Kommentar
01:00 Uhr, 07.10.2008

Interview mit Van Tharp - Amerika ist pleite, nur die Amerikaner wissen es nicht

Van K. Tharp ist einer der besten Trading Coaches in der heutigen Welt. Sein bahnbrechendes Position-Sizing-Konzept wird von vielen Tradern von Tokio bis San Francisco aktiv genutzt. Seine beiden Bücher „Beruf: Trader“ und „Clever Traden mit System“ erreichten große Beliebtheit.

Er ist der Gründer des Van Tharp Institute und des International Institute of Trading Mastery, zwei der absoluten Top-Coaching-Adressen zum Thema Trading. Trotz mehrerer Jahrzehnte an Erfahrung ist er seiner bemerkenswerten Arbeiten und Ideen noch lange nicht müde. Seine jüngste Erfindung ist der kostenlose Tharp Trader Test unter www.tharptradertest.com.

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Das TRADERS Magazin führte das folgende Interview mit Van K. Tharp

Frage: Dr. Tharp, was ist der Sinn des Lebens?

Van K. Tharp: (Pause) Vielleicht, herauszufinden, wer man ist.

Frage: Gute Antwort. Wieso haben Sie sich für diese entschieden?

Tharp: Man muss die Menschen danach fragen, was sie wollen. Wenn ich Ihnen diese Frage stellen würde – wie würde Ihre Antwort lauten? Was wollen Sie?

Frage: Finanzielle Unabhängigkeit!

Tharp: Und wenn Sie dies erreichen, was haben Sie dann davon?

Frage: Dann hätte ich genügend Geld, um mir ein schönes Leben machen zu können, damit ich mich um die Dinge im Leben kümmern kann, die mich wirklich interessieren. Sicherlich würde dies eine spirituelle Seite beinhalten. Vielleicht ist Materialismus eben doch nicht alles.

Tharp: Wenn Sie nun die nötigen Mittel hätten, um Ihre spirituelle Seite zu erkunden, was hätten Sie wiederum davon? An letzter Stelle – wenn wir nun diese Fragen fortsetzen würden – bekämen wir solche Antworten wie inneren Frieden, Einheit, Liebe und Glückseligkeit. Wir alle wollen das. Es ist nur eine Frage des Erreichens eines gewissen finanziellen Levels, um sich direkt dort hinzubewegen, aber wir alle leben in der Illusion, dass es andere Dinge sind, auf die es ankommt. Mein Unternehmen wurde mit der Vision ins Leben gerufen, Leuten bei ihrem individuellen Verwandlungsprozess Hilfestellungen zu leisten. Ich befinde mich dabei jedoch lediglich an der Oberfläche, die darin besteht, Sie dazu zu bekommen, auf sich selbst zu schauen.

Frage: Inwiefern bereitet Trading uns den Weg dahin – zuerst zu finanzieller Unabhängigkeit und dann eventuell uns selbst zu finden?

Tharp: Zuerst muss ich Folgendes sagen: Ich definiere Selbstsabotage dadurch, dieselben Fehler immer und immer zu wiederholen. Während des letzten Bärenmarktes machte einer unserer Fernsehsender eine TV-Umfrage, in welcher es um die Frage ging, warum Leute Geld in diesem Markt verloren. Ihre Antwortmöglichkeiten setzten sich zusammen aus korrupten Managern, korrupten Analysten, dem Bärenmarkt, den Brokern, Fondsmanagern und so weiter. Dabei handelte es sich um Gründe, die etwas außerhalb von ihnen selbst für ihre Misserfolge verantwortlich machte. Was sie sich nicht eingestehen wollten, waren Antworten wie „Ich hatte keinen Plan. Ich benutzte keine Ausstiegsstrategie. Ich habe auf einem bestimmten Gebiet zu viel riskiert. Selbst wenn ich auf all dies geachtet hätte, hätte ich nicht die Disziplin gehabt, mich strikt daran zu halten.“ Das ist, was ich den Leuten beibringe. Und wenn sie das verstanden haben – was ich Selbstverantwortung nenne – dann fangen sie damit an zu erkennen, wie sie ihr eigenes Leben gestalten.

Frage: Sie sind vielleicht der am besten bekannte Tradingcoach auf der Welt. Wenn Leute zu Ihnen kommen, Sie um Rat bitten, wonach fragen sie? Weshalb sind sie von ihrem Trading enttäuscht? Warum haben sie ihr Selbstbewusstsein verloren? Welche sind die Haupteigenschaften derjenigen, die scheitern?

Tharp: Vielleicht ist die größte dieser Eigenschaften, dass sie keine Verantwortung für ihr Trading übernehmen. Die Leute, die zu mir kommen, haben üblicherweise mein Buch „Clever Traden mit System“ gelesen. Sie sagen, dass es die dort aufgeführten Konzepte und Ideen sind, die ihre Denkweise über das Trading verändern. Ich habe ein Super-Trader-Programm, an dem ungefähr immer zehn bis fünfzehn Menschen teilnehmen. Es handelt sich dabei um ein Zweijahresprogramm. Es gibt keine festen Vorgaben darüber, was Sie in diesem Programm genau alles machen müssen, aber meine Empfehlung ist, dass Sie das gesamte erste Jahr darauf verwenden, an sich selbst zu arbeiten. Ich habe sogar einen Test, welchen ich zu diesem Zwecke empfehle. Manche Teilnehmer haben gesagt, es sei mit einer Doktorarbeit vergleichbar, all diese Dinge herauszufinden. Daneben lasse ich sie einen vollständigen Business-Plan aufstellen. Dieser Business-Plan enthält unter anderem, was Sie über das Gesamtbild und makroökonomische Zusammenhänge denken. Ich möchte wissen, was Sie dabei denken und wie sie sich damit auseinandersetzen. Sie können auch auf meine persönliche Gesamtbildanalyse zurückgreifen, müssen aber nicht. Ich habe drei Systeme entworfen, die in meine Gesamtbildanalyse passen, jedoch korreliert eines davon nicht mit den beiden anderen und eines kommt zum Einsatz, wenn sich das Gesamtbild verändert.

Frage: In Ihrem Buch sprechen Sie darüber, dass ein Tradingansatz sich ungefähr zu 60 Prozent aus Psychologie, zu 30 Prozent aus Position Sizing und zu zehn Prozent aus dem eigentlichen System zusammensetzen sollte. Kurz danach schreiben Sie jedoch, dass dieser auch zu 100 Prozent aus Psychologie bestehen könnte. Was meinen Sie damit?

Tharp: Lassen Sie mich Ihnen ein Beispiel dafür geben, wieso es sich um 100 Prozent Psychologie handelt. Im meinem Peak-Performance-Kurs erwähne ich die zehn Phasen des Tradings. Ich gebe Ihnen eine, die kein Stück nach Psychologie aussieht – die Aktionsphase. Welche Ansichten verbergen sich dahinter? Welche mentalen Vorgänge? Welche mentale Strategie? Was passiert, wenn Sie ein Handelssignal erkennen? Sie handeln nicht ausschließlich nach dem Signal, denn das, was Sie sehen, wird stets zuerst von Ihrem Gehirn verarbeitet. Das erste, was Sie erkennen, ist, dass es sich um ein bekanntes Signal handelt und Sie einen entsprechenden Trade eingehen. Aber man agiert nicht einfach nur deswegen. Wenn man ein Signal erkennt, möchte man sich gut dabei fühlen. Dann erst wird gehandelt. Dann erst gehen Sie zur eigentlichen Aktionsphase über. Also: Man sieht etwas, erkennt es als Signal, fühlt sich wohl und handelt. Was aber, wenn Sie ein Signal erkennen und sich dann eine kleine Stimme in Ihrem Kopf meldet, die danach fragt, was denn alles dabei nun schief gehen könnte? Dann fühlen Sie sich nicht mehr so wohl und werden daher vielleicht nicht notwendigerweise handeln. Als Daytrader verpassen Sie dann dieses Signal. Auf der anderen Seite gibt es eine Studie, die ich in diesem Kurs zitiere, welche über einen Zeitraum von zehn Jahren 82 Portfoliomanager beobachtet hat und zu dem Schluss gekommen ist, dass 91 Prozent der Unterschiede hinsichtlich ihrer Performance von der Frage nach dem „wie viel“ abhing. Wenn also unterschiedliche Performance zu 91 Prozent auf Position Sizing zurückgeht, dann könnte man sogar sagen, dass es zu 90 Prozent um Position Sizing und zu zehn Prozent um das eigentliche System geht. Meiner Meinung nach ist alles Psychologie.

Frage: Das ist eine interessante Tatsache, da ja die meisten Menschen den Märkten mit einer sehr analytischen Einstellung gegenübertreten. Man möchte alles berechnen, dabei Formeln und Trendanalysen benutzen. Inwiefern kann dies dabei zu einem Konflikt führen?

Tharp: Ich werde Ihnen eine interessante Geschichte erzählen, die mit den jüngsten Ereignissen zusammenhängt. Seit Nick Leeson haben Banken pro Jahr eine Milliarde Dollar durch so genannte Rogue Trader verloren. Ich habe mich mit vielen institutionellen Händlern unterhalten. Ich bin für Dow Jones um die Welt gereist, habe in acht Städten vor jeweils dreihundert Händlern gesprochen, um ihnen beizubringen, wie wichtig Position Sizing ist. Ich fragte sie danach, ob sie wüssten, wie viel Geld sie eigentlich handelten.
Niemand hob die Hand. Dann wollte ich wissen, wie viel Geld sie maximal verlieren dürften, bis sie gefeuert würden. Da hat vielleicht jeder Zehnte die Hand gehoben. Also habe ich den Rest darum gebeten, dies herauszufinden, damit sie auf dieser Grundlage überhaupt erst mit Position Sizing arbeiten könnten. Aber in der Regel haben institutionelle Händler keinen blassen Schimmer davon, wie viel sie eigentlich verlieren dürfen und können, schließlich handeln sie ja mit dem Geld der Bank. Mit einer einfachen Lösung könnte man sich aller Rogue Trader entledigen. Wer für eine Institution handelt, der sollte ein eigenes Konto mit einem gewissen Betrag zugewiesen bekommen und die einzige Möglichkeit, zu handeln, sollte dieses Konto sein und etwaige Prämien sollten sich nach der Performance dieses Kontos richten – es gäbe keine Rogue Trader mehr. Mancher wird vielleicht einwenden, dass die Banken in diesem Falle ihre Risikokontrollmechanismen aufgeben müssten, aber wenn diese ohnehin nicht funktionieren... Vor ungefähr fünfzehn Jahren habe ich mit einem Händler im World Trade Center gearbeitet und er erklärte mir etwas über sein Moneymanagement. Als ich seinen Boss traf, erklärte ich diesem, dass sie, wenn sie so weiter machten, innerhalb von sechs Monaten bankrott wären. Er versicherte mir freilich, dass alles, was sie da taten, vollkommen sicher sei, jedoch war diese Firma sechs Monate später in der Tat pleite.

Frage: Das war eine institutionelle Trading-Gesellschaft?

Tharp: Korrekt, ein Handelsbüro. Es ist schon lustig. Kostenlose Ratschläge bedeuten den meisten Menschen gar nichts.

Frage: Dann scheinen Sie ja nie bei der Société Générale in Frankreich gewesen zu sein? Was halten Sie von diesem Jérôme Kerviel, der jüngst fast fünf Milliarden Euro Verlust gemacht hat?

Tharp: Zuerst einmal denke ich, dass sie sowieso nicht zugehört hätten, wenn ich dort mal gewesen wäre. Dieser Fehler hätte, wie gesagt, komplett verhindert werden können. Wenn es Leute gibt, die im Namen der Bank auf sämtlichen Konten handeln, irgendwelche Positionen eröffnen, wobei alles verschleiert ist, und dann versuchen, ihre Fehler durch das Eröffnen von Gegenpositionen wieder wett zu machen, dann kann ich nur sagen: All dies wäre nicht möglich, wenn jeder sein eigenes eines Handelskonto bekäme.

Frage: Denken Sie, dass dies vielleicht ein ganz grundsätzlicher Tradingfehler gewesen sein könnte?

Tharp: Er ist in ein bekanntes Schlamassel geraten: Er hat viel zu viel riskiert.

Frage: Stellen Sie sich einen selbstsicheren und erfahrenen Trader vor, der ein gutes System besitzt, Position Sizing benutzt und seinen Job mit viel Disziplin und Eifer wahrnimmt. Wie könnte einer seiner potenziellen Tradingfehler aussehen?

Tharp: Ich gehe dann von einem Fehler aus, wenn man mit seinen eigenen Regeln bricht. Gehen wir davon aus, dass diese Person einige Regeln besitzt. Wenn er sich dann beispielsweise von News beeinflussen lässt und sich dazu entscheidet, eine Position glattzustellen, dann hat er seine eigenen Regeln nicht strikt befolgt und einen Fehler begangen. Ich betrachte jedes Konzept unter dem Gesichtspunkt von R-Vielfachen, welche die Risiko-Ertrags-Verteilung in einem Portfolio darstellen. Zur Zeit bitte ich zumindest meine Super Trader darum, dass sie mich den R-Wert ihrer Fehler betrachten lassen. Ich habe bis jetzt nur zwei Beispiele, diese sind aber aussagekräftig. Einer ist Hedge-Fonds-Manager gewesen und sein durchschnittlicher Fehler betrug 4,6 R. Er beging ungefähr einen Fehler pro Monat, also über ein Jahr hinweg gerechnet und davon ausgegangen, dass ein R ein Prozent bedeutet, waren das 50 Prozent seiner Performance. Ich sah mir einen weiteren Trader an, der Aktien in einem langfristigen Zeitrahmen handelte. Sein durchschnittlicher Fehler betrug 0,3 R. Ich überschlug, dass ihn dies über ein Jahr trotzdem 30 Prozent seiner Gewinne kostete.

Frage: Sie besitzen einen Doktortitel in Psychologie. Wie kamen Sie zum Trading?

Tharp: Ich habe schon immer getradet. Am Anfang habe ich eine Menge Geld verloren und nachdem ich dies wiederholt tat, kam ich zu dem Entschluss, dass dies mit mir zusammenhängen musste. Zu entdecken, was ich tat, war ziemlich abenteuerlich. Später habe ich dann einen Test für Trader entwickelt, der erleichtern sollte, dies herauszufinden. An diesem Test haben um die tausend Leute teilgenommen. Sie sagten mir, dass die Ergebnisse sehr akkurat ausgefallen seien und fragten, was sie nun dagegen tun könnten. Das wusste ich nicht genau, also begann ich 1982 damit, meinen Peak-Performance-Kurs zu entwickeln, um ihnen Antworten zu liefern. Dies dauerte ungefähr fünf Jahre, aber pünktlich zum Crash 1987 war ich fertig.

Frage: Ihr Buch fängt mit einer großartigen Geschichte an – mit Joseph Campbells Mythos vom Heiligen Gral. Dies kann als Synonym dafür betrachtet werden, wie die Menschen heute oder zu jeder Zeit versucht haben, die Geheimnisse des Lebens oder einen höheren Zweck dahinter herauszufinden. Inwiefern denken Sie, dass Trading als eine Unternehmung betrachtet werden könnte, die gewissermaßen den gleichen Zielen folgt?

Tharp: In vielerlei Hinsicht. Einige meiner Kunden benutzen spirituelle Entwicklung als Motivation und die ganze Idee hinter dem Trading als einen Weg, diese zu bemessen. Das ist interessant. Ich arbeitete mit einer Frau zusammen, die Doktor der Psychologie ist und eine Methodik unterrichtet, die man transformelle Meditation nennt. Sie nimmt all die einzelnen Teile in dir und bringt diese unter deinem höheren Selbst zusammen, welches sie „das große Auge“ nennt.

Frage: Das große Auge der Pyramide?

Tharp: All die Teile, aus denen man besteht, sind kleine Augen. Eines möchte eine Menge Geld verdienen, eines den ganzen Tag schlafen und wieder ein anderes den ganzen Tag ins Kasino gehen und Blackjack spielen. Dies sind die kleinen Augen, all die verschiedenen Rollen, die man im Leben hat. Das große Auge bezeichnet so etwas wie die Seele, ein höheres Selbst. Was man nun bei dieser Methode tun muss, ist, all die kleinen Augen unter dem großen Auge zusammenzubringen und sich so zu verwandeln, zu transformieren. Das tut sie unter anderem in einem unserer Workshops. Außerdem bietet sie ein 30-Tage-Programm an, welches zu durchlaufen unseren Super Tradern nahegelegt wird. Raten Sie mal! Sie hat mit Trading begonnen. Nachdem sie mit einem meiner Trader zusammengearbeitet hat, entschloss sie sich, ebenfalls zu traden. Sie hat sich nach anderen Leuten umgesehen, die diese Methode an ihrer statt weiter unterrichten. Trading bringt Probleme ans Licht, denen sich man ansonsten nie bewusst würde.

Frage: Zurück zur Psychologie. Wenn man hört, dass Psychologie als der größte Teil eines Tradingansatzes befunden wird, was sollte man dann gedanklich damit verbinden? Einen wachen Verstand, emotionsloses Handeln, Selbstverantwortung übernehmen?

Tharp: Eine Menge Dinge. Zum Beispiel empfehle ich, dass Sie mindestens einhundert Annahmen von sich selbst aufschreiben. Je schneller, desto besser. Wenn ich Sie jetzt danach fragen würde, fänden Sie spontan vielleicht zehn und gerieten dann ins Straucheln, aber vielleicht hätten Sie nach sechs Wochen einhundert Stück beisammen. Aber selbst wenn ich Ihnen nur einen Tag Zeit gäbe, kämen sicherlich einige interessante Dinge dabei heraus. Sie müssen verstehen, dass es diese Annahmen sind, durch die sie traden. Dies ist, was Sie beeinflusst. Eine weitere wichtige Frage: Was sind Ihre Annahmen über den Markt? Sie handeln nicht die Märkte, sondern ihre Annahmen über die Märkte. Wir mögen den Gedanken, manche Dinge als Tatsachen zu bezeichnen. Dies sind Annahmen, die sehr stark unterstützt werden, aber dennoch Annahmen. Wenn Sie sich einige Ihrer Annahmen ansehen und diese als nützlich erachten, müssen Sie sich fragen, woher diese kommen. Ist es meine Erfahrung oder wurde es mir lediglich von jemandem erzählt? Schauen Sie sich jede Ihrer persönlichen Annahmen auf diese Weise an. Ziemlich schnell werden Sie sich all derer entledigen, die Sie für nutzlos erachten, außer vielleicht derjenigen, die aufgeladen sind. Das bedeutet, dass Emotionen daran geknüpft sind und, falls Sie dies ändern möchten, müssen Sie die Ladung loslassen. Wenn Sie diese Bewertungen durchführen, werden Sie an einem Punkt ankommen, von welchem aus Sie sehr gut mit Trading beginnen können.

Frage: Gehen wir davon aus, dass es sich um eine Frage der Wahrnehmung handelt. Welche Rolle spielt dann das Selbstbewusstsein? Jemand, der von seinen Annahmen stärker überzeugt ist, wird ein klein wenig erfolgreicher sein, zum Beispiel wenn es darum geht, lange Drawdowns auszuhalten.

Tharp: Ich gebe Ihnen ein Beispiel aus meinem Blueprints-for-Success Workshop, wo ich den Leuten einige wichtige Fragen stelle. Tatsächlich habe ich Ihnen die ersten beiden schon gestellt. Welche Annahmen haben Sie von sich selbst und welche von den Märkten? Nachdem Sie sich mit allen Fragen auseinandergesetzt haben, springen Sie vielleicht auf und sagen: „Oh! Jetzt weiß ich, worauf es ankommt, wenn man erfolgreich sein möchte!“ Der Grund, warum ich dies erwähne, ist, dass ich Sie dazu bringen möchte, zu verstehen, woher Ihr Selbstvertrauen kommt. Sie könnten sich auch mit all der Software auseinandersetzen und wenn diese dann irgendwann tolle Statistiken ausspuckt, werde ich Sie wahrscheinlich fragen, ob Sie dieser Software wirklich so viel Vertrauen schenken möchten oder ob die zugrundeliegenden Daten überhaupt verlässlich genug sind. Sie müssen einige Kriterien erfüllen, um selbstsicher traden zu können. Ich hoffe, Sie finden heraus, welche Kriterien dies sind und wie Sie dazu kommen. Sie brauchen vielleicht etwas, um die Qualität eines Handelssystems gegenüber der eines anderen grundsätzlich bemessen zu können, egal, ob es um Day- oder Langfristtrading oder sonst etwas geht. Je besser die Qualität, desto besser das System. Was die meisten nicht verstehen, ist, dass der Zweck des Position Sizings derjenige ist, Ihnen dabei zu helfen, Ihre Handelsziele zu erreichen. Es gibt so viele Handelsziele wie es Trader gibt und jeder könnte seine eigene individuelle Definition darüber besitzen, inwiefern Position Sizing ihm dabei hilft, seine Handelsziele zu erreichen. Verglichen mit der Qualität des Systems heißt dies, dass es für Sie umso einfacher sein wird mittels Position Sizing, Ihre Handelsziele zu erreichen, je besser Ihr System ist. Wenn Sie ein großartiges System traden, Position Sizing aber nicht verstehen, werden Sie Ihre Handelsziele wahrscheinlich nicht erreichen können.

Frage: Was wäre denn ein schlechtes System? Eines, dass zufällige Ein- oder Ausstiege benutzt?

Tharp: Grundsätzlich ist jedes System mit einem negativen Erwartungswert ein schlechtes System.

Frage: Wie könnte man herausfinden, ob man ein System mit negativem Erwartungswert handelt?

Tharp: Indem man es testet. Ein Schlüsselelement beim Testen von Systemen ist, zu erkennen, dass es sechs verschiedene Arten von Märkten gibt: Aufwärts, abwärts, seitwärts und den unter volatilen oder ruhigen Bedingungen. Die Qualität Ihres Systems wird in der Regel gemäß der vorherrschenden Marktbedingungen variieren. Wenn Sie herausfinden, dass Ihr System nur unter gewissen Bedingungen gut arbeitet, dann brauchen Sie eventuell einen Filter, der Ihnen sagt, wann Sie dieses System benutzen sollten.

Frage: Es ist ein grundlegendes Problem, dass sich die Märkte mit fortlaufender Zeit verändern...

Tharp: Nicht, wenn Sie einen Weg haben, dies zu bestimmen. Ich gebe Ihnen als Beispiel die Art und Weise, wie ich das tue. Ich bin ein Langzeittrader. Meinetwegen sehe ich mir den S&P im Quartalschart an. Meiner Meinung nach ist der beste Weg, um zu bestimmen, ob es auf-, ab- oder seitwärts geht, die Betrachtung des Charts. Wenn er sichtbar steigt, liegt ein Aufwärtstrend vor. Wenn er fällt, ein Abwärtstrend. Lässt sich keiner von beiden ausmachen, dann gehe ich von einem Seitwärtstrend aus. Dann sehe ich mir die wöchentlichen Kursänderungen in Prozent an. Wenn Sie sich den S&P über zwanzig Jahre hinweg ansehen, liegt die durchschnittliche Kursänderunge von einer Woche zur nächsten bei zwei bis 2,5 Prozent. Ein Quartal enthält 13 Wochen, und wenn die Veränderungen in mehr als der Hälfte der enthaltenen Wochen stärker als 2,5 Prozent ausgefallen sind, spreche ich von einer volatilen Phase. Ansonsten ist es eine ruhige Phase. Ich tue das auf diese einfache Weise. Heute beschwert sich jeder darüber, wie volatil die Märkte geworden sind. Sind sie nicht. Wir hatten nur drei Jahre lang eine ruhige Phase. Als ich „Beruf: Trader“ geschrieben habe, entwickelte ich ein System für fallende Märkte und eines seiner Filterkriterien war, dass der Markt um 2,5 Prozent fallen musste. Damals war dies eine normale Änderungsrate und auch über die meiste Zeit, in der ich das System getestet habe. Sobald ich mit alledem fertig war, gingen die Märkte in eine ruhige Phase über, wo vielleicht gerade einmal eine oder zwei Wochen in einem ganzen Jahr eine Kursänderung von 2,5 Prozent oder mehr auswiesen. Letztes Jahr haben sich lediglich wieder normale Bedingungen durchgesetzt, aber jetzt denkt jeder, dass diese Märkte hochvolatil sind. Das sind sie aber nicht. Sie sind normal. Wenn Sie diesen Durchblick erst einmal haben, dann wissen Sie es auch.

Frage: Wurden die Märkte aber nicht auch vom technischen Fortschritt und dem elektronischen Handel beeinflusst? Wurden sie dadurch nicht auch effizienter und enger? Hat sich denn durch diese Tatsachen nichts geändert?

Tharp: Vielleicht. Aber wir haben ja Dinge wie die Finanz- und Immobilienkrise und ich denke, dass einige Bankenhäuser in ernsthaften Schwierigkeiten stecken. Demnach müssen sie sich von einigen Vermögenswerten trennen und einige Dinge verkaufen, die zuvor gestiegen sind. Man sieht, wie die Märkte in China einbrechen, wie Goldaktien fallen, der Goldpreis jedoch steigt. Das macht eigentlich nicht viel Sinn, zeigt jedoch, dass die Banken viele Anlagen liquidieren, da sie in finanziellen Notlagen stecken. Dies hat nichts damit zu tun, wie elektronisch der Handel abläuft. Ich würde sagen, dass sich ein Großteil des Geldes der Welt in den Händen der Institutionen befindet, was dort jedoch strengen Auflagen unterliegt. Viele Fonds, zum Beispiel, müssen immer zu einhundert Prozent investiert sein – dies ist eine strenge Auflage und macht das alles für sie sehr hart. Sie können weder short gehen, noch Stopps setzten oder cleveres Position Sizing anwenden. Eine Menge Geld befindet sich in den Händen institutioneller Händler, die teilweise gar nicht wissen, mit wie viel Geld sie tatsächlich handeln. Ich denke, dass sich im Großen und Ganzen nicht viel geändert hat.

Frage: Das hört sich an wie die Meinung, die Jesse Livermore bereits in der 20er Jahren vertrat. Er sagte, die Menschen würden sich immer wieder gleich verhalten und sich nie ändern. Es gäbe immer wieder Spekulationsblasen, Massenpanik und so weiter.

Tharp: Die Menschen wissen einfach nicht, was sie tun. Sie müssen sich ihres psychologischen Vorteiles bewusst werden – dies ist ein sehr großer Vorteil, den die meisten Menschen nicht haben.

Frage: Könnten Sie uns bitte noch ein kleines Update Ihrer Gesamtbildanalyse geben? Heute sind viele Fragen unbeantwortet und jeder wundert sich darüber, wie die Geschichten der Subprime-Krise und des schwachen Dollars enden werden.

Tharp: Die Amerikanische Notenbank hat eine Studie veröffentlicht. Diese kam im März 2007 heraus und findet sich auf der Website der Fed. Sie können danach googlen. Jedenfalls sahen sich deren Verfasser die US-Amerikanische Wirtschaft an und stellten sich die Frage: „Kann ein ganzes Land bankrott gehen?“ Ihre zusammenfassende Antwort lautete Ja, damit behaupteten sie, dass die USA bankrott wären. Dies kam nie in die Medien und kein Politiker spricht darüber. Der Studie nach betrügen alle Schulden der Vereinigten Staaten inklusive zukünftiger Zahlungsverpflichtungen 67 Billionen Dollar. Wenn man sich die gesamte Kapitalisierung aller Aktien in den USA, wo der Aktienmarkt immer noch der mit Abstand größte der Welt ist, ansieht, beträgt diese zwischen 19 und 20 Billionen Dollar. Wenn man sämtliche Immobilienwerte hinzurechnet, kommt man vielleicht auf 50 Billionen. Es gäbe da noch die Bonds, aber nachdem diese ohnehin Schulden repräsentieren, bleiben sie außen vor. Alles in allem sind die Vereinigten Staaten jedoch vollkommen pleite. Damit werden die USA ihre T-Bills wahrscheinlich nie zurückzahlen, aber trotzdem den künftigen Zahlungsverpflichtungen in gewisser Weise nachgehen, also werden in Zukunft keine Sozialleistungen mehr bezahlt werden können. Ferner bin ich der Meinung, dass wir uns in einer anhaltenden Baisse befinden. Das bedeutet, dass die Kurs-Gewinn-Verhältnisse auf lange Sicht hinweg fallen werden, nicht jedoch zwangsläufig auch die Aktienpreise. Man könnte annehmen, dass der Dollar in zehn Jahren nur noch ein Zehntel seines gegenwärtigen Wertes besitzt. So sieht es aus. Es würde mich nicht im geringsten überraschen, wenn der Dow Jones auf 50 000 Punkte ansteigt. Das sähe nach einer gewaltigen Hausse aus, jedoch bei einem Zehntel des jetzigen Dollarwertes. Man wird auf das Jahr 2003 zurückschauen und es bedauern, damals keine Aktien gekauft zu haben. Ich denke, dass die USA ihren ökonomischen Gipfel überschritten haben und sich im Niedergang befinden, aber ich denke auch nicht, dass Europa da so viel besser dasteht. Jedoch bietet eine Krise auch immer Gelegenheiten, so steigt zum Beispiel der Goldpreis. Man könnte auch in China oder Brasilien investieren. In jedem dieser Länder hätte man im vergangenen Jahr ein kleines Vermögen verdient.

Frage: Wie sind demnach die Auswirkungen für die Vereinigten Staaten? Ein langsamer und stetiger Verfall des Dollars?

Tharp: Ich denke, letztenendes wird der Dollar nicht mehr die Weltwährung sein. Ich denke, dass China genügend Gold akkumulieren und seine Währung dann in Gold absichern wird und nicht länger, wie bisher, in Dollar. Dann wird sich alles drastisch verändern. Dies ist eine vage Vermutung. Ich beobachte diese Entwicklung jedoch regelmäßig. Wir bieten auf der Website www.iitm.com einen kostenlosen Newsletter an, in dem ich einmal im Monat über meine Gesamtbildanalyse spreche. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: In den USA haben wir unseren Konsumpreisindex zweimal verändert. Die erste Änderung geht auf den technologischen Fortschritt zurück. Wenn ein PC 3000 Dollar kostete und ein paar Jahre später ein neues Modell mit zehnfacher Leistung auch nur 3000 Dollar, dann ist dieser Preis nur noch ein Zehntel des alten Preises. So wurde der technologische Fortschritt ausgelotet. Eine weitere Änderung gab es in den späten Jahren der Ära Clinton. Wenn der Steakpreis immer weiter steigt, hätten die Leute irgendwann kein Interesse mehr, Steaks zu essen. Sie würden auf Hamburger ausweichen. Man kam dahinter, wie man den Konsumpreisindex gewichten müsse. Wenn man sich jetzt die alten Indexdaten ansieht, wird man sehen, dass die Inflationsrate weit über zehn Prozent liegt und sich die USA praktisch seit 2000 in einer Rezession befinden. Das mag sich ein wenig finster anhören, aber dies ist eben, was gerade passiert. Wenn Sie sich dessen allerdings bewusst sind und sich nach guten Gelegenheiten umsehen, werden Sie einige davon finden. Falls Sie nicht so sind wie die meisten Amerikaner. Die haben keine Ahnung, was Sache ist.

Frage: Letzte Frage: Wie lautet Ihr ultimativer Ratschlag, an jeden, für die Zukunft?

Tharp: In meinem Buch definiere ich finanzielle Unabhängigkeit auf folgende Weise: Die Summe Ihres passiven Einkommens muss mindestens so hoch sein wie das Geld, das Sie zum Leben benötigen. Wenn man beginnt, so zu denken, kann man finanziell unabhängig werden. Wenn man sich zwei oder drei Jahre intensiv vorbereitet, kann man es schaffen, diese Barriere zu durchbrechen. Sie können zwei bis drei Stunden am Tag damit verbringen, Ihr Portfolio zu managen und wenn dies ausreicht, um damit Ihre Ausgaben allesamt zu decken, sind Sie finanziell unabhängig. Dementsprechend lautet mein ultimativer Rat: Versuchen Sie das!

Frage: Dr. Tharp, ich danke Ihnen vielmals für dieses Interview.

Bild 1: Die Bestandteile des Tradings

Laut Van K. Tharp macht das System, entgegen vieler Annahmen, nur zehn Prozent des gesamten Ansatzes aus.

Interview-mit-Van-Tharp-Amerika-ist-pleite-nur-die-Amerikaner-wissen-es-nicht-Kommentar-Redaktion-GodmodeTrader.de-1

Info1: Position Sizing

Position Sizing ist eine effektive Moneymanagementtechnik und stellt somit einen wichtigen Punkt eines jeden Tradingansatzes dar. Es besagt, dass jedes eingegangene Risiko und jeder Profit als das Vielfache eines konstanten Wertes R gemessen werden. Mit den R-Vielfachen führte Van Tharp eine wichtige Kennzahl zur Systembewertung ein. Nehmen wir beispielsweise an, ein R entspräche einem Prozent Performance. Wenn Sie am Jahresende 23 Prozent im Plus sind, haben sie 23 R im Gesamten verdient. Wenn Sie dabei 230 Trades getätigt haben, brachte ein einzelner Trade im Durchschnitt 0,1 R Gewinn ein. Falls Ihr Konto zu Beginn einen Stand von 100 000 Euro auswies, entspricht ein solcher einzelner Gewinn 100 Euro. Wenn Sie beim Eröffnen einer Position Ihren Stopp so platzieren, dass Sie im schlimmsten Falle höchstens 1 R verlieren, schränken Sie damit Ihr Gesamtrisiko ein. Wenn Sie Ihren Stoppkurs weit entfernt des akutellen Kurses setzen, handeln Sie eine entsprechend kleinere Position.

Anbei die Liste der Bücher von Van Tharp - Die Bücher können über die verlinkten Seiten direkt gekauft werden.[Link "Der Klassiker "Beruf:Trader"" auf www.finanzbuchverlag.de/... nicht mehr verfügbar]

[Link "Clever Traden mit System 2.0" auf www.finanzbuchverlag.de/... nicht mehr verfügbar]

[Link "Clever traden mit System" auf www.finanzbuchverlag.de/... nicht mehr verfügbar]

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