Kommentar
09:02 Uhr, 11.02.2022

Inflation: Der nächste Schock wartet bereits

Anleger verarbeiten noch den Inflationsschock aus den USA. Der Preisauftrieb verlangsamt sich nicht, sondern geht munter weiter. Und der nächste Schock wartet bereits.

Eigentlich sollte die Inflation in den USA in diesen Wochen ihren vorläufigen Höhepunkt erreichen. Im Januar wurde dieser Höhepunkt offensichtlich noch nicht erreicht. Die Inflationsrate war höher als erwartet. Dennoch kann man sich der Sache, dass die Inflationsrate in naher Zukunft zumindest kurzfristig zurückgeht, sicher sein.

Der Grund: Lieferengpässe werden langsam überwunden. Dass der Effekt im Januar noch nicht spürbar war, hat gute Gründe. Vor allem Energiepreise zogen die Inflationsrate weiter nach oben. Dieser Effekt wird sich nicht Monat um Monat wiederholen. Ein geringerer Preisauftrieb bei Gütern dank einer Normalisierung der Lieferketten und geringeren Basiseffekten wird in den kommenden Monaten in den USA sichtbar werden. In Europa ist damit vor der zweiten Jahreshälfte nicht zu rechnen.

Ein Grund dafür, dass Notenbanken die Inflation zu Beginn nicht ernstnahmen, waren Lieferengpässe. Diese führten zu einer Verknappung der Versorgung. Gleichzeitig stieg die Nachfrage nach Gütern sprunghaft an. Menschen konnten durch Lockdowns nur begrenzt Dienstleistungen nutzen. Das Geld floss in den Güterkonsum.

Notenbanker gingen davon aus, dass sich die Lieferketten schnell normalisieren würden. Inflation wurde daher als vorübergehend abgetan. Wir wissen, dass die Probleme länger anhielten als von vielen erwartet. Güterknappheit hielt sich beharrlich und entsprechend hielt sich auch der Preisauftrieb.

Nun gibt es erste Zeichen der Entwarnung in den Lieferketten. Die Knappheit war in einigen Bereich so groß, dass die Nachfrage auch bei steigenden Preisen nicht mehr bedient werden konnte. Das galt z.B. für Neuwagen. Es wurden zu wenige Autos produziert. Nun steigen die Autoverkäufe in den USA sprunghaft an (Grafik 1). Das ist nur möglich, wenn auch zuvor mehr produziert wurde und man kann nur mehr produzieren, wenn die Vorleistungsgüter vorhanden sind. Der Chipmangel mag noch lange Thema bleiben, doch das Schlimmste ist überwunden. In vielen anderen Bereichen deutet sich schnellere Entspannung an.

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Es gibt weitere Anzeichen der Entwarnung, die allerdings weniger erbaulich sind. Der Realkonsum liegt in den USA inzwischen unter dem Vorkrisentrend (Grafik 2). Das Problem der Knappheit kann man auch lösen, indem weniger nachgefragt wird. Den Beginn davon sehen wir in den USA.

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Einen Abschwung will niemand. Der US-Konsum bekommt ihn aber. Das liegt an der rapide sinkenden Nachfrage nach Gütern (Grafik 3). Der Güterkonsum ist rückläufig. Im Gegenzug steigt der Dienstleistungskonsum. Der Anstieg ist jedoch nicht ausreichend, um den lahmenden Güterkonsum zu kompensieren.

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Hier beginnen die neuen Probleme. Bei Gütern legt sich die Knappheit, zum Teil aufgrund einer Entspannung bei Lieferketten, zum Teil liegt es auch einfach an nachlassender Nachfrage. Dafür steigt die Nachfrage nach Dienstleistungen immer schneller an, zumal ein Großteil der Länder nun mehr oder minder koordiniert die meisten Einschränkungen innerhalb der nächsten Wochen aufgeben wird.

Dienstleistungen müssen bereitgestellt werden, ebenso wie Güter produziert werden müssen. Bei Dienstleistungen kommt es nicht darauf an, ob China genügend produzieren kann, sondern ob man im eigenen Land ausreichend Arbeitnehmer findet. In der Eurozone ist die Arbeitslosenrate auf den tiefsten Stand seit Einführung des Euros gefallen. In den meisten Kernländern ist das Vorkrisenniveau, welches nahe der Rekordtiefs war, fast erreicht (Grafik 4).

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In den früheren Krisenländern (Ausnahme ist Italien) werden ebenfalls Arbeitslosenraten erreicht, die es seit Ausbruch der Eurokrise nicht mehr gab (Grafik 5). Arbeitnehmer zu finden ist schwieriger geworden. Das gilt in Europa ebenso wie in den USA, auch wenn von den USA mehr berichtet wird.

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In den USA und anderen Ländern sind die Quoten so niedrig wie seit Jahrzehnten nicht (Grafik 6). Bis jetzt hieß das globale Problem Lieferkette. Nun heißt es Arbeitskräftemangel. Das ist nicht weniger schlimm als Lieferengpässe. Dienstleistungen haben einen höheren Anteil am Gesamtkonsum. Will man die dort steigende Nachfrage bedienen, braucht es deutlich mehr Arbeitskräfte. Bei sehr niedriger Arbeitslosigkeit wird das schwierig. In der Folge werden Dienstleistungen teurer.

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Den Preisanstieg, den Lieferengpässe bei Produkten bewirkt haben, kann nun der Arbeitskräftemangel bei Dienstleistungen bewirken. Das Inflationsproblem ist nicht gelöst, es verschiebt sich lediglich von knappen Gütern zu knapper Arbeitskraft, um Dienstleistungen bereitstellen zu können.

Viele Marktteilnehmer gehen davon aus, dass die Inflationsrate in diesen Wochen in den USA ihren Höhepunkt erreicht und danach langsam zurückgeht. Ein anderes Szenario wird immer wahrscheinlicher: Dem vorübergehenden Rückgang folgt ein neuer Inflationsschub. Wird das erst erkannt, wird es ein neuer Schock.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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