Kommentar
09:59 Uhr, 17.12.2008

Interview mit Steenbarger: Garten-Eden-Fantasie oder das Überleben der Lernkurve

Brett N. Steenbarger ist Buchautor und Trader. Er promovierte 1982 in klinischer Psychologie. Nachdem er lange in verschiedenen Bereichen als Berufspsychologe gearbeitet hatte, beschloss er schließlich mit professionellen Tradern zu arbeiten, wo er auch das Trainingsprogramm für neue Trader koordinierte. Er ist seit Ende der 1970er Jahre selbst auf den Finanzmärkten aktiv engagiert. Als Trader leistete er bemerkenswerte Arbeit und Forschungen auf dem Gebiet historischer Chart-Muster und kurzfristiger Kursbewegungen. Und schließlich ist er einer der wenigen Menschen, die auch in einem anderen Bereich – Psychologie – Spezialist sind und in der Lage, seine bemerkenswerten Gedanken über diese Synthese in seinen Publikationen zu vermitteln. Für TRADERS’-Redakteur Felix Albus war es ein großes Vergnügen ihn zu treffen und die Garten-Eden-Fantasie, die Verbindung zwischen Kompetenz, Performance-Steigerung und Berufssport sowie ausgefallene Multi-Indikator-Analyseansätze zu diskutieren.

Das folgende Interview wurde vom TRADERS Magazin geführt.

Frage : Brett, welches ist die wichtigste Trading-Lektion? Und warum?
Brett N. Steenbarger: Die wichtigste Trading-Lektion ist, dass Trading eine Leistungsdarbietung ist, nicht anders als eine Leistungsdarbietung im Sport, im Schauspiel oder in den Künsten. Es erfordert Talent (angeborene Fähigkeiten), Wissen (gelernte Kompetenz) und eine lange Zeit der Entwicklung, in der reine Kompetenz zur Meisterschaft reift. Es ist wie im Sport und in den Künsten – viele sind gerufen, wenige sind auserwählt.

Frage : Wie ist Ihr Interesse an Trading entstanden? War es schon immer Leidenschaft oder kam es durch Zufall?
Steenbarger: Nein, ich würde sagen, dass Psychologie meine Leidenschaft ist und Trading ein seit langem bestehendes Interesse. Ich hatte von meinem Großvater und Vater etwas über den Aktienmarkt gehört und wählte Aktienbroker als mögliche Laufbahn in einem Forschungsprojekt der achten Klasse. Ich begann mit dem Handel in den späten 1970ern als Graduate Student, widmete mich Untersuchungen über Trading aber erst in den späten 1990ern ernsthaft. Meine Erfahrung als Trader führte dazu, dass ich die Beziehung zwischen Psychologie und Trading untersuchte und 2002 begann, ein Buch über das Thema zu schreiben. Das Buch war der Grund weshalb ich anfing, als Psychologe mit professionellen Tradern zu arbeiten, zuerst in Eigenhandelsunternehmen und dann bei Investmentbanken und Hedgefonds. Von besonderem Nutzen war dabei, dass ich an meine Arbeit als Psychologe und als Trader herangehen konnte. Es wäre sehr schwierig gewesen, mit Tradern zu arbeiten ohne zu verstehen, woraus ihre Tätigkeit besteht.

Frage : Was macht Trading für Sie so interessant?
Steenbarger: Für mich ist es das intellektuelle Puzzle und die Herausforderung zur Leistung. Es geht darum, den eigenen Verstand gegen die Besten zu setzen und das Ergebnis sofort vor Augen zu haben. Trading entspricht meiner Neigung zum Wettbewerb; es ist die ultimative unternehmerische Aktivität.

Frage : Sie sind auch Experte in Psychologie. Welche Verbindung besteht zwischen Trading und Psychologie?
Steenbarger: Auch? Ich betrachte mich eigentlich nicht als Experte im Traden. Ich bin ein erfahrener Anfänger. Meine Rettung ist, dass ich nie vergesse, dass ich Lernender in den Märkten bin. Mein Fachbereich ist kurzfristige Therapie: Ansätze für emotionale und verhaltenstechnische Änderungen. Psychologie kann Wissen beim Traden nicht ersetzen, genau so wenig wie in anderen Leistungsbereichen. Aber wenn Trader ihre Fähigkeiten trainieren, kann Psychologie bei der Beständigkeit und Performance-Verbesserung helfen. Ich halte Psychologie beim Aufbau und bei der Erweiterung von Stärken für hilfreicher als bei der Behandlung/Beseitigung von Defiziten. Ich bin viel interessierter daran, talentierten und qualifizierten Leuten dabei zu helfen, Größe zu erreichen, als die Probleme in Schwierigkeiten befindlicher Einzelpersonen zu korrigieren. Trading ist eine großartige Arena für den Einsatz positiver Psychologie, weil Ergebnisse greifbar sind und sofort sichtbar werden.

Frage : Viele Leute sind vom Traden und der Vorstellung fasziniert, ständig mit nichts als einem Laptop und einer Internet-Verbindung Geld zu verdienen. Was ist der Grund dafür?
Steenbarger: Häufig ist es die Garten-Eden-Fantasie: Die Faszination, Wohlstand ohne die Last der Arbeit zu genießen. Die Ironie ist, dass die sehr erfolgreichen Trader und Portfolio-Manager, mit denen ich arbeite, sich nicht von den sehr erfolgreichen Ärzten aus der Zeit meines Medizinstudiums unterscheiden: Sie sind sehr zielstrebig, arbeiten viele Stunden und verbessern ständig ihre Kenntnisse und Fertigkeiten. Die Vorstellung, dass Geld aus einem Laptop und einer Internet-Verbindung fließen kann (plus ein paar guter „Setups“) ist eine Fantasie – und dabei nicht einmal eine besonders reizvolle. Wenn ich in den Garten Eden versetzt werden würde, wäre mein erster Impuls herauszufinden, wie ich kreativ und produktiv sein könnte.

Frage : Man braucht nur ein Broker-Konto einzurichten und kann mit ein paar Klicks auf dem Bildschirm mit dem Traden anfangen. Ist es nicht gefährlich, wenn etwas so Kompliziertes so einfach zu sein scheint?
Steenbarger: Keine Frage, besonders wenn eine große Hebelwirkung nicht nur zur Verfügung steht, sondern von skrupellosen Brokern auch noch gefördert wird. Ich sage den Leuten häufig, dass sie erst durch Beobachten lernen sollen, dann durch Traden im Simulationsmodus, dann durch Traden kleinster Positionen. Das Geheimnis für den Erfolg ist, dass Sie Ihre Lernkurve überleben. Wenn Sie vom ersten Tag an vom Traden leben wollen, ist das nichts anderes, als die Golflaufbahn auf der PGA-Tour zu beginnen: Sie werden vernichtet.

Frage : Es wird gesagt, dass die meisten Trader effektiv Geld verlieren. Was machen sie falsch?
Steenbarger: Die meisten Trader setzen ihr Kapital dem Risiko aus, bevor sie die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten entwickelt haben, um Verschiebungen von Angebot und Nachfrage in ihren Märkten akkurat zu lesen. Sie haben keinen echten Vorteil in ihrem Trading, sondern verlassen sich stattdessen auf oberflächliche Indikatoren für die Marktrichtung. Bei den Kosten für Ausrüstung, Software, Brokergebühren und Slippage – und in Ermangelung von hochwertigen Trainingsprogrammen und Informationsnetzwerken – überrascht es nicht, dass so viele Trader versagen.

Frage : Wie ist Ihre Definition für einen Trader? Ist es einfach jemand, der den Kauf-Button anklickt oder müssen zumindest Indikatoren und Stopps benutzt werden?
Steenbarger: Ein Trader ist jemand, der aktiv auf Bewegung im Markt spekuliert und durch Recherchen oder diskretionäre Beurteilung Veränderungen der Kurse antizipiert. Ich glaube nicht, dass die Definition eines Trades irgendeine bestimmte Herangehensweise an das Trading voraussetzt.

Frage : Was müsste man tun, um ein beständiger Gewinner zu werden? Gibt es etwas wie einen „Masterplan“, der den Erfolg garantiert? Wie sehen Sie das?
Steenbarger: Als ich „Enhancing Trader Performance“ schrieb, habe ich versucht, auf der Basis von Forschungen in anderen Bereichen zu beschreiben, wie ein Masterplan zur Entwicklung von Kompetenz und Fachwissen aussehen könnte. Intensive Beobachtung, praktische Übung, Feedback und Bemühung um Korrekturen schaffen Lernschleifen, die das Können im Laufe der Zeit erweitern. Die konstante Arbeit an den eigenen Fähigkeiten perfektioniert das Wissen.

Frage : Wieviel Zeit braucht es, bis man erfolgreich wird?
Steenbarger: Jahre, nicht Wochen oder Monate – und das gilt in jedem Leistungsbereich. Die Vernachlässigung dieser Realität ist individuell vielleicht die größte einzelne Ursache für Versagen beim Traden. Wir können die Lernkurve mit einer strukturierten Herangehensweise beschleunigen, aber ohne Lernkurve geht es nicht.

Frage : Bedarf es eines gewissen Talents, um zum Gewinner zu werden? Gibt es Leute, die wirklich besser als andere sind? Worin liegt der Unterschied?
Steenbarger: Oh ja, es gibt sehr erfolgreiche Trader mit den ich arbeite. Sie haben hoch entwickelte Fähigkeiten, überlegene Informationsquellen und einen ungewöhnlichen Antrieb zu Meisterschaft und Selbstverbesserung. Die meisten arbeiten außerhalb der Handelsstunden mehr als während des eigentlichen Tradings. Als Regel könnte man sagen: Diejenigen, die außerhalb der Handelszeit nicht an ihrem Trading arbeiten, halten sich nicht. So wie ein Athlet, der sich zwischen den Wettkämpfen nicht fit hält oder trainiert.

Frage : Lassen Sie uns über Ihr letztes Buch sprechen, „Enhancing Trader Performance“. Welche Idee oder Inspiration steht dahinter? Welches grundlegende Konzept versuchen Sie durch das Buch zu kommunizieren?
Steenbarger: Wie gesagt, ich habe versucht darzulegen, wie ein Masterplan für die Entwicklung von Kompetenz und Meisterschaft aussehen könnte.

Frage : Sie erwähnen viele bedeutende Menschen wie Michael Jordan, Ray Kroc oder Tiger Woods, die keine berühmten Trader sind. Was kann man von diesen sagenhaften Menschen lernen – besonders als Trader?
Steenbarger: Das sind Persönlichkeiten, die eine Nische gefunden haben: Einen Leistungsbereich, der ihrem Können, ihren Talenten und Interessen entspricht. Ihre Arbeit hat sie gefangen genommen und sie sind ihr verfallen. Die Liebe zu ihrer Arbeit und ihre Leistungsbereitschaft haben sie zu ungewöhnlichen Höhen des Erfolgs geführt. In der Trading-Welt ist es nicht anders – und ebenso wenig in anderen Leistungsbereichen. Größe ist mehr als nur gut in etwas zu sein: Größe ist, wenn Beruf zum Ruf wird und Fähigkeiten zu Meisterschaft.

Frage : Warum ist es so wichtig, kompetent zu sein?
Steenbarger: Kompetenz ist eine Station auf dem Weg zur Meisterschaft. Bei einer Leistung werden wir zuerst kompetent; nur mit großer Hinwendung blüht diese Kompetenz auf und wird zu Meisterschaft. Kompetenz erledigt Dinge auf konventionelle Weise gut; Meisterschaft tut die Dinge ungewöhnlich gut.

Frage : Wenn man zum Beispiel seinen Führerschein macht, braucht man keinen solchen Unterricht in Performance-Training. Studenten würden auch nicht daran denken, ihre Leistung so zu steigern. Sollten sie das aber?
Steenbarger: Gute Frage. Wenn man einfach nur Autofahrer sein will, braucht man sich um elitäre Leistungsentwicklung nicht zu kümmern. Dafür reicht Kompetenz. Wenn man ein Weltklasse-Rennfahrer werden will, muss man sich mit Leistungssteigerung auseinander setzen. Ganz ähnlich an der Universität; wenn man nur bestehen will, reicht Kompetenz. Wenn man an der Spitze abschließen und einen elitären Studiengang belegen will, ist Leistungssteigerung ein Thema. Es ist alles eine Frage der Ziele und Ambitionen, die man hat.

Frage : Gibt es andere Bereiche als Trading, in denen mentales Coaching oder Performance-Training erforderlich sind? Was tut die NASA?
Steenbarger: Oh ja, natürlich: Profi-Sport, das Militär und darstellende Künste fallen mir da sofort ein.

Frage : Haben Sie als Coach auch schon andere Leute als Trader betreut?
Steenbarger: Nein. Ich glaube, es gehört ein gewisses Maß an inhaltlicher Expertise dazu, um als Coach erfolgreich zu sein. Ich verstehe Trading, aber keine anderen Leistungsbereiche.

Frage : Wann beginnen die Leute schließlich zu fühlen, dass sie ihre Leistung gesteigert haben?
Steenbarger: Wenn sie spezifische Ziele setzen, spezifische Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele ergreifen und ihre Performance dann verfolgen, um ihre Verbesserung zu bewerten.

Frage : Gut, nach all dem bleiben aber noch bestimmte Trading-Strategien, Stile und Systeme, die im täglichen Handel anzuwenden sind. Was können Sie uns darüber lehren? Was ist wichtiger: Nicht pleite zu gehen oder schnell reich zu werden?
Steenbarger: Risiko-Management ist vielleicht die wichtigste Zutat bei allem erfolgreichen Trading. Das beinhaltet das Managen aller einzelnen Trades und das Managen ganzer Portfolios. Man kann das Spiel nicht gewinnen, wenn man nicht im Spiel bleibt.

Frage : Traden Sie selbst? Welche Art Trader sind Sie? Liegen Sie im Gewinn? Wie viel?
Steenbarger: Ich trade in Teilzeit; im Augenblick sehr teilzeitig in Anbetracht meiner Arbeitsbelastung durch die Arbeit mit anderen Tradern und der Zeit, die ich auf das Schreiben meines dritten Buches verwende. Als Teilzeit-Trader versuche ich, mehr als den risikolosen Ertrag nach Kosten zu erwirtschaften, den ich mit Staatsanleihen oder einem Banksparplan erzielen könnte. Ich versuche nicht, für meinen Lebensunterhalt zu traden – nur zur Einkommensverbesserung. In den vergangenen vier Jahren habe ich dieses Ziel erreicht. Ich würde mich einen kompetenten Trader nennen.

Frage : Welches ist Ihre größte Schwäche als Trader?
Steenbarger: Das ist leicht: Ich bin risikoscheu. Ich begrenze meine Drawdowns auf höchstens ein paar Prozent. Ich stelle das Traden schnell ein (und stoppe Trades aus), wenn es nicht nach meiner Vorstellung läuft. Das verringert meine Verluste, verhindert aber auch, dass ich ernsthaft Geld verdiene.

Frage : Was war Ihre schlimmste Erfahrung an den Märkten? Irgendwelche großen Verluste oder Enttäuschungen? Wie hat Sie das verändert?
Steenbarger: Ich habe den Boden des Marktes im August 1982 ignoriert und besaß eine große Menge Aktien. Das hat die Gewinne eines Jahres ausgelöscht und mir für immer die Wichtigkeit von Risiko-Management beigebracht. Es war eine sehr schwierige Erfahrung.

Frage : In Ihrem Blog steht, dass Sie sich für das Auffinden historischer Muster interessieren. Wie können wir davon profitieren?
Steenbarger: Wenn man zum Beispiel Aktienmarkterträge nach Perioden von fünf oder zwanzig Tagen Stärke den Perioden von fünf oder zwanzig Tagen Schwäche gegenüber stellt, findet man geringere Erträge nach Marktstärke und höhere Erträge nach Marktschwäche vor. Solche Information kann man beim kurzfristigen Handel verwenden, und es hilft bei der Ausführung von längerfristigen Trades und Anlagen.

Frage : Das klingt interessant. Hätten Sie wohl ein Beispiel eines Ihrer Trades?
Steenbarger: Gern, blicken wir auf Bild 1. Ich habe ziemlich lange darauf gewartet, diesen Trade zu machen, und er hat sich schön bezahlt gemacht. Beachten Sie auf dem MarketDelta-Chart, dass die Verkäufe an den Tiefs höherer Kurse aufhörten und dass das Briefvolumen vor dem Ausbruch anstieg. Unten am Boden, X-Achse, sehen Sie, wie das Gesamtvolumen beim Ausbruch ansteigt, was institutionelle Beteiligung anzeigt. Der Schlüssel war jedoch die vorherige Trading-Range und die Verlagerung des Volumens mit dem Fortschreiten der Range. Wenn man viele Beispiele solcher Bewegungen studiert, wird man zunehmend sensibel für sie in Echtzeit.

B1 Beispiel MarketDelta, S&P 500 Intraday Chart
Dieser MarketDelta-Chart zeigt seine Effektivität deutlich. Je dunkler die Farbe, desto mehr Volumen gab es auf dieser Seite: grün = Brief, rot = Geld. Dunkelgrün bedeutet zum Beispiel, dass aggressiv gekauft wird.

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Frage : Wie setzen Sie Risiko- und Money Management ein?
Steenbarger: Ich gehe mit einem kleinen festen Teil meines Kapitals bei jedem Trade ins Risiko. Ich stelle den Handel für den Tag oder die Woche ein, wenn ich mehr als einen Zielbetrag verliere – und dieser Zielbetrag ist niedrig. Ich erhöhe den Einsatz, wenn ich gut trade und die Märkte gut beurteile; ich verringere den Einsatz, wenn ich nicht mit dem Markt im Einklang bin. Diese Anpassungen nehme ich sehr schnell vor. Ich will sicherstellen, dass ich von der Spitze zum Boden nie mehr als fünf Prozent verliere. Ich weiß, dass das sehr konservativ ist, aber das hat gut bei mir funktioniert. Ich ziele auf kleine regelmäßige Erträge ab – nicht auf Home Runs. Ich glaube definitiv nicht, dass jedermann auf diese Weise traden sollte, aber die Disziplin ist gut für mich. Geld habe ich erst verdient, nachdem ich aufhörte, welches zu verlieren.

Frage : Ist es wichtig, für alles feste Regeln zu haben, oder würden Sie sagen, dass es auch wichtig ist, intuitive und diskretionäre Elemente zu behalten?
Steenbarger: Trader haben recht unterschiedliche Einstellungen bezüglich Regeln/Analyse im Verhältnis zu Intuition und Ermessen. Man muss wissen, wie man Information am besten verarbeitet. Ich glaube allerdings, dass es auch für diskretionäre Trader von Nutzen ist, Regeln zu haben und sich an sie zu halten, insbesondere beim Risiko-Management; zu wissen, welchen Märkten man fern bleibt, und so weiter. Man kann sich auf Intuition verlassen und trotzdem in einem von Regeln bestimmten (wenn auch nicht mechanischen) Umfeld operieren.

Frage : Nehmen wir ein anderes Beispiel. Was ging dort vor? Warum sind Sie diesen speziellen Trade eingegangen?
Steenbarger: Blicken Sie auf Bild 2. Wir sehen die Marktaktivität nach einem scharfen Anstieg im Gefolge der Fed-Nachrichten. Der Markt konsolidierte dann zwischen 1:25 und 2:15 PM CT, bevor er wieder nach oben ausbracht. Ich war bei einem sehr erfolgreichen Trader in Chicago, der in seinem Büro tradete, während sich diese Bewegung entwickelte. Er fing sie perfekt ein und machte innerhalb von Minuten einen schönen fünfstelligen Gewinn. Er erkannte, wie die großen Trader vorgingen und folgte denen, die letztendlich den Markt bewegten. Der Chart aus dem MarketDelta-Programm zeigt wiederholte Kauf- und Verkaufsschübe vom 1:40-Balken bis zum 2:10-Balken. Die grauen Zahlen unten, X-Achse, sind die kumulierten zum Briefkurs minus der zum Geldkurs gehandelten Kontraktzahlen für jeden 5-Minuten-Balken. Beachten Sie, dass es zu keiner Zeit eine einseitige Volumen-Dominanz beim Geld während der Konsolidierung gab. Als der Markt neue Tiefs bei 1301,75 bei den 2:10- und 2:15PM-Balken versuchte, trocknete das Volumen aus – die tieferen Levels zogen keine weiteren Verkäufer an. Das stellt entscheidende Information dar, die jemand vermutlich übersehen hätte, der nur auf die Kurse achtet. Sehen Sie sich jedoch die großen schwarzen Zahlen unten an jedem Balken an. Das sind die Zahlen der Aktien in einem Korb, den ich zusammengestellt hatte, die neue 5-Minuten-Hochs minus 5-Minuten-Tiefs in jedem 5-Minuten-Segment des Marktes machten. Diese Information erhielt ich in Echtzeit aus dem Trade-Ideas-Programm. Der Aktienkorb sollte vier Hauptbereiche aus dem S&P500-Index repräsentieren: Verbraucher, Zyklische, Technologie und Finanztitel. Jede Aktie wird aktiv gehandelt und korreliert gut mit dem Gesamtindex und mit seinem speziellen Sektor.
Beachten Sie, dass es im Verlauf der Konsolidierung netto weniger neue Tiefs versus neue Hochs bei den Aktien im Korb gibt. Der 2:15PM-Balken war eine besonders interessante Periode, weil es 16 neue Tiefs, in der Zeit aber 19 neue Hochs gab. Was passierte war, dass zwar einige Aktien 5-Minuten-Tiefs machten, aber andere auf neue Hochs stiegen. Das war ein eindeutiges Zeichen dafür, dass viele Sektoren nicht an der Schwäche teilnahmen. Das war ein schönes frühes Signal dafür, dass die Konsolidierung des Marktes zu Ende ging. Auf dem Chart ist zu erkennen, dass Käufer aggressiv in den Markt kamen und den Kurs hoch trieben, nachdem eine Anzahl Aktien nicht an der Schwäche teilnahm und das Brief-Volumen bei 1301,75 austrocknete. Das wurde begleitet von einer Explosion von Aktien, die neue 5-Minuten-Hochs machten. Beachten Sie, dass man auf die Bestätigung durch größeres Aufwärtsvolumen und neue Hochs hätte warten und doch noch profitabel in den Markt hätte gehen können. Als Regel, je länger der Konsolidierungszeitraum, desto ausgeprägter die Ausbruchbewegung, falls sie entsteht.

B2 S&P 500, Intraday Chart
Jemand, der im Chart nur auf Kurse achtet, würde die Zahlen auf diesem Chart nicht sehen. Die Kombination von MarketDelta und den Aktienkorbzahlen zeigt deutlich, wann eine Konsolidierungsperiode zu Ende geht.

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Frage : Sie arbeiten auch mit dem NYSE TICK – einem weiteren ungewöhnlichen, aber sehr effektiven Analysewerkzeug. Bitte zeigen Sie uns, wie man das einsetzt.
Steenbarger: Gut, nehmen wir Bild 3. Das ist ein kommentierter Chart der Russell 2000 Futures (weiße Balken); NYSE TICK (rote Balken); und Volumen (waagerechte Achse). Beachten Sie, dass vor der Eröffnung in einer mehrere Punkte breiten Range gehandelt wurde. Ein anfänglicher Dip in den ersten Minuten des regulären Handels blieb innerhalb der Range und dann führte eine Kaufwelle (am Volumen und dem NYSE TICK zu sehen) zum Ausbruch aus der Range.
Die Bereiche vor der Eröffnung und zur Eröffnung sind von größter Bedeutung, weil sie die Bewertung des Marktes anzeigen. Bei der Beobachtung der Range vor Eröffnung sehen wir, wie sich Wirtschaftsberichte und überseeischer Handel auf die Bewertung des US-Marktes ausgewirkt haben. Wenn ein Ausbruch aus der Range vor Eröffnung bei erhöhtem Volumen und starkem NYSE TICK stattfindet, bedeutet das, dass der Markt einer Neubewertung unterzogen wird: Das sind neue Käufe von großen Tradern. Ein wichtiges Prinzip ist dabei, dass der Markt nicht in die vorherige Trading-Range zurückkehren sollte, wenn diese Neubewertung nachhaltig ist. Tatsächlich sind wir in den Minuten nach dem Ausbruch oberhalb der Trading-Range geblieben und das Momentum hat uns weitergetragen. Am Volumen und den TICK-Werten ist zu erkennen, dass bei dem Ausbruch eine ganze Anzahl Trader auf den fahrenden Zug aufgesprungen ist. Immer wenn ein Volumenschub und extreme TICK-Werte auftreten, müssen wir die Möglichkeit in Erwägung ziehen, dass ein Momentum-Hoch als Teil einer Übergangsstruktur entsteht. Tatsächlich sehen wir gerade, wie eine solche Struktur entsteht: Die Momentum (Volumen)-Spitze; das nachfolgende Kurshoch bei reduziertem Momentum (aber sehr starkem TICK); und dann positive TICK-Anzeigen ohne neue Hochs (Ineffizienz). Im Verlauf dieser vorübergehenden Struktur sehen wir eine Abwärtsverlagerung bei der NYSE TICK-Verteilung und ein Austrocknen des Kaufvolumens.
Das Austrocknen der Kaufseite stellt eine Ermutigung für die Verkäufer dar, und es wird zunehmend klar, dass dieser Ausbruch aus der Eröffnungs-Range im Begriff ist zu versagen. Mit diesem Wissen können wir eine Bewegung zurück in die Mitte der Eröffnungs-Range antizipieren, das heißt eine Rückkehr zum vorherigen Bewertungsniveau.
Der genannte Chart zeigt das Kräftespiel im Zeitverlauf bei Bewertungsniveaus, Volumen, TICK und Kurs. Die Verlagerung dieser Kräfte ist entscheidend für die kurzfristigen Bewegungen des Marktes. Wenn Sie regelmäßig Charts beobachten und Trading-Simulation betreiben, können Sie sich für die Entstehung dieser Muster sensibilisieren und so in die Lage versetzen, auf entstehende Bewegungen aufzuspringen. Trading-Anfänger verirren sich auf der Suche nach Kursmustern leicht in jedem Balken. Es sind aber die breiteren Verlagerungen in Angebot und Nachfrage, die die größeren Trading Swings verursachen.

B3 Beispiel NYSE TICK, E-Mini Russell Intraday Chart
Ein weitere leistungsfähige Indikatorenkombination: Die Verlagerung der TICK-Verteilung nach unten und das Austrocknen des Volumens legen nahe, dass der Kurs kurz vor einer Umkehr steht.

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Frage : Meinen Sie nicht, dass jeder, der das weiß, den gleichen Trade gemacht haben könnte? Warum ist es dann wichtig, die Leistung zu steigern?
Steenbarger: Werkzeuge wie Market Delta oder NYSE TICK legen Muster in Angebot und Nachfrage offen, aber es ist Können erforderlich, um sie zu interpretieren und in geeigneter Weise auf sie zu reagieren.

Frage : Nach einem Sprichwort lernt der Mensch nicht für die Schule, sondern für das Leben. Vielleicht lernen wir nicht für das Trading, sondern ebenfalls für das Leben. Was sagen Sie dazu?
Steenbarger: Absolut! Trading lehrt uns, Gelegenheiten zu verfolgen, Risiko zu managen, Gewinner zu behalten und Verlierer loszulassen. Das ist eine passende Analogie für das Leben selbst.

Frage : Gibt es noch etwas, dass Sie unseren Lesern mitteilen möchten?
Steenbarger: Finden Sie etwas, das Sie lieben. Finden Sie etwas, was Sie können, und streben Sie nach Erfolg. Manche Menschen finden es in den Finanzmärkten, viele andere finden es anderswo. Wichtig ist nicht, ein erfolgreicher Trader zu sein, wichtig ist, alles zu sein, was man sein kann; gleichgültig welchen Bereich man sich dafür auswählt. Das Leben ist zu kurz für Mittelmäßigkeit: Finden Sie heraus, wofür Sie wirklich da sind und wo Ihre wahren Talente liegen.

Frage : Brett, vielen Dank für dieses tolle Interview.

Im Finanzbuchverlag ist ein Buch von Steenbarger erschienen.

LINK :
[Link "Der ultimative Trading Coach" auf www.finanzbuchverlag.de/... nicht mehr verfügbar]

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