Kommentar
10:36 Uhr, 16.07.2012

Interview: Sommer-Rally? Europa-Front zeigt abnehmenden Grenz-Schock-Nutzen

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Vermögensverwalter haben sich für die Sommerzeit abgesichert, kaum jemand hat einen Anstieg des DAX bis 7000 Punkten auf dem Schirm. Dennoch gibt es einige Gründe, warum der früher oft, aber in diesem Jahr kaum bemühte Terminus der „Sommerrally“ gerade jetzt zutreffen könnte. Warum, das verriet uns Daniel Zindstein, einer der wenigen optimistischen Stimmen in einem Kanon einer Wahrnehmung der Marktteilnehmer, die sich vorwiegend auf die Risiken und negativen Argumente konzentriert.

KURZVITA: Daniel Zindstein ist verantwortlich für das Portfoliomanagement der vier Dachfonds des unabhängigen Finanzdienstleisters GECAM AG (http://www.gecam.de/).

Das Interview führte Jochen Stanzl. Es erschien im aktuellen Gold- & Rohstoff-Report.

Herr Zindstein, in ihrem monatlichen Marktkommentar vertreten Sie die These, dass der DAX um weitere 20% ansteigen könnte. Wie kommen Sie darauf?

Ich stütze mich dabei unter anderem auf Research der Landesbank Baden-Württemberg. Die LBBW hat die Gewinnentwicklung der DAX-Unternehmen summiert, indexiert und in Gewinnpunkten zusammengefasst. Ein DAX-Stand von 6400 Punkten impliziert einen Wert von rund 540 DAX-Gewinn-Punkten. Die Summe der Analysten, etwa der LBBW, die die einzelnen Unternehmen analysieren und daraus Gewinnprognosen ableiten, implizieren für die 12-Monats-Gewinne, also für heute in einem Jahr, knapp 700 DAX-Gewinn-Punkte. Die Differenz sind rd. 20%, woraus man deuten kann, dass der DAX einen um 20% niedrigeren Gewinn unterstellt, als das die Analysten tun. Sollte die Prognose der Analysten eintreffen, dann müsste der DAX also um 20% ansteigen. Im Umkehrschluss bedeutet das: Die Gewinne könnten um 20% einbrechen, und der DAX hätte das bei 6400 Punkten schon vorweggenommen.

Ist das letztere nicht die realistischere Variante?

Ja die konjunkturellen Perspektiven haben sich ziemlich eingetrübt in den letzten drei Monaten. Sollte sich das fortsetzen, mögen Gewinnrevisionen durchaus realistisch sein, allerdings sind wir schon ziemlich weit im Zyklus fortschritten. Ich erwarte in den nächsten zwei bis drei Monaten dass sich die konjunkturellen Indikatoren auch wieder drehen.

Sie sprechen in Ihrem Marktkommentar auch die SENTIX-Indikatoren für die DAX-Stimmung an. Was lässt sich hier ablesen?

Der Einmonatsindikator hat sich zwar etwas verbessert, die mittelfristige Einschätzung, sprich die mittelfristige Wertwahrnehmung der Anleger ist aber weiterhin schlecht. Diese Indikatoren sind insgesamt eigentlich prozyklisch zu bewerten, und nicht antizyklisch. In diesem Jahr glaube ich jedoch, dass man die negative Stimmung antizyklisch deuten kann, denn wir haben jetzt zwei Jahre in Folge eine Verschlechterung der Stimmung erlebt und wurden Zeuge von Kurseinbrüchen im August 2010 und auch im August 2011. In diesem Jahr dürfte keiner meiner Kollegen in den Urlaub fahren, ohne zuvor entsprechende Sicherheitsvorkehrungen getroffen zu haben, sei es durch eine breitere Diversifizierung, die Verringerung der Investitionsquote oder durch entsprechende Absicherungen. Deshalb erwarte ich in diesem Sommer auch keinen großen Einbruch der Kurse. Es kann sich ja keiner vorstellen dass der DAX jetzt im August auf 7000 Punkte steigt, also ich kenne zumindest niemanden. Das Wort „Sommerrally“ wurde in den letzten Jahren immer wieder angeführt. Gerade bei amerikanischen Aktien zählt der Juli zu den besten Börsenmonaten und das hat wegen der negativen Stimmung keiner mehr im Bewusstsein, weshalb jeder vorsichtig ist, und gerade deshalb könnte es ein relativ guter Börsensommer werden. Das gilt natürlich nur, wenn nichts besonders Schlimmes passiert, etwa von der Europa-Front. Doch selbst da muss schon immer noch mehr kommen, dass die Anleger geschockt sind. Wir haben es quasi mit einem abnehmenden Grenz-Schock-Nutzen zu tun – irgendwann schockt es einen halt nicht mehr. Es muss wirklich immer noch mehr kommen, sodass der Markt dann richtig drunter leidet. Hedgefonds werden vielleicht wieder einen Angriff versuchen wie im August letzten Jahres auch. In dieser Zeit sind die meisten Leute im Urlaub. Jedoch glaube ich nicht, dass es noch einmal so krass kommen wird wie in den letzten beiden Jahren. Die Kurse könnten eher auf der Oberseite überraschen.

Herr Zindstein, herzlichen Dank für das Gespräch.

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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