Kommentar
15:25 Uhr, 03.08.2005

Interview mit David S. Nassar - Cash ist King

David S. Nassar ist Gründer und CEO von MarketWise.com und ein Pionier im elektronischen Trading; er hat eines der ersten Trading-Unternehmen in den USA betrieben. Er war auf CNBC, NBC Nightly News und CNN zu sehen und wurde von zahlreichen amerikanischen Publikationen wie The Wall Street Journal, Business Week, Forbes und vielen anderen interviewt. Nassar ist sowohl in den USA wie auch international ein sehr beliebter Redner und Bestseller-Autor der New York Times, der weiterhin über seine täglichen Trading-Erfahrungen im Markt schreibt und unterrichtet. Daneben ist Nassar aktiver Pilot, der sich auch für Sport begeistert, wobei Ski fahren, Tennis und Fitness an vorderster Stelle liegen.

FRAGE: Was haben Sie vom Trading/Tradern gehalten, bevor Sie aktiv wurden?
Nassar: Ich habe den Markt und das Trading immer geliebt, weil ich damit groß geworden bin. Mein Vater ging nach über 45 Jahren bei Prudential in Rente, und auch ich habe acht Jahre lang dort gearbeitet. Die Märkte sind immer meine Passion gewesen.

FRAGE: Was hat Sie zum Trading gezogen?
Nassar: Ich liebe die Freiheit, die das Traden bietet. Sie sind Ihr eigener Boss, keine Politik, keine Probleme mit Angestellten, keine Notwendigkeit, sich mit einer schlechten Entscheidung aufzuhalten. Einfach den Trade decken und ohne langfristige Bindung weitergehen. Zählen Sie noch dazu, dass Trading leistungsbetont ist, was ich liebe, eine Herausforderung, nie langweilig und immer spannend, und dann die Tatsache, dass Sie immer zwei der großartigsten Dinge haben können – Zeit und Geld: Trading ist schwer zu schlagen.

FRAGE: Waren Sie von Beginn an erfolgreich?
Nassar: Nein. Netto gerechnet habe ich einige Jahre lang Geld verloren. Aber meine Gewinn-Trades sagten mir, dass ich es schaffen könnte. Da waren nur die verflixten Verluste – so habe ich sie genannt. Aber als ich anfing, Verluste zu akzeptieren und sie nicht als schlecht anzusehen, konnte ich sie schnell beenden und zum nächsten Trade übergehen; das hat den Unterschied gemacht. Sobald ich mir bei Verlierern sagen konnte: „Okay, wieder ein Verlust aus dem Weg auf der Suche nach den Gewinnern“, war es leicht, diszipliniert zu sein und sie schnell zu beenden. Das profitable Trading liegt in der Fähigkeit, einen Verlust schnell abzuschneiden – nicht in der Fähigkeit, nur Gewinn-Trades zu finden. Gewinner passen selbst auf sich auf. Es sind die Verlierer, die deine ungeteilte Aufmerksamkeit erfordern.

FRAGE: Hat etwas Besonderes dazu geführt, dass Sie Verluste auf andere Weise betrachten konnten?
Nassar: Die Public Utility Company of New Hampshire hat mich zu Anfang meiner Trading-Karriere hart getroffen. Ich konnte es mir nicht leisten $7500 zu verlieren, verlor sie aber, und das waren etwa 75 Prozent meiner damaligen Möglichkeiten.
Da wusste ich, dass ich mich nie wieder in eine derartig katastrophale Verlustsituation bringen durfte, wenn ich im Markt überleben wollte. Das war das Beste, was mir im Trading je passiert ist, obwohl es zu der Zeit nicht danach aussah. Ich hasste ein paar Wochen lang jeden Moment an jedem einzelnen Tag… es blieb richtig an mir hängen. Ich fühlte mich verwirrt, betreten und armselig – alles emotionale Reaktionen, denen ich mich nie hätte aussetzen dürfen. Bald danach lernte ich, logisch zu sein, und 75 Prozent seines Kapitals zu verlieren, ist ziemlich weit entfernt von jeder Logik. Nachfolgend habe ich einmal aufgeschrieben, wie sich das Kapital entwickelt, wenn man jeweils nur zwei Prozent seines Kapitals verlieren würde wenn man laufend nur verliert. Die Anzahl aufeinander folgender Verlust-Trades wird dabei wie folgt berechnet: y = 100 000 (Kapital) (.98)X
10 Verlierer je 2% = $81707
100 Verlierer je 2% = $13262
120 Verlierer je 2% = $8553
200 Verlierer je 2% = $1758
300 Verlierer je 2% = $233
400 Verlierer je 2% = $31
Nun verliert man aber nicht hundertmal nacheinander und sollte es auch nicht zehnmal, aber selbst wenn, bleibt man im Spiel und kann aus den gemachten Fehlern lernen. 75 Prozent in einem einzelnen Trade zu verlieren, lehrt einen nichts, sondern zerstört nur das Vertrauen und verschlimmert die Angstzustände. Finanziell, emotional und auch sonst nichts zu gewinnen – das würde ich eine perfekte Verlierermentalität nennen.
Zwei Prozent pro Trade zu verlieren gibt einem die Zeit, Fehler zu analysieren, aufzuhören und die Strategie zu überdenken, und das ist wertvoll, selbst wenn man zehnmal nacheinander verloren hat!

FRAGE: Haben Sie das Trading mit einem kleinen oder großen Konto begonnen? (Natürlich ist das relativ.)
Nassar: Ich hatte $10 000, was 1985 eine Menge Geld für mich war. Davon habe ich das meiste, wie bereits oben erwähnt, mit den Stadtwerken von New Hampshire verloren. Ich war zerstört! Ich erholte mich, werde es aber nie vergessen.

FRAGE: Viele Trader, die mit wenig Geld anfangen, werden innerhalb weniger Wochen oder Monate aus dem Markt gefegt. Sie haben mit einem sehr kleinen Konto angefangen und handeln jetzt in Vollzeit. Glauben Sie, dass viele Trader Ihnen dieses Kunststück nachmachen können?
Nassar: Nein. Die meisten Leute verlieren, das ist eine Tatsache. Das liegt nicht daran, dass die Märkte böse oder unüberwindbar sind. Das liegt daran, dass die meisten Leute nicht mit der Selbstdisziplin zurecht kommen. Es ist der Grund, weswegen die Menschen nicht bei einer guten Ernährung für Gesundheit und Körper bleiben können. Ich sage gern: „Wenn ich betroffen bin, liegt es an mir.“ Die Leute müssen begreifen, dass Trading-Erfolg nicht von Software oder aus Büchern kommt, er kommt aus dem Herzen von Champions.

FRAGE: Wie passt das mit Ihrer Trading-Schule zusammen? Filtern Sie diejenigen mit den Championherzen heraus, bevor Sie ihnen Unterricht geben? Oder nehmen Sie alle Interessenten an und versuchen, diese bestimmte Fähigkeit bei ihnen zu entwickeln?
Nassar: Ich siebe Kunden nicht aus, das müssen sie selber tun. Wer bin ich, um zu sagen, wer traden sollte und wer nicht. Stattdessen glaube ich, dass jeder traden kann, aber sie müssen die Disziplin mitbringen, weil ich die nicht lehren kann. Ich kann ihnen zeigen, wie man diszipliniert ist, kann sie aber nicht dazu zwingen. Nein, also ich siebe potenzielle Schüler nicht aus. Wenn ich allerdings Händler für Marketwise.com einstelle, tue ich das schon, denn sie sollen für mich mit meinem Geld traden, und das ist eine völlig andere Geschichte.

FRAGE: Welche Art Trader sind Sie?
Nassar: Ein guter, denn ich verdiene nachhaltig Geld. Ich handle für mich, nicht für mein Ego. Ich weiß, meine Antwort klingt etwas arrogant, ist es aber nicht. Es kommt nur darauf an, dass wir Geld verdienen. Ich handle nicht aus Spaß. Ich handle für Cash und Cash ist King. Für mein Vergnügen habe ich Hobbys, und alle meine Hobbys kosten Geld (wie bei den meisten Leuten). Trading muss man als das Geschäft sehen, das es ist, nicht als Hobby.

FRAGE: Wie sehen ein paar Ihrer Marktkonzepte oder Trading-Ideen aus?
Nassar: Oh, wie viel Zeit haben wir denn? Das hängt wohl vom Marktzustand ab. Manchmal trade ich groß mit einem großen Ansatz (Skalpen), und zu anderen Zeiten trade ich zurückhaltend, nehme aber mehrfach Wochenpositionen ein (Swing Trades). Manchmal bevorzuge ich auch Arbitrage (Paar-Trading und Spreads). Es hängt davon ab, was das Biest (der Markt) mir anbietet. Wenn es mir eine Gelegenheit zeigt, egal welcher Ansatz, denke ich nicht nach – ich reagiere, und zwar schnell.
Man hat keine Zeit zum Nachdenken, man muss reagieren und instinktiv handeln wie ein Boxer oder sonst ein Weltklasseathlet. Wenn man zu lange nachdenkt, ist man erledigt.

FRAGE: Würden Sie also sagen, dass flexibles Handeln bei wechselnden Marktbedingungen eines der Geheimnisse für Trading-Erfolg ist?
Nassar: Das ist kein Geheimnis, sondern der Markt fordert es. Weil der Markt dynamisch ist, müssen Sie es auch sein. Es ist keine nicht-lineare Gleichung bis an den Rand der Zufälligkeit, sondern es gibt eine große Menge Ordnung in dem, was ein chaotisches System zu sein scheint, wenn Sie wissen, wonach Sie suchen müssen. Das ist das, was ich bei www.marketwise.com lehre. Sobald Sie in dem dynamischen System des Marktes eine Ordnung erkennen, können Sie (zusammen mit Risiko-Management-Systemen) ein Vermögen machen!

FRAGE: Wie lange dauern Ihre typischen Trades?
Nassar: Es hängt wiederum vom Ansatz ab. Ich betrachte mein Gehirn gern als Bibliothek für Konzepte oder Spiele (wie ein Strategie-Buch im Fußball). Manchmal arbeite ich mit mehreren Daytrades, und zu anderen Zeiten gehe ich eine Position ein, weil mir der Trend gefällt und ich verhindern will, dass mich die Volatilität erwischt. Es hängt wirklich von der Strömung im Markt ab.

FRAGE: Sind Sie ein systematischer Trader?
Nassar: Ich sehe mich als Maschine, fast als Roboter. Ich verliebe mich nicht mehr in Aktien oder Ideen. Ich sage gerne „Liebe nie etwas, das Dich nicht wiederliebt.“ Eine Aktie liebt nicht, also liebe sie nicht. Ich sage auch gern „Ob Sie es mögen oder nicht, indem Sie Ihr Kapital binden, binden Sie auch Ihre Emotionen.“ In Wirklichkeit sind wir keine Roboter oder Maschinen, wir sind Menschen, aber wir müssen versuchen zu lernen, weniger emotional und subjektiv zu sein, sondern stattdessen objektiv zu bleiben – wie eine Maschine. Das ist die größte Herausforderung im Trading, und allein hierdurch (die Emotionen unter Kontrolle zu behalten) wird Disziplin definiert.

FRAGE: Wann kommt Ermessen ins Spiel?
Nassar: Instinkt. Ich glaube Instinkt, so wie ein Baseball-Spieler seine Füße und Schultern instinktiv bewegt, wenn er den Ball schlägt, ohne bewussten Gedanken, so etwa ist Trading auch. Gurus sagen gerne: „Niemals verbilligen!“ …Unsinn… Ich verbillige die ganze Zeit, wenn es (die Aktie) sich gut anfühlt. Ich betrachte es als Nachkaufen, nicht Verbilligen. Wenn man eine schlechte Aktie allein zu dem Zweck kauft, den durchschnittlichen Einstand zu verbilligen, ist das dumm, aber wenn man fühlen kann, dass trotz der Schwäche Käufer auftreten (wie am Ende einer Konsolidierung) dann kauft man die Aktien der schwachen Hände und die Angst der anderen ist gut für mich. Das fühlt man durch Erfahrung, es entwickelt sich im Laufe der Zeit – daher Ermessen … etwas, das man nicht lehren kann.

FRAGE: Mischen Sie Zeitfenster?
Nassar: Nie. Wenn ich einen Daytrade eingehe, schließe ich ihn als Daytrade. Daytrades, die zur Anlage werden, sind echte Verlierer! Mische niemals Zeitfenster. Wie unsere Eltern uns beigebracht haben: Beende, was Du angefangen hast. Beim Traden, wenn Du einen Daytrade eröffnet hast, schließe einen Daytrade. Alles dreht sich um Disziplin, und hier versagen die meisten. Was ein kleiner Mückenstich als Daytrade-Verlust hätte sein können, kann sich leicht in einen Löwenbiss verwandeln, der Ihnen den Brustkorb zerdrückt – tun Sie es nicht. Ich habe diesen Fehler viele Male gemacht, glauben Sie mir, es tut weh. Manchmal kann es fatal sein und wird Sie zur Aufgabe zwingen, wenn das Kapital verloren ist. Ich war mehrmals kurz davor. Man sollte es einfach nicht tun.

FRAGE: Arbeiten Sie mehr mit Indikatoren oder mit Chart-Mustern?
Nassar: Ich verwende nur Indikatoren als Hilfe zur Bestätigung dessen, was ich bereits wissen sollte. Die Kursbewegungen sagen mir mehr als alles andere. Denken Sie daran, die beste Verkleidung des Marktes ist seine Einfachheit. Zu viele Leute machen das Trading durch Stochastik, MACD, den Flux Capacitor (lacht) und anderes zu kompliziert, aber es geht in Wirklichkeit nur um drei Dinge – Kurse, Zeit und Volumen (und ein Viertes, das auf Kurs und Zeit basiert – Geschwindigkeit genannt). Alles andere, wie die Indikatoren, sind nur Varianten dieser drei Bausteine des Marktes. Wenn die Kurse sich langsam abschwächen und doppelt so schnell zurückkommen, kaufe ich den Markt gern. Wenn Märkte bei jeder Kleinigkeit fallen und nur langsam zurückkommen, gehe ich short. Es ist keine Raketentechnik, auch wenn viele Raketenwissenschaftler versucht haben, den Code des Marktes zu knacken! Aber einen reichen Raketenwissenschaftler müsste ich erst noch treffen – was sagt Ihnen das wohl!

FRAGE: Spielt das Volumen eine Rolle bei Ihrem Trading-Ansatz?
Nassar: Es ist ein Baustein – also Ja! Das Volumen zeigt an, ob der Markt den gegenwärtigen Trend unterstützt. Wenn das Volumen klein ist, glaubt der Markt nicht, wenn es hoch ist, glaubt er. Man kann sich das Volumen auch als Fluss vorstellen: wer gegen die Strömung schwimmt, muss dumm oder ein Lachs sein, und Lachse werden gefressen. Folgen Sie der Bewegung des Volumens, dann haben Sie einen statistischen Vorteil über diejenigen, die es nicht tun.

FRAGE: Wie testen Sie Ihre Trading-Ideen?
Nassar: Indem ich Geld verdiene oder verliere. Ich glaube zwar nicht, dass Backtesting falsch ist, aber ich ziehe es vor, den Markt zu „fühlen“. Manche beobachten gern, testen und theoretisieren, aber ich glaube, dass der Markt ein dynamisches System ist, das die Fähigkeit zur Flexibilität erfordert. Backtesting kann Sie so versessen auf eine Idee machen, dass Sie einer Meinung aufgrund von empirischen Studien oder Tests zu lange anhängen, die in der Zukunft wahrscheinlich nicht mehr so gut anwendbar ist. Es ist also eher eine persönliche Wahl als eine Meinung, ob Backtesting gut oder schlecht ist. Ich glaube ja nicht, dass es eine schlechte Idee ist, aber es ist eben nicht mein Stil.

FRAGE: Suchen Sie noch nach neuen Ansätzen?
Nassar: Ich achte auf Ineffizienzen im Markt. Das sind Ungleichgewichte in der Preisfindung. Wenn gute Aktien unterbewertet werden, will ich sie haben. Wenn miese Aktien überbewertet sind, bin ich vorsichtig, denn Wahrnehmung ist äußerst wichtig im Markt, aber letztlich will ich sie shorten. Ich verwende Angst und Gier, ausgedrückt durch Kurs, Zeit und Volumen, um zu ermitteln, wo die Fehlstellung liegt. Im Wesentlichen suche ich also die ganze Zeit nach derselben Art Setup in der Form von Ungleichgewichten in der Preisstellung, was aber nicht heißt, dass diese Setups Kursmustern wie der Schulter-Kopf-Schulter-Formation und anderen entsprechen.

FRAGE: Wie viele unterschiedliche Setups verwenden Sie in Ihrem Trading?
Nassar: Keine bestimmte Anzahl. Ich gehe an Marktsituationen unterschiedlich heran.

FRAGE: Wie managen Sie Ihr Risiko?
Nassar: Durch drei elementare Stopps: technische Stopps, Geldstopps (etwa zwei Prozent der Positionsgröße) und Zeitstopps. Wenn der Trade mir auf dem Chart weh tut, gehe ich auf einem vorbestimmten Kursniveau raus, von dem ich das Gefühl habe, dass es das Versagen des Trades bedeutet. Wenn ich nicht auf dem technischen Niveau aussteige (mangelnde Disziplin), habe ich mit dem Geldstopp einen Reserveplan. Wenn auch das nicht klappt, kommt der Zeitstopp zum Tragen. Müsste gemäß meiner Analyse innerhalb einer bestimmten Zeit etwas passieren, und das geschieht nicht, steige ich aus. Bei den Gewinnern verwende ich Trailing Stopps, die ich auf meiner Handelsplattform einstelle, um die Gewinn-Trades zu maximieren.

FRAGE: Wie bestimmen Sie, dass Sie in einem Trade falsch liegen?
Nassar: Dadurch, dass ich anfange, Geld zu verlieren, oder dass ein Gewinn zu schrumpfen beginnt. Denken Sie daran, dass falsch zu liegen nicht unbedingt bedeutet, Geld zu verlieren. Haben Sie einmal einen Gewinner mit einem hübschen (unrealisierten) $1-Gewinn pro Aktie, und die Aktie fängt dann an zu fallen. Wenn sich der $1-Dollar-Gewinn in einen 80-Cents-Gewinn verwandelt, liege ich falsch und realisiere den Gewinn an dieser Stelle. Bei Verlierern frage ich mich in dem Moment, in dem ich zu verlieren beginne, ob ich abwarten will, bis die Position meinen festgelegten Stopp erreicht, oder ob ich vorher aussteige. Wenn mich der Verlust soweit nicht stört (klingt komisch), d. h. die Aktie sich ordentlich verhält, während sie gegen mich läuft, d. h. die Kurse beim Fallen langsamer werden und mit weniger Volumen, dann kaufe ich vielleicht nach. Im Gegensatz zu einem fallenden Messer, aus dem ich lange vor Erreichen des Stopps aussteigen würde. Das hängt vom Gefühl und dem Verhalten der Aktie ab. Dass lernt man durch Erfahrung, und es gibt keinen besseren Lehrer als den Markt.

FRAGE: Ist Money Management ein separates Thema?
Nassar: Nein. Es ist das Thema. Ich will wissen, wie viel ich verlieren kann, lange bevor ich daran denke, wie viel ich verdienen kann. Money Management ist der Kern allen Tradens. Es ist der König (teilt sich den Thron mit Cash)!

FRAGE: Wie viel Ihres Kapitals riskieren Sie pro Trade?
Nassar: Ein bis zwei Prozent der Positionsgröße – als Regel. Das ist nicht viel, aber ich habe es gern, sehr schnell richtig zu liegen oder sehr schnell auszusteigen. Warum würde ich eine Aktie denn kaufen, wenn ich nicht glaubte, zum Kaufzeitpunkt richtig zu liegen (rhetorisch); ich kaufe und verkaufe, wenn ich denke, dass die Kurse in meine Richtung gehen, also gehe ich kein großes Risiko ein.

FRAGE: Wie managen Sie offene Trades?
Nassar: Ich setze eine Menge Technik ein. Meine Handelsplattform – Realtick – lässt mich meine Arbeit ohne dauerndes Beobachten jeder kleinen Bewegung im Markt tun. Der Markt kann hypnotisch sein, wenn man ihn den ganzen Tag anstarrt, und man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht. Die Software kann Trades mit sehr einfachen Programmschritten für Sie beobachten und managen, und Sie blicken mit genügend Distanz auf den Markt, um nicht völlig vereinnahmt zu werden. Technologie hilft dabei, überzeugt zu bleiben ohne die Disziplin zu verlieren.

FRAGE: Ist die Ausführung der Trades ein subjektiver Prozess oder machen Sie das mechanisch?
Nassar: Mechanisch wie oben beschrieben, aber ich mache auch manuelle Daytrades, und zwar auch objektiv (nicht subjektiv), aber von Hand und nicht maschinell mit Hilfe von vorkodierten Algorithmen. Ich mache beides.

FRAGE: In welchem Verhältnis stehen Ihre Gewinn- und Verlust-Trades zueinander?
Nassar: Das ist unterschiedlich. Ich habe Einbrüche wie jeder (der ehrlich ist). Ich würde sagen, dass ich eine durchschnittliche Gewinnrate von etwa 65 bis 75 Prozent habe. Wenn ich echt schlecht liege, das kommt manchmal vor, ist auch 65 Prozent zu hoch. Der Schlüssel liegt darin, weniger zu verlieren, wenn Sie falsch liegen, als zu verdienen, wenn Sie Recht haben. Ich habe schon über 65 Prozent der Zeit falsch gelegen und trotzdem Geld verdient! Ich habe auch schon über 65 Prozent der Zeit richtig gelegen und doch Geld verloren, weil es nur kleine Gewinne aber große Verluste gab (meist löschen ein paar Monsterverluste selbst gute Gewinnraten aus). Die Gewinnrate ist also nicht so wichtig wie das Kleinhalten von Verlusten.

FRAGE: Was war Ihr schlimmster Drawdown?
Nassar: $985.000 in weniger als einer Woche. Ich war ein Trottel. Ich hatte jede denkbare Regel gebrochen und den Verlust verdient. Es tat weh, aber ich brauchte die Lektion. Der Markt gibt einem immer, was man verdient. Der Markt hat immer Recht… egal was man denkt… er kümmert sich nicht um Ihre Meinung. Ich hatte die Vorstellung, dass ich diese Gelegenheit nicht vorbei gehen lassen konnte und wurde eines Besseren belehrt. Ich war eingebildet und hielt mich für klüger als den Markt! Wir sind nie klüger als der Markt. Wir können nur mit ihm schwimmen… aber ihn nie bekämpfen.

FRAGE: Was finden Sie das Frustrierendste am Trading?
Nassar: Nichts. Es ist pur und ehrlich. Es lügt nie (Analysten tun es, Broker, die Medien, aber nicht der Markt). Kurse lügen nie, deshalb liebe ich den Markt – wegen seiner Ehrlichkeit.

FRAGE: Wann wurde Ihnen klar, dass Traden nicht nur ein Versuch in den Märkten für Sie sein würde, sondern eine Vollzeitkarriere? Oder spürten Sie das von Beginn an?
Nassar: Als ich während meiner Zeit bei Prudential mehr Geld mit meinem eigenen Trading verdiente. Sobald ich das erreicht hatte, war ich weg und habe nie zurückgeblickt.

FRAGE: Wo kommt das psychologische Element ins Spiel?
Nassar: Überall. Es ist da, wo die Disziplin ist. Das innere Spiel ist die Herausforderung, nicht irgendeine Chart-Formation oder ein Indikator. Das Spiel wird bei Marktpsychologie und persönlicher Psychologie gespielt.

FRAGE: Ein paar Worte über Angst, Gier und Selbstwertgefühl?
Nassar: Der Markt läuft auf der Basis von Angst und Gier… nicht auf Fundamentaldaten. Vielleicht laufen Langzeitanlagen mit Fundamentaldaten, aber beim Handel dreht es sich um Emotionen (Marktpsychologie), die sich durch Angst, Gier und Hoffnung ausdrücken. Hinsichtlich Selbstwertgefühl, nun, ich weiß nicht. Ich glaube, es ist so: „Wenn Sie etwas wissen und wissen, dass Sie es wissen, dann wird Angst durch Vertrauen ersetzt.“ Ich weiß, dass ich traden kann, also habe ich Vertrauen und keine Angst. Das hat Zeit gebraucht, aber es kommt; erst muss das Kapital überleben (bevor es richtig losgehen kann). Wie das Kind, das die Stützräder von seinem Fahrrad abbaut… zuerst ist es furchtbar erschrocken, aber schon nach drei Tagen heißt es: Papa, guck mal, ich kann ohne!

FRAGE: Wie sehen Sie den Unterschied zwischen sich und so vielen anderen Tradern, die aus dem Spiel geflogen sind?
Nassar: Ich weiß nicht, darüber denke ich nicht nach. Traden ist hart, wie andere erstrebenswerte Dinge auch, aber ich liebe es wohl genug, um weiter zu lernen. Das Lernen geht nie zu Ende; wenn Sie denken, Sie haben den Markt im Griff… sind Sie erledigt. Es ist das lebenslange Bemühen, das liebe ich am meisten. Ich langweile mich nie, und es ist nie leicht… auch wenn ich leichte Trades gehabt habe, nur fühlt es sich erst hinterher leicht an, nie bei der Eröffnung des Trades. Daher meine ich, dass Leute wohl deswegen von der Selbstreinigungskraft aus dem Markt gespült werden, weil sie ihn nicht genügend respektiert und geliebt haben, nicht genug gelernt und ihn nicht intensiv genug gewollt haben. Wenn Sie im Markt aus Gier spielen, wie es wohl die meisten tun, ist das glaube ich nicht genug, und der Markt merkt das. Er findet Sie und schmeißt Sie raus, das war’s dann wahrscheinlich. Der Markt ist ein gut funktionierender Selbstreinigungsmechanismus, er ist rein und ehrlich, sogar darwinistisch. Das mag ich an ihm. Er belohnt nicht Glück, freche Gerichtsverfahren oder politische Großsprecher, er belohnt nur Gewinner und eliminiert Verlierer – rein, einfach und ehrlich!

FRAGE: Und wenn Sie nicht traden, wie genießen Sie Ihre Freizeit?
Nassar: Ich mag Fitness und Fliegen und verbringe gern die Zeit mit meiner Frau und meinen Kindern. Ich bin ein häuslicher Mensch und arbeite gern auf der Farm mit meinen Kindern und bastle an Maschinen. Ich lese und schreibe abends auch gerne.

B1) Typischer Trade
AMGN ging über einen bisherigen Widerstand (a) und der Ausbruch versagte dann. Am nächsten Tag konnte dann ein richtiger Einstieg gemacht werden, als die Aktie über das Hoch des fehlgeschlagenen Ausbruchs ging. Die Position schließt Nassar gerne bei wenn die Beschleunigung zugenommen hat, dann aber eine bärische Kerze folgt (b).

B2) Die ehrliche Aktie
Ebay ist eine Aktie, die Nassar gerne handelt. Sie ist das, was er aufgrund ihrer Trends eine ehrliche Aktie nennt. Die zyklische Natur der Märkte kann klar bei einer solchen Aktie gesehen werden, was sie zu einem herausragenden Kandidaten für Swingtrades macht. Nassar baute eine große Position in der Nähe von 32 auf und verkaufte kürzlich einen Großteil der Position. Auf den Rest der Position verkaufte er Calls, wobei er die Juni 37,50er für 80 Cents verkaufen konnte.

B3) ProfilerDas Bild zeigt interessante Trading-Ideen, die Nassar auf seiner Webseite www.marketwise.com präsentiert.

B4) Trailing Stopps
Hier ist zu sehen, wie die Software den Stopp entsprechend immer nachzieht und schließlich die Position auflöst.

Quelle: Traders-Magazin

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