Kommentar
16:05 Uhr, 12.12.2005

Interview mit Ravi Batra

Mr. Batra, in Ihrem Buch “Greenspan’s Fraud” beschreiben Sie eine Kette von Fehlentscheidungen des scheidenden US-Notenbankchefs Alan Greenspan. Denken Sie, dass die Technologieblase und deren Platzen im Jahr 2000 nie statt gefunden hätte, wenn ein anderer den Vorsitz inne gehabt hätte?

Greenspan’s Monetärpolitik war die Ursache für die Technologieblase. 1994 erhöhte er die Leitzinsen um Lohnerhöhungen zu unterdrücken, die er als potenzielle Inflationstreiber klassifizierte – er vergaß dabei allerdings, dass Löhne in einer freien Marktgesellschaft niemals inflationstreibend wirken. Heute hinken die Löhne der Produktivität hinterher, weshalb die Nachfrage der Haushalte dem breiten Produktangebot hinterherhinkt – das wiederum ist der Grund für die breite Verschuldung der Gesellschaft, die das Bindeglied im Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage darstellt. Unternehmensprofite steigen, da die Löhne die Ausgaben nicht kompensieren, was wiederum Aktienpreise in die Höhe treibt. Greenspan hat diesen Ablauf nicht ganz verstanden, er hat seine Aufmerksamkeit nur auf die Produktivität jedoch nicht auf den Verschuldungsgrad gerichtet. Durch die künstliche Unterdrückung der Lohnanpassung hat er die Aktienblase verschuldet, welche im Endeffekt viel Schaden angerichtet hat.

Doch warum ist die Blasé im Endeffekt geplatzt?

Die Blase ist geplatzt weil Alan Greenspan in mitten der Blasenbildung die Leitzinsen angehoben hat – er hat dabei anscheinend nicht aus Japans Erfahrung gelernt. Japan hat 1989 die Leitzinsen angepasst – inmitten der hauseigenen Blase – das war der Katalysator für den Tokyo-Aktiencrash. Greenspan hätte nicht 1999 die Leitzinsen anheben sollen, sondern bereits davor – beispielsweise 1996.

Heute macht Alan Greenspan dasselbe. Der Zinssatz war zu lange auf historischen Tiefstständen was die aktuelle Immobilien-Blase eingeleitet hat. Er erhöht inmitten dieser Blase erneut die Zinsen. Das Endresultat könnte erneut ein Crash sein – diesmal im Immobilien-Sektor.

Vor kurzem wurde Ben Bernanke als Alan Greenspans nachfolger nominiert und akzeptiert. Er wird im Jänner 2006 sein Amt antreten. Welche Amtshandlungen erwarten Sie von ihm?

Mr. Bernanke scheint nicht sonderlich anders als Greenspan zu sein. Bernanke hat ein Buch über Makroökonomie geschrieben. Aus diesem ist klar ersichtlich, dass Bernanke von Lohnpolitik nicht sonderlich viel Ahnung hat. Das reale Einkommen von 75% der US-Arbeiternehmern ist seit 1975 konstant gefallen, berichtet ein aktueller Wirtschaftsreport aus dem Weißen Haus. Bernanke jedoch behauptet in seinem Buch, dass nur das Einkommen der untersten Einkommensschicht zurückgegangen ist. Das würde bedeuten, dass die unterste Einkommensschicht 75% der Arbeitnehmer darstellt – das halte ich persönlich für sehr unwahrscheinlich.

Wie fühlen sich Investoren mit Bernanke als Nachfolger?

Investoren und Anleger sind mit Bernanke als Nachfolger einverstanden, da er wie der die gleiche Politik wie der derzeit amtierende Notenbankchef verfolgt. An dem Tag seiner Nominierung stieg der Dow Jones Index um 170 Punkte an.

Welchen Märkten gegenüber sind Sie bullisch eingestellt? Welche Märkte sehen Sie nach unten abtauchen innerhalb der nächsten Jahre?

Der Aktienmarkt wird weiterhin keine leichten Jahre vor sich haben – egal auf welchem Teil der Erde. Das hat zwei Gründe. Erstens sind die Energiekosten überdurchschnittlich hoch und könnten weiter steigen und zweitens wird die Federal Reserve aus Inflationsängsten weiter an der Zinsschraube drehen. Aber die Aktienmärkte von Öl-exportierenden Ländern werden überdurchschnittlich abschneiden; beispielsweise Kanada oder Kuwait. Öl-Aktien sollten ebenfalls eine bessere Performance als der breite Markt abliefern.

Seit geraumer Zeit, mehr als einem Jahrzent, wird bereits über das Außenhandelsbilanzdefizit der USA debattiert. Trotzdem scheint es keinen Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung der Vereinigten Staaten zu haben. Kann die Wirtschaft trotz Verschuldung anscheinend einfach weiter existieren bzw. wachsen – und wenn ja, wieso?

Das Außenhandelsbilanzdefizit stellte Aufgrund des Fremdwährungszuflusses bis jetzt kein Problem dar. Viele Länder haben aus Eigeninteresse deren Exportprofite in den USA veranlagt, meist in Staatsanleihen, was wiederum die Zinsen im Zaum gehalten hat. Theoretisch gesprochen könnte das unendlich lange so weiter gehen, aber die Geschichte lehrt uns, dass dies eher nicht der Fall sein wird. Wirtschaftliche Umstände wie diese waren die Hauptursache für schlechte ökonomische Zeiten oder gar die französische Revolution.

Denken Sie, dass Rohstoffe wahrlich vor einer neuen Rallye stehen? Viele Gurus raten dazu sein Portfolio extrem an Rohstoffinvestments auszurichten. Wie stufen Sie die „heißen“ asiatischen Märkte ein?

In meinem ersten Buch: „The Crash of the Millenium“, welches 1999 erschienen ist, habe ich beschrieben, dass die erste Dekade des neuen Jahrtausends von steigenden Energiepreisen geprägt sein wird – und deshalb auch von hoher Inflation. Genau das passiert gerade und in naher Zukunft sehe ich keinen Grund für eine Preisumkehr bei Rohstoffpreisen. Auch die asiatischen Märkte sind nicht hohe Energiepreise immun, aber sie haben höhere Wachstumsraten. Das spricht für die asiatischen Märkte.

Besten Dank für das Gespräch!

Das Gespräch führte Pierre M. Daeubner

Quelle: www.TradersJournal.de

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