Inflation: Ein nicht zu durchbrechender Zyklus?
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Externe Quelle : INVESCO
Der dramatische Anstieg der Rohstoffpreise in den vergangenen Monaten und der dadurch in den meisten entwickelten und aufstrebenden Märkten ausgelöste Inflationsdruck könnte die Notenbanken der betreffenden Staaten zu einer sukzessiven Straffung ihrer Geldpolitik veranlassen. Dabei zeigt eine Analyse der direkten und fundamentalen Inflationstreiber, dass es sich bei den jüngsten Preisschüben keineswegs um ein neuartiges Phänomen handelt, sondern lediglich um die nächste - und schon fast letzte - Phase eines typischen, von monetären Kräften getriebenen Konjunkturzyklus. Sollte die Geldpolitik jetzt verschärft werden, könnten in den Industrieländern schon in ein oder zwei Jahren wieder die Deflationssorgen an erster Stelle stehen.
Tatsächlich ist die aktuelle Preisentwicklung weitaus weniger dramatisch als die von den Industrieländern in den 1970ern und 1980ern erlebten Inflations schübe. Auch gibt es keinen Grund zur Annahme, dass die Teuerung heute ein vergleichbares Niveau erreichen könnte. Allerdings könnten die jüngsten Preisschübe, die auf ein bis zwei Jahrzehnte relativer Preisstabilität folgen, in einigen Staaten durchaus zu einem monetären Schock führen. So hat die indische Notenbank den Leitzins um 50 Basispunkte auf 8,5% heraufgesetzt und eine zweistufige Anhebung der Mindestreserve auf 8,75% beschlossen, nach dem der Verbraucherpreisindex im Juni auf 11,05% kletterte und damit doppelt so hoch war wie die Zielrate der Bank von 5,5%. Auch im Euroraum stieg die Jahresinflationsrate im Juni auf das Doppelte der Zielrate der Europäischen Zentralbank von "nahe an, aber unter 2%", woraufhin die Euro-Währungshüter den Leitzins um 25 Basispunkte auf 4,25% anhoben.
Um zu verstehen, wie und warum sich die Inflation beschleunigt hat, wie stark dieser Anstieg ausfallen und wie lange er noch anhalten wird, bedarf es einer genaueren Untersuchung sowohl der direkten Inflationstreiber als auch der tief gehenden Ursachen, die diesem Teuerungsschub zugrunde liegen.
Ein monetäres Phänomen
Was die direkten Inflationstreiber angeht, herrscht in allen betroffenen Ländern große Überein stimmung: höhere Nahrungsmittel- und Energiepreise, die in einigen Fällen noch von schwächeren Wechselkursen oder einer lokalen Angebotsverknappung in Folge von Dürreperioden, Überflutungen, Raffi nerie schließungen oder anderen temporären Ereignissen verschärft worden sind. Allerdings ist ein Ansatz, der die Inflation als Ergebnis der Verteuerung von Nahrungsmittel- oder Energiepreisen betrachtet, zumindest oberflächlich und schlimmstenfalls sogar irreführend - weil er keinen Hinweis auf die Ursachen der Nahrungsmittel- und Energiepreisinflation gibt und zu gravierenden geldpolitischen Fehlentscheidungen führen kann, falls die Lösung in der Steuerung oder Kontrolle der Rohstoffpreise am Weltmarkt gesucht werden sollte. So zeigt eine Analyse der Erzeugerpreisindizes, dass diese "Pipeline Inflation" in Gestalt höherer Rohstoffpreise nicht in jedem Marktumfeld automatisch an die Endverbraucher weitergegeben wird.
Daher bedarf es einer tiefer gehenden Analyse der fundamentalen Ursachen der Inflation. Wie der Ökonom Milton Friedman erklärte, handelt es sich bei der Inflation grundsätzlich "immer und überall um ein monetäres Phänomen", wobei sich geldpolitische Entscheidungen mit "unterschiedlich langer" Verzögerung auf die Preisentwicklung auswirken. Das heißt auch, dass die monetären Ursachen der aktuellen Teuerungswelle mehrere Jahre zurückliegen könnten.
Der allgemeinen Theorie der Inflation (oder Deflation) zu Folge überträgt sich die Wirkung einer nach haltig expansiven (oder restriktiven) Geldpolitik zunächst auf eine Reihe von Asset-Märkten und dann - über Vermögenseffekte - auf die gesamt wirtschaftliche Leistung und letztlich die Verbraucherpreis inflation. Dieser Übertragungsprozess baut sich über einen längeren Zeitraum auf und wirkt sich entweder gleichzeitig oder nacheinander auf unterschiedliche Märkte aus. Dieser Ansicht nach ist quasi der gesamte Konjunkturzyklus geldpolitisch gesteuert.
Wenn wir diesen Übertragungsprozess anhand des jüngsten Konjunkturzyklus überprüfen wollen, müssen wir bis in die Jahre 2002 bis 2005-06 zurückgehen, als eine expansive Geldpolitik - vor allem in den USA, aber auch in vielen anderen großen Volkswirtschaften - einen Boom an den Kreditmärkten auslöste, gefolgt von einer Rally der Aktien kurse und der Preise für Eigenheime und gewerbliche Immobilien. Aufgrund von Vermögenseffekten sorgte dieser Anstieg der Asset-Preise auch für kräftige Wachstumsimpulse. In den meisten Volkswirtschaften legten das reale BIP, die Industrieproduktion und die Konsumausgaben zu. Die gesamt wirtschaftliche Expansion, die im Jahr 2007 in einer rekordhohen globalen Wachstumsrate von 4,9% gipfelte, heizte die Nachfrage nach Rohstoffen an. In den meisten Volkswirtschaften schlugen sich die steigenden Rohstoffpreise schließlich auch in einer beschleunigten Verbraucherpreisinflation nieder.
Während der Aufschwungphase veranlasste der scharfe Wettbewerb an den Kreditmärkten die Banken und Investmentbanken vor allem im Bereich der privaten Hypothekenkredite zur Ausweitung ihrer Kreditvergabepraxis. Unter Ausnutzung der günstigen Kreditkonditionen und des hohen Risiko appetits der institutionellen Investoren wurden viele dieser Kredite verbrieft und an Hedgefonds, Private- Equity-Gesellschaften oder von den Banken gegründete Zweckgesellschaften verkauft. Das Ergebnis war eine positive Rückkopplung zwischen der zunehmenden Wachstumsdynamik und den steigenden Wertpapier-, Haus- und Immobilienpreisen - weil die Banken, deren Bilanzen dank des "Mark-to-Market"-Prinzips durch ihre Investments in diesen Märkten gestärkt waren, große Anreize hatten, sich noch weiter zu verschulden und noch mehr Kredite zu vergeben.
Sinkende Rohstoffpreise durch schwächeres Wachstum
Die aktuelle Situation zeigt, dass Symptome einer Rezession an den Aktien- und Immobilienmärkten mit Symptomen einer fortgesetzten Expansion bei den Rohstoff- und Verbraucherpreisen einher gehen können, wenn die sukzessiven geldpolitischen Impulse auf die Verbraucherpreise durchschlagen. Während die Rohstoffpreise und die Verbraucherpreisinflation derzeit weiter zulegen, hat die jüngste Verschärfung der Geldpolitik so einige Auswir kungen der expansiven Geldpolitik der Vergangenheit aufgehoben bzw. umgekehrt. In den USA setzte der Rückgang der Hauspreise tatsächlich bereits Ende 2005 ein, nachdem die amerikanische Notenbank in den Jahren 2004-06 die geldpolitischen Zügel straff te und die Hauspreise ein sehr hohes relatives Niveau im Vergleich zu den Einkommen erreicht hatten. Der Rückgang der Preise im gewerblichen Immobiliensektor setzte später ein, und an den Aktienmärkten zeigen die Kurse seit August 2007 abwärts.
Wie Aktienkurse und Hauspreise werden auch die Rohstoffpreise letztlich zurückgehen - weil das aktuel le Tempo der Rohstoffverteuerung nicht haltbar ist, wenn die Weltwirtschaft an Fahrt verliert. An gesichts des äußerst begrenzten Geldmengenund Kreditwachstums seit Ausbruch der Kreditkrise im August 2007 dürften die Verbraucherpreise dem Abwärtstrend der Rohstoffpreise in etwa zwölf Monaten ebenfalls folgen. So könnten sich die Industrieländer in bereits ein oder zwei Jahren wieder stärker über deflationäre als inflationäre Tendenzen sorgen.
Versuche, den Zyklus zu durchbrechen
Lässt sich der durch geldpolitische Lockerung und Verschärfung gesteuerte "Boom and Bust"-Zyklus überhaupt durchbrechen? Gibt es Beispiele für eine nicht-zyklische Geldpolitik der Notenbanken, die zeigen, wie sich der Konjunkturzyklus besser steuern ließe? Hier lohnt sich ein Blick auf die Erfahrung in Japan während der zweiten Ölkrise in den Jahren 1979 und 1980. Nach einer mehrjährigen Phase eines kontrollierten monetären Wachstums bewegten sich die japanischen Erzeuger- und Verbraucher preise in diesem Zeitraum kaum, obwohl sich die Ölimportpreise verdoppelten und die Rohstoffpreise um mehr als 20% in die Höhe schossen. Mit anderen Worten: Wenn selbst in Zeiten drastisch steigender Rohstoffpreise für eine stabile Geldpolitik gesorgt wird, gibt es keinen Grund, warum nicht auch die Verbraucherpreise stabil bleiben sollten.
INVESCO zählt als Teil der AMVESCAP Gruppe zu den führenden Asset Managern weltweit. Zusammen mit den Schwesterunternehmen verwaltet INVESCO weltweit über 470 Milliarden Euro (Stand: 31.5.2008). Über 5.000 Mitarbeiter, darunter rund 500 Investmentspezialisten, sind in 19 Ländern im Einsatz.
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