Kommentar
16:39 Uhr, 16.08.2022

Inflationsziel vs. Arbeitslosigkeit: Wie viele Arbeitlose brauchen wir für 2 % Inflation?

Obwohl der Trend stimmt, ist die Inflationsrate noch immer viel zu hoch. Um das 2% Ziel zu erreichen, muss die Arbeitslosigkeit steigen.

Nicht jeder ist der Meinung, dass die Arbeitslosenrate deutlich steigen muss, um die Inflation unter Kontrolle zu bringen. Einer, der die These vertritt, ist Larry Summers. Er geht davon aus, dass die Arbeitslosenrate deutlich steigen muss. Um das 2 % Ziel zu erreichen, braucht es eine Arbeitslosenrate von 7,5 % über zwei Jahre, von 10 % über ein Jahr oder 5 % über fünf Jahre. Die Arbeitslosenrate hängt also auch davon ab, wie schnell das Ziel erreicht werden soll. Die Annahme, dass die Arbeitslosenrate steigen muss, um die Inflation zu senken, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Je mehr Menschen arbeiten und Einkommen haben, desto höher ist die Nachfrage. Andererseits bedeutet mehr Beschäftigung auch mehr Produktionskapazität und Angebot. Dennoch lässt sich feststellen, dass sehr niedrige Arbeitslosenraten inflationär sind. Sinkt die Rate unter die nichtzyklische Rate (Rate, die nicht inflationär ist), steigt die Inflationsrate an. Aktuell befindet sich die US-Arbeitslosenrate unterhalb der nichtzyklischen Rate.


Mehr Beschäftigung bedeutet zwar höhere Produktionskapazität, doch wenn das Angebot an Arbeit knapp ist, steigen die Löhne schneller als das Angebot an Produkten. Löhne steigen mit leichter Verzögerung, wenn die Arbeitslosenrate fällt (Grafik 2). Da die Arbeitslosenrate aktuell weiter rückläufig ist, bleibt auch das Lohnwachstum unterstützt.

Die Löhne steigen derzeit weniger stark als die Inflation. Das wirkt mittelfristig dämpfend auf die Preisentwicklung. Die Inflation, die wir jetzt sehen, ist die Folge von Lohnwachstum oberhalb der Inflationsrate von 2018 bis 2021. Liegt das Lohnwachstum oberhalb der Inflation, steigen die Preise in der Folge schneller. Diese Systematik ließ sich mehrfach beobachten (Grafik 3).


Wenn nun aber die Löhne weniger stark steigen als die Inflation, sollte mehr Beschäftigung eigentlich gut sein. Es kann mehr produziert werden und wenn gleichzeitig die Löhne langsamer steigen als die Preise, wirkt dies positiv. Das Angebot steigt mehr als die Nachfrage. Das ist die Theorie.

In der Praxis hängt das Angebot nicht nur von der Zahl der Beschäftigten ab, sondern auch von der Produktivität. Dieses ist rückläufig. Die Lohnstückkosten, die sowohl Inflation als auch Produktivität abbilden, steigen fast in Rekordtempo (Grafik 4). Zusätzliche Beschäftigung erhöht zwar das Angebot, aber nicht ausreichend. Zudem bedeuten Lohnstückkosten oberhalb der Inflationsrate, dass die Margen der Unternehmen sinken.


Zusammengefasst ist die Ausgangslage tatsächlich so, dass die Inflation das 2 % Ziel nur erreichen kann, wenn die Nachfrage (Beschäftigung) fällt. Dies wirkt in zweifacher Hinsicht. Weniger Beschäftigung und Einkommen senkt die Nachfrage und erhöht das Angebot an Arbeit, was die dortigen Preise (Löhne) langsamer steigen lässt.

Der Inflationstrend stimmt zwar seit Juli wieder, doch mit 8,5 % ist die Inflationsrate noch immer viel zu hoch. Um sie auf 2 % zu senken, braucht es mehr als fallende Benzinpreise, die den Rückgang im Juli bewirkt haben. Es ist unwahrscheinlich, dass die Inflationsrate von alleine unter das Lohnwachstum fällt.

Ohne Schmerz geht es nicht. Betrachtet man die lange Historie aus Arbeitslosenrate und Inflation, sollte ein Anstieg der Arbeitslosenrate um zwei bis drei Prozentpunkte ausreichen. Das hat auch für Anleger weitreichende Folgen, die man nicht unterschätzen darf. Mehr dazu in einem Folgeartikel.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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