Kommentar
08:00 Uhr, 16.11.2005

Interview Adam Sheldon – der Gold- und Silber-Daytrader

Interview Adam Sheldon – der Gold- und Silber-Daytrader

Auf der TradersWorld 2005 nahm Adam Sheldon am LiveTrading Wettbewerb teil. Innerhalb weniger Stunden verdiente er knappe 2500 Dollar auf der Bühne. Das machte das TradersJournal natürlich neugierig. Einer der wenigen Daytrader der Wall Street, die profitabel an den Märkten agieren sprach mit dem Team von TJ.

TJ: Was hat Ihr Interesse an den Märkten geweckt? Wie kamen Sie überhaupt zum Trading?

Adam: Die Wurzeln für mein Börseninteresse gehen bis in die Kindheit zurück. Mein Vater verfolgte tagtäglich die Rohstoffmärkte. Überall waren Charts. Ich bin in dieser Umgebung aufgewachsen.

TJ: Er war ein Rohstoffhändler?

Adam: Er handelte Aktien und Rohstoffe. Sein Hauptaugenmerk war jedoch immer auf Gold und Silber gerichtet. Er lehrte mich viel über die Märkte. Jedoch handelte er niemals professionell - er ist Buchhalter. Jedoch betrieb er das Trading mit so einer Hingabe, dass man es als semi-professionell bezeichnen könnte. Ich selbst liebe Mathematik, Statistik und alles was mit Zahlen zu tun hat. Diese beide Faktoren spielten natürlich zusammen.

TJ: Nicht jeder angehende Trader hat so ein Glück! Gratulation! Gibt es vielleicht einige Bücher, die Sie angehenden Tradern empfehlen können?

Adam: Ja. „Das Spiel der Spiele“ von Jesse Livermore. Ich bin mir nicht sicher ob dieses Buch Trading an sich gut erklärt, aber man lernt einige Lektionen, die einem im Trading besonders weiterhelfen. Man sollte niemals sein gesamtes Kapital riskieren, wenn man am nächsten Tag noch zu den Märkten zurückkehren will.

TJ: Sie sind ein besonders aktiver Broker. Welche Software verwenden Sie? Mit welchem Broker handeln Sie und v.a. welche Werte?

Adam:
Ich verwende TradeStation und nutze eTrade als meinen Broker. Wie mein Vater, verfolge auch ich hauptsächlich Gold, Silber und Aktien, die direkt mit diesen Rohstoffen zu tun haben; beispielsweise Silber- und Goldminen. Meine Strategie ist es, sich ein spezielles Marktsegment zu suchen und dieses zu verstehen. Ich sage nicht, dass dies der optimale Ansatz ist, aber mein Trading läuft einfach besser, wenn ich mich auf diese Märkte konzentriere.

TJ: Haben Sie jemals ein Konto vernichtet? In Jack Schwager’s Büchern „Market Wizards“, in denen er herausragende Trader interviewt, zieht es sich wie ein roter Faden durch das Buch: jeder Trader scheint einmal einen Totalverlust gehabt zu haben. Sie auch?

Adam:
Ich hatte einige sehr, sehr große Verluste – daran kann ich mich noch gut erinnern, denn sie sind Teil des Lernprozesses. Man muss lernen Verluste zu begrenzen und auch verstehen, was man handelt. Mit Optionen habe ich viel Geld verloren, weil ich sie benutzte bevor ich sie wirklich begriffen hatte. Außerdem passten sie nicht zu meinem Handelsstil. Optionen sind nicht für kurzfristiges Trading konzipiert. Ich handele normalerweise auf einer sehr kurzfristigen Basis, mit rund 100 Roundturns pro Tag. Das war ein Fehler, den ich teuer bezahlte. Auch mit Aktien habe ich viel Geld verloren. Doch heute sind meine Trades zu 70 bis 80% profitabel. Ich konzentrierte mich zu sehr auf Einzelaktien, manchmal mehrere Tage. Heute weiß ich, dass es nicht lukrativ ist eine Aktie länger als ein paar Stunden, oder gar Minuten zu beobachten. Doch alles ist, wie gesagt, ein Lernprozess. Heute erkenne ich Fehler in meinem Trading viel früher, als noch anno dazumal. Wenn sich eine Position nicht in meine Richtung entwickelt, so kann ich den Trade an den Markt anpassen.

TJ: Drehen Sie die Position also um, wenn Sie erkennen, dass der Trade nicht funktioniert?

Adam: Normalerweise stelle ich meine Position glatt, wenn sich eine Aktie nicht so entwickelt, wie ich es erwarte. Ich bin dann verwirrt und muss meine Gedanken neu sortieren. Das heißt allerdings nicht, dass die richtige Seite des Marktes die andere ist – also long statt short und vice versa. In dieser Situation ist es besser gar keine Position zu haben. Erst wenn die Position glatt gestellt ist, kann man seine Emotionen wieder in den Zaum bringen. Es passiert häufig, dass man sich selbst in dem Glauben lässt man denke eigentlich rational – selbst wenn es sich um eine Verlustposition handelt. In Wirklichkeit haben die Emotionen jedoch längst die Oberhand gewonnen und man hat sie nur unterdrückt. Erst, wenn man die Position glatt gestellt hat erkennt man, dass auch Emotionen involviert waren und das rationale Denken kehrt langsam zurück. Wenn man seine Position dreht, so läuft man leicht in ein großes emotionales Problem. Läuft die gedrehte Position nämlich in die Verlustzone, so hätte der eigentliche Trade funktioniert – in dieser Situation ist rationales denken eigentlich unmöglich.

TJ: Was ist ihr Money-Management Ansatz? Wie viel riskieren Sie pro Trade?

Adam: Ich hatte schon Verlusttage, an denen ich 15% verloren habe. Man könnte sie Desaster-Tage nennen. Ich riskiere im Durchschnitt wahrscheinlich 3% meines Portfolios pro Trade. Aber ich empfehle niemandem einen speziellen Prozentsatz des Risikos. Also weder 1, 2 oder 3 Prozent. Denn Prozentsätze sind irrelevant – wenn sich die Anzeichen verdichten, dass die Position glatt gestellt werden sollte, dann tun Sie das. Schlagen Sie sich nicht mit Prozentzahlen herum – konzentrieren Sie sich auf den Trade. Dann kontrollieren Sie auch das Risiko.

TJ: Wie sind ihre Performance-Zahlen?

Adam: Der Schlüssel zu erfolgreichem Trading liegt nicht in den Performance-Zahlen. Wer konstante Gewinne ohne große Drawdown an den Märkten erzielt, der hat den Schlüssel zum Erfolg gefunden. Im Schnitt habe ich 2 Gewinntage für jeden Verlusttag, während mein durchschnittlicher Gewinn knapp über meinem durchschnittlichen Verlust liegt. Mein Ziel ist beide Werte langfristig zu verbessern.

TJ: Sie handeln auf Margin. Wie hoch ist die Margin die Sie verwenden?

Adam: Ich habe eine Margin/Cash-Ratio von 25%, d.h. einen Hebel von 4. Das mache ich bei Intraday-Trades. Bei Swing-Trades ist die Margin um einiges geringer – meist sogar unter der magischen Marke von 50%. Die Höhe der Margin kommt auch auf den Trend an. Ist es ein primärer oder ein sekundärer Gegentrend? Wenn es sich nur um eine Korrekturbewegung handelt, verwende ich weniger Margin.

TJ: Wie lange brauchten Sie um konstant Geld an den Märkten zu verdienen? Wie lange war ihre „Ausbildungszeit“ sozusagen?

Adam: Diese Frage ist für mich schwierig zu beantworten. Aufgrund meiner Kindheit machte ich meinen ersten Trade mit 10 Jahren. Als ich dann 20 oder 25 war, habe ich mich ernsthaft mit den Märkten beschäftigt. Jetzt bin ich 31 Jahre alt – aber ich denke, ich brauchte wahrscheinlich 5 bis 7 Jahre. Man kann den Lernprozess beschleunigen, indem man alles liest, was einem in die Hände fällt.

TJ: Glauben Sie an technische Analyse? Trendlinien, Chartformationen?

Adam: Absolut. Ich denke, technische Analyse funktioniert ausgezeichnet. Wenn man anhand der technischen Analyse handelt – sei es mit gleitenden Durchschnitten, Stochastiken oder was auch immer, so muss man dieses System automatisieren. Beim Daytrading kommt es mehr auf die Level II-Daten. Ich denke, mehr brauche ich nicht. Aber lassen Sie mich noch mal sagen, mein Hintergrund ist die Mathematik – ich liebe die Mathematik. Aber jeder Indikator und Oszillator ist nur ein Derivat von Preis und Zeit. Aber wenn man einen Chart am Bildschirm hat, dann braucht man auch keinen Indikator und keinen Oszillator. Ein Chart reicht vollkommen.

TJ: Denken Sie Ihr Level II – Handelsansatz könnte computerisiert bzw. automatisiert werden?

Adam: Das ist eine gute Frage. Ich habe auch Programmierkenntnisse. Ja, ich denke man könnte viele Dinge in Code packen. Doch das wäre ein enormer Arbeitsaufwand – es könnte Jahre dauern all diese Strategien einen Computer beizubringen. Das sind enorme Opportunitätskosten.

TJ: Haben Sie einen Volatilitätsfilter? Man sagt, dass Daytrader von Volatilität leben.

Adam: An Tagen niedriger Volatilität kann man den Bid kaufen und den Ask verkaufen. Das ist eine bekannte MarketMaker-Strategie. Aber wenn nicht viel passiert, dann mache ich andere Arbeit und beobachte die Märkte nur mit einem Auge. Ab und zu nehme ich mir auch den Tag frei. Aber ich versuche an Tagen mit geringer Volatilität kleinere Positionsgrößen zu fahren oder einige Analysen zu erstellen.

TJ: Was denken Sie ist die wichtigste Charaktereigenschaft eines Traders? Was ist die wichtigste Zutat für einen guten Spekulanten?

Adam: Darf ich Ihnen fünf nennen? Disziplin ist definitiv die Nummer eins – die Disziplin seinen Instinkten zu folgen. Weiters eine positive Grundeinstellung, ein ausgeglichenes Leben, einen Sinn von Humor und Hingabe sowie Ehrlichkeit zur Selbstanalyse. Es ist auch ganz wichtig sein Ego auszuschalten. Trading hat nichts mit Ego zu tun.

TJ: Glauben Sie an Diversifikation? Oder legen Sie alle Ihre Eier in einen Korb`?

Adam: Hm, das ist eine schwierige Frage. Ich diversifiziere zumindest in keine Fonds oder sonstiges. Ich möchte mein Geld selbst verwalten. Ich handle nur einen Sektor, den Edelmetall-Sektor. Es ist schwierig darin effektive Diversifikation zu betreiben. Ich halte meist 5 oder 6 Positionen. Aber es können auch weniger sein, auch gar keine. Für einen aktiven Trader ist Diversifikation beinahe irrelevant. Wenn Sie nicht ganz sicher sind, was passieren könnte, dann ist es besser 100% in Cash zu sein. Man verliert seine kurzfristigen Trades aus den Augen. Wer längerfristig handelt, für den ist Diversifikation gut. Es kommt auf die Zeitebene an, auf der Sie handeln. Wenn Sie den 1-Minuten Chart handeln, dann sind zwei Aktien mehr als genug. Wenn Sie den 5-Minuten-Chart handeln, dann sind wahrscheinlich 5 oder 6 Aktien möglich. Auf Tagesbasis sind es vielleicht 10 bis 12 – es kommt also immer auf die Zeitebene an. Das ist wahrscheinlich der beste Weg um diese Frage zu beantworten.

TJ: Was machen Sie, wenn Sie nicht handeln? Sie sagten es ist wichtig ein ausgeglichenes Leben zu haben. Wie findet ein Daytrader mit rund 100 Roundturns pro Tag effektiven Ausgleich?

Adam: Ich gehe oft ins Fitnessstudio, das trainiert die Reflexe. Natürlich lese ich sehr viel. Ich gieße meine Pflanzen – ich verbringe wirklich viel Zeit damit meine Pflanzen zu gießen. Da ich in New York wohne gibt es wirklich immer etwas zu tun. Ich bin auch sehr in Astrologie und Hypnose interessiert. Ich nutze diese beiden Dinge um mich selbst und die Märkte zu analysieren. Ich reise auch sehr gerne und natürlich höre ich sehr gerne Musik.

TJ: Vielen Dank für das interessante Gespräch!

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Das Gespräch führte Pierre M. Daeubner

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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