Kommentar
12:10 Uhr, 09.09.2005

Interview mit Steve Nison:  Light on Money

Steve Nison ist der Vater der modernen Candlestick-Analyse und Autor der Bibel über Kerzen-Chart-Analyse und -Trading-Techniken "Japanese Candlestick Charting Techniques", von der weltweit über 80 000 Exemplare verkauft wurden. Außerdem ist er Gründer und Präsident von www.candlecharts.com, die Kerzen-Chart-Signale für institutionelle und private Trader liefert. Nison, der als allererster die erstaunliche Wirksamkeit der Kerzen-Charts für die westliche Welt entdeckte, ist als führender Experte auf diesem Gebiet anerkannt. TRADERS´ Magazin traf den Chart-Veteranen und unterhielt sich mit ihm über Kerzen-Charts und Money Management. Steve Nison kommt am 24. September nach Frankfurt und hält ein tolles und ganztägiges Seminar über Kerzen-Trading-Techniken ab. Für weitere Informationen gehen Sie bitte auf die Webseite www.cityseminars.co.uk.

FRAGE: Herr Nison, sind Sie Kerzen-Chart-Purist?Nison: Es ist für viele überraschend, dass wir beim Handel westliche technische Indikatoren in Kombination mit einer östlichen Herangehensweise verwenden. In Wirklichkeit ergänzen sich die beiden perfekt. Jeder Trader kann einen guten Einstieg anhand der Kerzenanalyse vornehmen, aber wir haben festgestellt, dass die Bestätigung eines Kerzenmusters durch einen traditionellen Indikator deutlich bessere Ergebnisse erbringt. Ein Beispiel ist eine Umkehrspitze, als Doji bekannt. Wenn das Doji nicht von einem Volumen begleitet wird, das zumindest 30 Prozent höher als das der letzten zehn Kursbalken ist, hat das Signal geringere Chancen für einen profitablen Trade. Einerseits ist das Doji selbst ein wertvoller Hinweis auf einen Trendwechsel, andererseits ist es nicht ungewöhnlich, bei fehlendem Volumen zwei oder drei solcher Kerzen nebeneinander zu haben. Wir befassen uns auch mit Oszillatoren wie Stochastik oder RSI zur Bestätigung eines Trade-Einstiegs. Die Philosophie besteht darin, eine zusätzliche Bestätigung für einen Trendwechsel zu bekommen, ohne den technischen Ansatz zu übertreiben.

FRAGE: Wie gehen Candles und Money Management zusammen?Nison: Money Management ist zweifelsfrei eines der am wenigsten verstandenen Konzepte in der Handelswelt. Money Management ist das, was die Männer von den Jungs trennt, die Experten von den Amateuren. Money Management ist das schmutzige Wort für Neulinge, die im Handel schnell reich werden wollen, weil es Nachdenken, Arbeit und Disziplin erfordert. Money Management ist der Heilige Gral für professionelle Trader. Ich arbeite und trainiere seit 15 Jahren mit professionellen Händlern und ebenso mit kleinen privaten Tradern. Im Zuge meiner Seminare und Arbeit mit diesen Gruppen und Finanzinstitutionen habe ich herausgefunden, dass Kerzenanalyse zwar immer populärer wird, aber auch zunehmend unkorrekt gehandhabt wird. Halbwissen ist sehr gefährlich.

FRAGE: Sind kleine private Trader im Nachteil gegenüber Institutionellen?Nison: Aus meiner Erfahrung weiß ich, dass es häufig institutionelle Händler sind, die es in Stücke reißt, weil sie gewaltige Positionen ohne Stopp-Loss halten. Sie erleiden zwei oder drei riesige Verluste und sind dann für immer aus dem Geschäft. Es sind die großen Trader mit den kleinen Verlusten, die groß herauskommen. Einer der Pluspunkte der technischen Analyse ist, dass sie als Mechanismus für Risiko- und Money-Management-Techniken im Handel eingesetzt werden kann. Das Risiko festzulegen heißt, immer einen Stopp-Loss zu setzen, der dabei hilft, vor den Nachteilen unerwarteter ungünstiger Kursbewegungen zu schützen.
Es ist alarmierend mitzuerleben, wie Händler und Investoren dem Einstieg in den Markt sehr viel Aufmerksamkeit schenken, die Money-Management-Seite des Handels aber kaum beachten. Zum Beispiel sehe ich viele Trader immer wieder gleiche Positionsgrößen handeln, obwohl die Ausgangslage stark unterschiedlich ist. Sogar Profis machen sich in diesem Punkt ab und zu schuldig, aber unglücklicherweise stellen die Neulinge im Handel das Gros derjenigen, die ohne Plan handeln. Sie beschneiden die Erfolgswahrscheinlichkeit, indem sie die Wichtigkeit angemessener Positionsgrößen unterschätzen.

FRAGE: Antizipieren Sie die Vervollständigung eines bestimmten Kerzenmusters, oder warten Sie auf das komplette Signal?Nison: Kerzenanalyse hat immer damit zu tun gehabt, Umkehr- und Fortsetzungspunkte in einem Trend zu erkennen. Was sich aber viele Trader nicht klar machen ist, wie unmittelbar sich Kerzen-Charts für das Management des Risikos im Verhältnis zum Ertrag eignen. Kerzen-Charts sind ihrem Wesen nach eine Abfolge verschiedener Muster wie Doji und Hammer. Sogar traditionelle Muster der westlichen Chart-Terminologie wie Schulter-Kopf-Schulter sind in der japanischen Kerzenanalyse enthalten und als die „drei Buddhas“ bekannt. Allen Mustern ist gemein, dass diese Formationen einen Punkt haben, an dem das Muster ungültig ist und der Markt sein Wesen geändert hat.
Händler und Investoren verwenden Kerzen-Charts weithin, weil sie häufig Umkehrsignale liefern, die bei traditionellen Chart-Techniken wie Linien- oder Balken-Charts nicht zur Verfügung stehen. Ein Beispiel ist eine Handelssitzung, in der der Schluss des Vortages positiv war und ein neues Hoch markierte. Der laufende Handelstag erlebt eine Fortsetzung der bullischen Stimmung der vergangenen Sitzung. Irgendwann im Laufe des Tages geben die Bullen aber auf und die Bären übernehmen. Ein Kerzen-Chart-Trader könnte mit Recht davon ausgehen, dass ein Bearish Cloud Cover im Begriff ist sich zu manifestieren und ein Trade könnte eingegangen werden.
Da man aber noch keine volle Bestätigung des Musters hat, fängt man mit einer kleineren Position an. Wenn der Markt aber wieder zu den Tageshochs zurückhandelt und fest schließt, war die Formation ungültig, und der kluge Trader würde vor dem Schluss aussteigen und so nur einen sehr geringen Teil seines Gesamtkapitals verlieren.

FRAGE: Sind Money Management und Disziplin verknüpft?Nison: Nach meiner Erfahrung gehört bei einem Trader die Fähigkeit zu Verhaltensanpassungen zu den wichtigsten Eigenschaften. Es glaubt zwar niemand, dass der Markt immer Recht hat, aber so ist es. Der Markt liegt nie falsch. Der Trader liegt falsch, wenn er auf der falschen Seite des Marktes ist und Geld verliert. Ich lehre Kunden durch eine eigene Software namens Trading Triad die Kunst, ein Marktchamäleon zu sein. Triad ist lateinisch für drei, und die Methode ist wie ein dreibeiniger Hocker, besteht aus drei Werkzeugen und ergibt den Triad-Ansatz für das Handeln aller Märkte. Die Kerzenmuster sind natürlich das erste Bein; es umfasst das gesamte Spektrum der bekannten Kerzenmuster. Das zweite sind die westlichen technischen Indikatoren und erstreckt sich auf die allgemein üblichen Indikatoren wie Oszillatoren, Gleitende Durchschnitte, Volumen und traditionelle Chart-Muster. Das dritte Bein ist Money Management. Wenn eins der drei Beine fehlt, kippt der Hocker um.

FRAGE: Welches Rezept gibt es für Langzeiterfolg in den Märkten?Nison: Langzeiterfolg gibt es in den Märkten nur für solche Trader und Investoren, die sich das erforderliche Wissen und die Disziplin angeeignet haben, Money Management einzusetzen und zu befolgen. Ich habe viele gesehen, die Glückssträhnen hatten und glaubten, über Wasser gehen zu können. Glück geht jedoch irgendwann einmal zu Ende, und in einem solchen Augenblick sind es der richtige Gebrauch von Stopps, Positionsgröße und Risikoverständnis, die das Überleben des Kapitals eines Traders sichern. Money Management läuft letztlich hinaus auf das Setzen und Nachziehen von Stopps und auf Positionsgröße. Ein Kerzen-Chart kann Ihnen nicht sagen, wie viele Aktien oder wie viele Kontrakte Sie kaufen oder verkaufen sollen. Das kann auch kein Linien- oder Balken-Chart. Allerdings haben, wie oben angesprochen, Kerzen-Charts einen „ungültig“-Punkt, einen Punkt, an dem das entstehende Muster nicht mehr gültig ist. Zum Beispiel ist ein Hammer ein Muster, das anzeigt, dass im Markt eine Umkehr im Gange ist. In einem bärischen Markt ist das ein Hinweis darauf, dass die Bären die Kontrolle verlieren und die Bullen übernehmen. Das natürliche und angemessene Money Management ist in diesem Fall, einen Stopp einen Tick unter das Tief des Hammers zu platzieren. Wenn der Trading-Tag eine „Erweiterung des Bereichs“ bei deutlich erhöhter Volatilität gebracht hat, wird der kluge Trader seine Position staffeln und in den kommenden Tagen vergrößern, wenn der Hammer seine Bestätigung findet.

FRAGE: Jedem wird gesagt, er soll Stopps benutzen. Warum sind Stopps Ihrer Meinung nach so wichtig?Nison: Ein Stopp muss zum Zeitpunkt des Eingehens des Trades gesetzt werden, weil man dann am objektivsten ist. Sie dürfen nur im Markt bleiben, wenn er sich den Erwartungen entsprechend entwickelt. Wenn die nachfolgende Kursentwicklung diesen Erwartungen widerspricht oder sie nicht bestätigt, ist es Zeit zum Ausstieg. Wenn sich der Markt entgegen der gewählten Position bewegt, könnten Sie denken "Warum soll ich einen Stopp setzen? Es ist nur eine kurze Bewegung gegen mich." Dann halten Sie stur an der Position fest und hoffen, dass der Markt in Ihre Richtung dreht.
Halten Sie sich zwei Tatsachen vor Augen:
1. Alle langfristigen Trends fangen als kurzfristige Bewegungen an.
2. Im Markt ist kein Platz für Hoffnung. Der Markt geht seinen eigenen Weg, ohne Rücksicht auf Sie oder Ihre Position.
Dem Markt ist es egal, ob er Ihnen gehört oder nicht. Es gibt nur eine Sache, die schlimmer ist, als falsch zu liegen: falsch zu bleiben. Geben Sie Ihre Meinung auf, nicht Ihr Geld. Seien Sie stolz auf die Fähigkeit, Fehler früh zu erkennen. Ausgestoppt zu werden räumt einen Fehler ein. Die Menschen hassen es, Fehler einzugestehen, weil Stolz und Prestige betroffen sind. Gute Trader halten nicht zu sehr an Ansichten fest. Dem berühmten Investor Warren Buffet werden folgende zwei Regeln zugeschrieben: 1. Kapitalerhalt; 2. Vergiss nicht die erste Regel. Stopps sind gleichbedeutend mit Regel 1. Die Mittel eines Traders sind begrenzt. Diese Mittel sollen maximiert werden oder zumindest erhalten bleiben. Wenn Sie sich in einem Markt befinden, der sich gegen Ihre Position bewegt hat, ist es Zeit auszusteigen und eine bessere Gelegenheit zu finden. Betrachten Sie einen Stopp als Kosten des Geschäfts.
Weil so viele der japanischen Kerzenbezeichnungen auf militärischer Terminologie beruhen, sehen wir uns Stopps auch in diesem Kontext an. Jeder Ihrer Trades ist ein Gefecht – und Sie werden das tun müssen, was auch die größten Generale tun müssen: zeitweilige taktische Rückzüge antreten. Das Ziel eines Generals ist der Erhalt seiner Truppen und der Munition. Ihres ist der Erhalt Ihres Kapitals und Ihrer Gelassenheit. Manchmal müssen Sie ein paar Gefechte verlieren, um den Krieg zu gewinnen. Die Japaner haben ein Sprichwort: "Es lohnt sich, für den Fang eines Lachses einen Angelhaken zu verlieren." Wenn Sie ausgestoppt werden, betrachten Sie es wie einen verlorenen Angelhaken. Vielleicht erwischen Sie Ihren Gewinn mit dem nächsten Haken.

FRAGE: Können Sie uns ein Beispiel für ein Kerzenmuster und Money Management geben?Nison: Bild 1 zeigt einen grundlegenden Aspekt des Kerzen-Chartings. Erfolgreiches Kerzen-Charting erfordert nicht nur das Verstehen der Kerzenmuster selbst, sondern auch der Situation ihres Vorkommens und den Zusammenhang mit Chance-Risiko-Analyse. Man sollte immer den Chance-Risiko-Aspekt beachten, bevor ein Trade aufgrund eines Kerzenmusters oder einer Kerzenlinie platziert wird.
Der Hammer, der am 12. März 2003 entstand, ist ein perfektes Beispiel für das Risiko im Vergleich zur Gewinnerwartung. Dieser Hammer hat ein Risiko von 15 SP500-Punkten. Wenn der Trader Bedenken hatte, gleich eine volle Position einzugehen, bot ihm der Hammer die Gelegenheit, Teilpositionen zu nehmen und die Charts später die Richtung bestätigen zu lassen. In diesem Fall lief der Markt etwa 90 S&P 500-Punkte an den, dem Signal folgenden Tagen. Wir raten häufig dazu, wenn der Markt die Gelegenheit dazu bietet, das Risiko zu reduzieren und nachzukaufen, wenn der Markt sich in den Schatten des Hammers zurückbewegt.
Ein Aspekt des Hammers ist, dass er nach einer signifikanten Abwärtsbewegung oder in einem überverkauften Markt auftreten muss, um Aussagekraft zu besitzen. Der Hammer ist ein Umkehrindikator und braucht also einen Abwärtstrend, um ihn umzukehren. Ein Hammer, der nach einem Kursrückgang von ein oder zwei Tagen auftritt, hat normalerweise keine Bedeutung. Weil der Hammer am nützlichsten nach einer signifikanten Abwärtsbewegung ist, ist zu beachten, dass es Verkäufe nach einer dem Hammer folgenden Rallye geben kann. Deshalb kann der erste Aufschwung nach dem Hammer versagen, und der Markt kann umkehren und die Unterstützung des Hammers noch einmal testen.
Auf einen Hammer hin einen Trade einzugehen, hängt daher von der Aggressivität bzw. Risikoscheu eines Traders ab. Einige Trader werden sich für einen sofortigen Kauf nach dem Hammer entscheiden, falls der Markt nicht noch einmal für einen Test des Hammers umkehrt. Andere Trader wollen vielleicht abwarten, ob der Markt zum Hammer zurückkehrt, und falls ja, kaufen sie bei dieser Umkehrbewegung. Wenn der Markt den Unterstützungsbereich des Hammers noch einmal erfolgreich testet, ist das eine solidere Basis und Chance für eine Rallye. Eine Methode, die ich unseren Kunden manchmal empfehle, ist, versuchshalber eine kleine Long-Position nach dem Hammer einzugehen und sie danach zu verstärken, falls es einen erfolgreichen Test des Hammers gibt. Gleich welche Methode angewendet wird, ein Stopp könnte unter den Tiefs des Hammers gesetzt werden.

FRAGE: Sie sagen also im Grunde genommen, dass ein isolierter Blick auf das Muster nicht ausreicht?Nison: Jeder Trader, der sich nicht um den Zustand des Marktes kümmert, bittet geradezu um einen Verlust und einen Angriff aus dem Hinterhalt. Der Trader muss mit anderen Worten das übergeordnete technische Bild und die Marktbedingungen beachten, bevor er mit den Kerzen handelt. Effektives Money Management erfordert nicht nur die Kenntnis der Kerzenmuster, sondern auch eine Politik mit geeigneten gesunden Handelsstrategien und -taktiken. Es ist unglücklich, dass sich manche Trader zwar mit Kerzenmustern, aber nicht mit solchen Taktiken auskennen. Der Kerzen-Chart ist ein Werkzeug, das zusammen mit anderen Handelsmethoden zu verwenden ist.
Wie bereits gesagt ist ein Händler am objektivsten bezüglich einer Position bevor er sie eingeht. Zu diesem Zeitpunkt sollte er untersuchen, wo er mit seiner Prognose falsch liegt. Es muss immer einen Kurs geben, zu dem Sie sagen, Ihre Prognose ist falsch.
Egal wie zuverlässig die von Ihnen verwendeten technischen Tools sein mögen, es gibt immer Zeiten, in denen die so erhaltenen Signale falsch sind. Viele Kerzenmuster können zu Unterstützungs- und Widerstandsbereichen werden. Zum Beispiel wirkt ein Dark Cloud Cover vielfach als Widerstand. Trader die short sind, können als Schutz einen Kaufstopp bei einem Schluss über dem Hoch des Dark Cloud Cover legen.

FRAGE: Spielt „Geduld“ bei Ihrem Ansatz eine Rolle?Nison: Ich stelle oft fest, dass meine Seminare ein neues Vertrauen bei den Teilnehmern bewirken. Sie sehen das von den Kerzen ausgehende "Licht". Sie können dann kaum darauf warten, an ihren heimischen PC zu kommen und einen Trade aufgrund eines Kerzenmusters zu platzieren. Aber – wie das japanische Sprichwort sagt – es gibt eine Zeit für den Kampf und eine Zeit der Ruhe. Ein Trader muss auf den richtigen Zeitpunkt für den Einstieg warten, und der Anblick eines sich entwickelnden Musters heißt nicht, dass der Zeitpunkt richtig ist. Ich versuche, meinen Tradern klar zu machen, dass einer der wichtigsten Aspekte bei der Bestimmung des "richtigen Moments" die Prüfung der Chance-Risiko-Situation im Augenblick der Entstehung eines Kerzenmusters ist.

FRAGE: Verwenden Sie ein bestimmtes Verhältnis bei Ihrem Chance-Risiko-Ansatz?Nison: Ich möchte ein Verhältnis von zwei zu eins oder besser sehen. Aber bei Kerzen-Charts bekommen Sie häufig noch viel bessere Kennzahlen. Ein Stopp zur Festlegung des Risikos eines Trades ist eine der Komponenten im Bild von Risiko und Gewinn. Die andere Komponente ist das Kursziel des Trades oder die potenzielle „Belohnung“. Es gibt viele Wege zur Festlegung von Kurszielen, von Elliott-Wellen bis zu vergangenen Unterstützungs- und Widerstandsniveaus. Weil Kerzen-Charts gewöhnlich kein Kursziel liefern, empfehle ich meist die Kombination westlicher Techniken mit Kerzen. Kerzen eignen sich ausgezeichnet für Umkehr- oder Fortsetzungssignale, während westliche Werkzeuge wie Retracements oder Trendlinien bei den Kurszielen helfen können.
Es ist ganz wichtig, einen Trade nicht einzugehen, wenn bei der Vollendung des Kerzenmusters kein attraktives Chance-Risiko-Verhältnis vorliegt. Ein japanisches Sprichwort sagt: "Sein Potenzial ist wie das eines gespannten Bogens – sein Timing der Moment des Loslassens." Das Timing des "Loslassmoments" hängt vom Chance-Risiko-Aspekt des Trades ab. Es gibt Zeiten, in denen Sie nicht loslassen sollten. Zum Beispiel sollte ein Trade ohne ein attraktives Chance-Risiko-Verhältnis beim Entstehen eines bullischen oder bärischen Kerzenmusters ignoriert werden – es sei denn natürlich, er dient zum Ausgleich einer bestehenden Position. Sie sollten dem Markt auch fern bleiben, wenn sich große weiße und schwarze Kerzen abwechseln. Das wird am besten mit einem anderen Sprichwort erklärt: "Es macht keinen Spaß, umsonst zu sterben".

FRAGE: Waren Sie bärisch, als der NASDAQ über 5000 stieg?Nison: Eines meiner Prinzipien im Money Management ist, dass wir zu technischer Analyse greifen, um die Wahrscheinlichkeiten des Trades zu bewerten. Wir wollen die Wahrscheinlichkeit auf unserer Seite haben, um das Risiko so klein wie möglich zu halten und die Gewinnaussichten zu maximieren. Ich erreiche das mit Hilfe einer Gruppe von Indikatoren wie östlichen Kerzenmustern. Das Ergebnis lasse ich durch westliche Indikatoren bestätigen.
Bilder 2 und 3 zeigen, wie ich die (damaligen) Allzeithochs des NASDAQ analysiert habe. Das Hoch wurde am 10. März 2000 erreicht. Wir hatten ein bärisches Engulfing Pattern auf dem Stunden-Chart. Das war natürlich keine große Sache, nur auf dem Stunden-Chart. Es ist nur einer aus einer Gruppe von Hinweisen.
In Bild 3 sehen Sie die gepunktete blaue Linie, eine ansteigende Widerstandslinie. Was ich tat war also das Analysieren eines Marktes, bei dem es keine Referenz zu vorheriger Unterstützung oder Widerstand gab, weil wir neue Allzeithochs hatten. Eine ansteigende Widerstandslinie kann ein Argument für einen ein Top bildenden Markt sein, wenn Sie ihn im Zusammenhang mit einer Umkehr in den Kerzen-Charts sehen. Punkt 2 zeigt einen Shooting Star, das Markttop auf Widerstand gestoßen war. Der Shooting Star ist selber ein Umkehrmuster. Bei Punkt 3 haben wir eins meiner Lieblingsmuster, ein Falling Window, auch als Abwärtslücke bekannt. Punkt 4 zeigt eine negative Divergenz im MACD-Indikator, was allein nicht immer zuverlässig ist, aber es trug zu der Geschichte bei, die ich zusammenstellte. Alles fing mit einem kleinen Signal im Stunden-Chart am 10. März an. Bei 5 hatten wir ein Versagen, weil der Markt es nicht schaffte, über der Widerstandslinie zu schließen. Der aufmerksame Trader hatte viele Hinweise, um Short-Positionen mit sehr geringem Risiko einzugehen, obwohl der Trend eindeutig aufwärts wies. Diese beiden Charts sind ein gutes Beispiel dafür, dass östliche Kerzen und westliche Techniken zusammen mit Money Management dem Trader ausgezeichnete potenzielle Belohnungen für sein Risiko bieten.

FRAGE: Gibt es viele Ähnlichkeiten zwischen östlichem Kerzen-Trading und westlichen Formationen?Nison: Es gibt natürlich einige, aber nicht besonders viele. Bild 1 zeigt das Schulter-Kopf-Schulter-Muster, wie es jeder Trader kennt. In der östlichen Terminologie nennen wir es die 3 Buddhas. Der Chart zeigt den Gebrauch der Wenn-Dann-Regel, bei der ich als Trader sage: "Wenn wir unterhalb der Nackenlinie des Musters schließen, dann gehe ich 50 Prozent meiner Gesamtposition ein", oder was immer sich aus meinem Money Management ergibt. Die Grundlage des Trades ist ein Ziel, das der Distanz vom kürzlichen Hoch zur Nackenlinie entspricht. Dies ist ein westlicher Ansatz, der uns ein Kursziel gibt. Vom Standpunkt des Money Management setzt der Trader seinen Stopp eben über der hohen schwarzen Kerze, die unter der Nackenlinie geschlossen hat. Dieser Stopp sollte so schnell wie möglich bis knapp über die gepunktete rote Linie bewegt werden, weil jeder Schluss über der roten Linie das Muster ungültig werden ließe. Das eröffnet endlose Gelegenheiten für den Trader, weil das Risiko so klar festgelegt werden kann.

FRAGE: In Ihren Seminaren sprechen Sie über Wechsel der Polarität. Können Sie das Konzept bitte erklären?Nison: Ich kann nicht genug betonen, wie wichtig es ist, die Kerzen im Zusammenhang mit dem Gesamtmarkt zu sehen anstatt nur das einzelne Muster. Wenn Sie den Markt nur isoliert anhand eines einzelnen Musters sehen, entgeht Ihnen das Gesamtbild, was sehr gefährlich sein kann. Der Japaner sagt dazu, dass es wie das Anlehnen einer Leiter an die Wolken ist… es ist wirklich sehr gefährlich.
Als Investor möchte ich gern einen Überblick haben. Bilder 4 und 5 erklären, was ich meine. Es handelt sich um einen Wochen-Chart des S&P 500. Der Markt ist aus dem Widerstandsbereich nach oben ausgebrochen und hat den Bereich noch einmal getestet. Der Markt hatte einige bärische Kerzensignale gehabt, wie einen Doji, bei dem Eröffnung und Schluss gleich waren. Nach dem Shooting Star hatten wir eine schwarze Kerze um die weiße Kerze, auch Bearish Engulfing Pattern genannt. Wir sehen in diesem Markt eine Reihe negativer Zeichen, aber wirklich wichtig ist, den Zusammenhang mit dem größeren Bild herzustellen. Während ganz kurzfristig Anzeichen für einen Trendwechsel vorliegen, sieht es im Überblick ganz anders aus. Eine meiner bevorzugten Regeln, wenn ich einen Markt angehe, nennt sich Wechsel der Polarität. Potenziell wird alte Unterstützung zu neuem Widerstand, und alter Widerstand wird zu neuer Unterstützung. Auf diesem Chart sehen Sie einen mehrfachen Test des Widerstands, bevor er gebrochen wird. Einmal gebrochen wird er zu einer starken Unterstützungszone. Dieser Bereich lag im S&P 500 zwischen 955 und 960. Deshalb müsste er sich bis unter 955 bewegen, damit ich bärisch werde.
In Bild 5 sehen Sie, wie es weiterging. Trotz der bärischen Signale blieb ich bullisch, so lange wir 955 gehalten haben. Wenn Sie Range-Trading machen ist mein Werkzeug, dass der Markt nach dem Bruch der Range auf das nächste Niveau handeln sollte, das in der Breite dem vorigen Bereich entspricht. Das gibt mir ein Ziel, das ich aus der Sicht des Money Management dazu verwende, meine Ertragserwartung im Vergleich zum Risiko zu berechnen. Ein Ziel zu setzen, ist in diesem Zusammenhang wichtig, weil es mir erlaubt, das Potenzial des Trades eindeutig zu ermitteln. Es ist aber mein Gefühl, dass man gleich einen Teil des Gewinns der Position mitnehmen sollte, wenn der Trade in Ihre Richtung geht, um die Commission und die Kosten des Stopps hereinzuholen. Mit anderen Worten sollten Sie den Gewinn auf einen Teil der Position mitnehmen, um die Gewinnschwelle für den Rest zu erreichen, falls Sie ausgestoppt werden.

FRAGE: Sie geben nun auch zwei Seminare in Deutschland, freuen Sie sich darauf?Nison: Ich reise gern nach Europa. Ich habe das Glück, mein eigenes Seminar Ende September zu geben und im November anlässlich der TradersWorld 2005 (weitere Informationen zur TradersWorld 2005 finden Sie übrigens in der der nächsten Ausgabe von TRADERS´) zu sprechen. Das Seminar findet am Flughafen Frankfurt statt. Ich selbst bin des Deutschen zwar nicht mächtig, aber wir werden Simultandolmetscher haben, die die ganze Veranstaltung live übersetzen werden.

B1) Der Westen trifft den
Im Chart ist zu erkennen, dass klassische westliche Muster, wie beispielsweise eine Kopf-Schulter-Formation, oft auch in den östlichen Kerzencharts (dort werden Sie "3 Buddhas" genannt) zu erkennen sind. Das Beispiel des Hammers zeigt, dass es nicht ausreicht, einfach nur eine Formation zu erkennen, sondern wie wichtig es ist, die Formation in ihrem Zusammenhang zu interpretieren.

B2) Allzeithoch im NASDAQ
Ein bärisches Engulfing Pattern im Nasdaq-Stundenchart markierte das Allzeithoch. Bis heute wurden diese Kurse nicht mehr gesehen.

B3) Allzeithochs im NASDAQ
Das Bild zeigt die Topbildung im Nasdaq in einem größeren Ausschnitt. Punkt 3 zeigt eine von Nison´s Lieblingsformationen, das "Falling Window".

B4) Wochen-Chart S&P 500 – Chart 1
Der Chart zeigt eine Reihe bärischer Signale, am wichtigsten ist jedoch der übergeordnete Zusammenhang. Kurzfristig liegen Zeichen für einen Trendwechsel vor, im Überblick aber sieht es ganz anders aus.

B5) Wochen-Chart S&P 500 – Chart 2
Die Fortsetzung von Bild 4 zeigt, wie aus dem ehemaligen Widerstand eine Unterstützung wird. Nison nennt dies den "Wechsel der Polarität".

Quelle: Traders-Magazin

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