Kommentar
08:06 Uhr, 22.05.2015

Inflation: Diesen Faktor verstehen die Zentralbanken noch nicht

Die Inflation ist niedrig. Gründe dafür gibt es viele. Einen Grund haben die wenigsten auf dem Radar: das Internet.

Konsumenten können sich über niedrige Inflation freuen. Notenbanken hingegen freuen sich gar nicht und setzen Himmel und Erde in Bewegung, um die niedrige Inflation zu bekämpfen. Scheitern werden sie trotzdem, denn viele der Gründe für niedrige Inflation sind nicht durch Zinsen und Gelschwemme zu bekämpfen.

Wieso Inflation entsteht, ist sehr einfach zu verstehen. Sie entsteht, wenn die Nachfrage das Angebot übersteigt. Das kann auf zwei Arten passieren. Entweder steigt die Nachfrage schneller als das Angebot oder das Angebot sinkt, die Nachfrage hingegen bleibt gleich oder steigt. Gibt es ein Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage, dann entsteht Inflation, um das Ungleichgewicht wieder zu beseitigen. Ist die Nachfrage zu groß, dann wird diese mit steigenden Preisen wieder sinken. Angebot und Nachfrage finden wieder ein Gleichgewicht, wenn der Preis hoch genug ist. Gleiches gilt auch für Deflation. Ist das Angebot zu groß bzw. die Nachfrage zu klein, dann müssen die Preise sinken, damit mehr nachgefragt oder weniger produziert wird.

Notenbanken können sowohl die Angebots- als auch die Nachfrageseite indirekt beeinflussen. Steigt die Inflation zu stark, dann heben sie die Zinsen an. Das verringert die Nachfrage, weil es teurer wird, auf Kredit zu konsumieren. Gleichzeitig wird es attraktiver zu sparen. Beides sollte die Nachfrage dämpfen, sodass Angebot und Nachfrage wieder in ein besseres Gleichgewicht zurückkehren können.

Ist die Inflation zu niedrig oder negativ, dann werden die Zinsen gesenkt. Das macht es attraktiver, Geld für Konsum und Investitionen zu leihen. Gleichzeitig wird es unattraktiver ,Geld zu sparen. Beides sollte helfen, die Nachfrage zu stärken.

Zinsen sind ein gutes Instrument, um Angebot und Nachfrage zu helfen, ein möglichst stabiles Gleichgewicht zu bewahren. Seit der globalen Finanzkrise funktioniert das nicht mehr. Die Gründe dafür sind vielfältig. Im Kern kann man jedoch sagen, dass die Welt an einem Überangebot leidet. Niedrige Zinsen sollen die Nachfrage beflügeln. Das funktioniert allerdings nicht, weil viele, die nachfragen könnten, überschuldet sind. Unternehmen halten Investitionen zurück, weil sie nicht daran glauben, dass Investitionen ausreichend Rendite bringen. In einem Umfeld, indem die Nachfrage stockt, macht es auch wenig Sinn, in neue Produktionskapazität zu investieren.

Ein Grund für die niedrige Inflation ist die vorhandene Überkapazität. Je nach Region kommen auch noch demographische Faktoren hinzu. Wenn eine Bevölkerung überaltert und schrumpft, dann kann man Nachfragewachstum kaum erzielen, egal wie niedrig die Zinsen sind. Weltweit betrachtet ist die private Nachfrage schwach, aber sie wächst noch. Sie wächst halt nur langsamer als vor der Finanzkrise, und das bereitet vielen große Sorge.

Die Sorgen sind nicht vollkommen unbegründet, aber sie sind übertrieben. Einerseits muss man akzeptieren, dass es Faktoren gibt, die das Wachstum abschwächen. Mit der Notenpresse gegen die demographische Entwicklung vorzugehen ist nicht nur sinnlos, sondern auch noch gefährlich. Es sorgt für Preisblasen, z.B. auf dem Immobilien- und Aktienmarkt. Ebenso scheinen Notenbanken den Wandel der Wirtschaft noch nicht bemerkt zu haben. Dabei geht es nicht um Themen wie Demographie, sondern um Technologie.

Technologie hat den Handel und damit auch den Konsum revolutioniert. Die Grafik zeigt zwei verschiedene Inflationsraten für Großbritannien. Die blaue Linie zeigt die „normale“ offizielle Inflationsrate. Die rote Linie zeigt die online Inflationsrate. Die online Inflation zeigt die Preisentwicklung von Gütern, die im Internet gekauft werden können.

Im Internet lässt sich inzwischen so gut wie alles kaufen. Begonnen hat es mit Artikeln wie Büchern und Kleidung. Heute lässt sich genauso gut auch der Lebensmitteleinkauf online tätigen. Auch der Verkauf von Elektronik und Großgeräten verlagert sich mehr und mehr ins Internet. Vor einigen Jahren wurde die persönliche Beratung noch geschätzt. Heute übernimmt die Beratung das Internet. Es gibt so viele Bewertungs- und Vergleichsportale, die die wichtigsten Eigenschaften herausstreichen, Testberichte liefern und Kundenmeinungen widerspiegeln, dass man sich ein viel umfassenderes Bild machen kann als in einem Geschäft.

Die Preise im online Handel sind relativ stabil. In den vergangenen 10 Jahren sind die Preise im online Handel unterm Strich nicht gestiegen. Das gilt nicht nur für Großbritannien, sondern auch für andere Länder, wobei der Discount zur normalen Inflation unterschiedlich stark ausgeprägt ist.

Das Internet macht nicht bei Gütern Halt. Immer mehr Services werden inzwischen ebenfalls online angeboten bzw. können dort bestellt werden. Ein gutes Beispiel ist Uber. In vielen Städten hat der Taxidienst dazu geführt, dass die Preise für Taxis gesunken sind, weil Uber Services in der Tendenz etwas günstiger sind.

Im Kern schaltet das Internet viele Intermediäre aus. Bei herkömmlichen Taxis sind oft Lizenzen zu erwerben, die viel Geld kosten. Das zahlt letztlich der Konsumente. Bei Uber fallen diese Kosten nicht an. Das macht es insgesamt günstiger. Im Vergleich zum klassischen Handel fallen gleich mehrere Kostentreiber weg. Während Geschäfte viel Personal brauchen, braucht ein online Händler deutlich weniger Personal, welches die Ware lediglich aus dem Lager holt. Ebenso wird nur ein großes Lagerhaus gebraucht, welches oft dezentral außerhalb von Städten liegt, wo die Kosten gering sind. Wer Kleidung im Geschäft verkaufen will, der braucht einen zentralen Standort, wo die Miete meist nicht gerade geschenkt ist.

Das Internet bzw. generell neue Technologien und Automatisierung üben Druck auf die Preise aus. Das hat nichts mit Demographie oder Zinsen zu tun. Da können Notenbanken die Zinsen noch so tief senken, es wird daran nichts ändern. Das Internet ist sicherlich nicht allein für die niedrige Inflation verantwortlich. Je mehr allerdings über das Internet verkauft wird, desto größer wird der Druck auf die Preise. Momentan wird trotz hohen Wachstums ein noch relativ geringer Teil des Handels über das Internet abgewickelt. Je größer der Anteil wird, desto weniger Preisdruck nach oben ist zu erwarten. Momentan lässt das Internet die Preise um ca. 0,1 bis 0,2 Prozentpunkte pro Jahr weniger steigen als ohne Internet. Das klingt nach nicht besonders viel. Bei einer Inflationsrate, die ohnehin nur bei 0,5 oder einem Prozent liegt, macht das doch einiges aus und es wird in Zukunft immer mehr ausmachen.

Notenbanken täten gut daran, ihre Vorstellung von Inflation anzupassen. Sie machen eine Geldpolitik, die sich an den wirtschaftlichen Gegebenheiten der 1950er Jahre orientiert. Das ist natürlich unsinnig. Das unumstößliche Beharren auf 2% Inflation passt nicht mehr zur wirtschaftlichen Realität.

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2 Kommentare

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    Es ist davon auszugehen. Ich habe ihn vorhin mit der Printausgabe von "Guten Morgen Godmode-Trader" in der U-Bahn gesehen.

    09:33 Uhr, 22.05. 2015
  • bembes
    bembes

    Hoffentlich liest dies Super-Draghi und seine Kadetten !!!!!!!!!!!!!

    08:10 Uhr, 22.05. 2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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