
    Tobias Krieg Technischer Analyst

    Das einzige Problem:
    Blackrock besitzt keine 182 Mio. Aktien von Nvidia, sondern hält die Aktien in den ETFs/Fonds etc. im Auftrag ihrer Kunden. Besitzer der Nvidia-Aktien sind also die Anleger, nicht Blackrock.

    Was bleibt dann noch von dem Vorwurf übrig? Betreibt Blackrock Marktmanipulation Zugunsten der eigenen Kunden?

    12:49 Uhr, 02.09.2023
  • Fabs2212
    Fabs2212

    Moin Valentin, gerade bei Pitchbook gecheckt. Alle Fakten zu den Investments und den loan facilities stimmen tatsächlich. Der letzte equity (EK) deal fand im April statt wobei knapp 400 mio (unter anderem von Nvidia) bereitgestellt wurden und dann direkt Anfang August noch die knapp über 2mrd als debt (FK) deal. Das Timing ist schon ein großer Zufall irgendwie.. der EK Deal wurde Mitte April geclosed und Ende Mai kamen dann die Quartalszahlen mit der unfassbaren Guidance für das nächste Quartal. der FK Deal wurde am 03. August geclosed. Man müsste nun mal die Financials bzw. das Balance Sheet von CoreWeave verfolgen. Da müsste sich die Theorie von Samantha ja bemerkbar machen

    11:03 Uhr, 28.08.2023
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Valentin Schelbert
Valentin Schelbert
Analyst

Bereits mit 17 Jahren packte Valentin Schelbert die Leidenschaft für die Börse. Fortan bildete er sich autodidaktisch weiter. Während seines BWL-Studiums konnte er seine Kenntnisse für wirtschaftliche Zusammenhänge noch weiter vertiefen – was sein Interesse dafür nur noch mehr steigerte. 2020 baute er sich in den sozialen Medien eine eigene Community auf. Seine Spezialität: das Zusammenspiel aus Fundamentaldaten, Newsflow und Charttechnik. Bevor er unser Experte im Trading-Service AktienPuls360 wurde, unterstützte er als Community Manager unsere Nutzerinnen und Nutzer auf unserer Plattform technisch und mit eigenen Analysen. Seine umfassenden, leicht verständlichen Analysen und Beiträge, zu insbesondere US-Technologie- und Wachstumsaktien, erfreuten sich immer mehr Beliebtheit, weshalb er schnell ein Kandidat für den Expertenstatus wurde.

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