Kommentar
09:18 Uhr, 02.03.2016

Ist das Bargeld am Ende?

In der Eurozone wird über ein Ende des 500-Euro Scheins diskutiert. In den USA steht die 100-Dollarnote auf dem Prüfstand. In Großbritannien und Japan kommt man mit den Banknoten mit dem größten Nennwert nicht über 100 Euro hinaus.

Weltweit diskutieren Notenbanker über die Abschaffung der aktuell größten Geldscheine. Solche Diskussionen finden immer wieder statt, doch es scheint, als meinten es die Notenbanker dieses Mal ernster als sonst. Es geht dabei nicht um die Abschaffung des Bargelds per se. Soweit sind die Notenbanken noch nicht. Doch die Abschaffung großer Nennwerte ist der Anfang.

Das Bargeld lässt sich derzeit kaum ganz abschaffen. Dafür sind Menschen in vielen Ländern noch zu sehr auf Cash angewiesen. Es geht dabei nicht um die persönliche Präferenz, sondern um Notwendigkeit. Vor allem Menschen mit wenig oder keinem Vermögen und ohne festen Wohnsitz haben bisher nicht die Möglichkeit, Bankkonten zu eröffnen. Ohne Konto geht es bargeldlos noch nicht. Die komplette Abschaffung des Bargeldes ist aus rein praktischen Gründen momentan nicht möglich.

Die Abschaffung ist auch gar nicht notwendig. Werden die Geldscheine immer kleiner und reichen irgendwann über 50 oder sogar 20 Euro nicht mehr hinaus, dann wird Bargeld unpraktisch. Man kann es nach wie vor nutzen, um kleinere Einkäufe zu tätigen, aber die Lagerung von großen Summen in Safes ist kaum mehr machbar.

Privatpersonen, die kleinere Summen (z.B. 10.000 Euro) in bar halten möchten, können das auch mit Banknoten mit kleinem Nennwert tun. Geht es um größere Summen oder das Geld von Unternehmen und Pensionsfonds, dann ist das nicht mehr praktikabel. Wer 1 Mio. Dollar in 50-Dollar Scheinen aufbewahren möchte, braucht einen kleinen Koffer. Möchte ein Pensionsfonds Bargeld halten, was schnell einmal 1 Mrd. sein können, dann braucht es sehr viel Platz.

Die Abschaffung von großen Banknoten macht das Halten von Bargeld unattraktiv. Je kleiner die Banknoten, desto mehr Platz braucht man und desto teurer wird das Lagern von Bargeld. Derzeit wird die Diskussion um die Abschaffung großer Banknoten vor allem damit begründet, dass man illegalen Geschäften das Handwerk legen will. Eine solche Argumentation ist natürlich Unsinn.

Wer heutzutage illegale Geschäfte tätigen will, der braucht kein Bargeld mehr. Es gibt ausreichend Möglichkeiten, Geld digital und ohne Spur zu transferieren. Wer heutzutage für größere Transaktionen keine Digitalwährungen wie Bitcoins verwendet, ist selber schuld.
Die Abschaffung großer Banknoten soll vermutlich vielmehr dazu dienen, Bargeld so unattraktiv zu machen, dass sich negative Zinsen besser durchsetzen lassen. Das ist auch den meisten Verbrauchern klar. Hier zeigt sich bereits eine Flucht in Bargeld. Die Grafik zeigt das Wachstum der umlaufenden Bargeldmenge im Vergleich zum Vorjahr. Ein besonders gutes Beispiel ist die Schweiz. Nach der Finanzkrise, die übereinstimmend in allen Ländern (bis auf Japan) zu einer großen Bargeldnachfrage geführt hat, stieg der Bedarf in der Schweiz stark an, als die Notenbank den Mindestkurs zum Euro festschrieb.

Sowohl die Finanzkrise als auch der Mindestkurs waren einschneidende Ereignisse, die zu einer Verunsicherung geführt hat. In unsicheren Zeiten tendieren Menschen dazu auf Bargeld auszuweichen. Es gibt ihnen ein Gefühl der Sicherheit. Der nächste Anstieg im Bedarf erfolgte vor gut einem Jahr, als die Schweizer Notenbank die Zinsen deutlich in den negativen Bereich senkte.
In den USA schnellte das Wachstum mit Beginn der Anleihenkaufprogramme nach oben. Das Wachstum normalisiert sich erst jetzt wieder so langsam und fällt auf ein durchschnittliches Niveau wie in den 90er Jahren zurück. In der Eurozone brauchte es viele Jahre, um überhaupt erst einmal ein normales Niveau zu erreichen. Nach der Euro-Bargeldeinführung brauchte es eine Zeit lang, bis die alten Währungen komplett ersetzt waren.

Während der Eskalation der Euroschuldenkrise wurde mehr Bargeld nachgefragt. Die Worte Draghis, dass der Euro unter allen Umständen gerettet werden würde, zeigten zunächst Wirkung. Mit zunehmend aggressiver Geldpolitik stieg die Nachfrage nach Bargeld wieder. Einen raschen Anstieg gab es mit Einführung der Negativzinsen und dem Beginn des Anleihenkaufprogramms.

In Japan lag das Nachfragewachstum viele Jahre auf sehr niedrigem Niveau. Mit Beginn der Abenomics beschleunigte sich das Wachstum und geht derzeit ungebremst weiter. Mit Einführung negativer Zinsen Ende Januar wurden Verbraucher stark verunsichert. Der Wille zu mehr Bargeld ist vorhanden. Die Nachfrage nach Safes explodiert gerade angeblich. Einige Modelle sind komplett ausverkauft.

Die Entwicklung zeigt ganz klar: Verbraucher wollen keine Abschaffung des Bargeldes und sie nutzen es, um der Zentralbankpolitik zu entkommen. Lange Zeit galt ein Zinssatz von 0 % als absolute Untergrenze, um Flucht in Bargeld zu verhindern. Alle waren überrascht, als es mit der Einführung von Negativzinsen nicht dazu kam.

Menschen flüchteten vielleicht nicht in Scharen und abrupt in Bargeld, doch sie beginnen die Bargeldnutzung wieder auszuweiten. Dieser Trend wird sich fortsetzen und beschleunigen, solange die Notenbanken nicht von ihrer immer aggressiveren Politik abrücken.

Das Interesse an der Abschaffung des Bargeldes ist groß. Es ist jedoch relativ unwahrscheinlich, dass dies gelingen wird. Eine Bewegung hin zu mehr Bargeld findet bereits statt. Mit jeder weiteren Zinssenkung wird dieser Trend unterstützt. Irgendwann ist dann der „Tipping Point“ erreicht, an dem die ganz große Flucht einsetzt. Das bewirkt letztlich genau das Gegenteil dessen, was die Notenbanken wollen.

26 Kommentare

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  • moneymaker22
    moneymaker22

    "das ist auch den Verbrauchern klar" also genau das wage ich zu bezweifeln :-( die breite Masse befasst sich lieber mit Superstars als mit Bargeldverboten

    18:45 Uhr, 02.03.2016
  • xarcox
    xarcox

    Bargeld= bedrucktes Papier.Bitcoin= virtuelle Währung,eine Zahl in einem elektronischen System. Ich glaube das beste und sicherste ist immer noch Gold und Silber.Das kann man sehen und anfassen und ich wette ,auch in schlimmen Krisen gibt es was dafür,was ich von Bargeld,Bitcoin,oder eine Zahl auf einem Kontostand nicht glaube.Was ich immer noch nicht verstehe,wie man sich Negativzinsen aufdrücken lassen kann.Wenn das die Banker mitmachen,dann sind sie nicht mehr bei Verstand oder wollen im Ernstfall wieder gerettet werden.To big to fall.Ha ha

    17:42 Uhr, 02.03.2016
  • Swiss Investor
    Swiss Investor

    Man braucht einfach etwas Bargeld zuhause, denn es geht um die Sicherheit, falls der Staat über ein Wochenende plötzlich neue Notgesetze einführen oder die Elektrizitätsversorgung zusammenfallen sollte. Siehe Griechenland oder Zypern.

    Falls die Bargeldtransaktionen limitiert werden, dann wird auch der Bargeldbezug limitiert. Dann gibt es am Geldautomaten nur noch kleine Summen oder gar keine mehr. Auch bei einem Stromausfall geht nichts mehr.

    Ein Bankangestellter kann (darf) auch kein Bargeld empfehlen, denn er muss dazu schauen, dass die Bank ihre Produkte verkauft, denn damit verdient er seinen Lohn. Hätten alle Leute Bargeld zuhause, dann hätte die Bank kein Geld mehr und sie könnten auch keine Gewinne generieren um Löhne und Dividenden zu bezahlen.

    Geld gibt Freiheit und Sicherheit. Nur mit Geld kann ich mich frei bewegen oder vielleicht noch als Bettelmönch.

    16:55 Uhr, 02.03.2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

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