Kommentar
17:40 Uhr, 30.05.2023

Inflation: Das hätte nicht passieren dürfen!

Nach vielen Monaten mit guten Neuigkeiten bei der Inflation kommen jetzt Hiobsbotschaften. Ist der Markt immer noch zu optimistisch gestimmt, was die Zinsentwicklung anbelangt?

Die negativen Entwicklungen bei der Inflation perlen am Aktienmarkt derzeit wie fast alles ab. Kurzfristig könnte das so bleiben. Selbst wenn die US-Notenbank die Zinsen im Juni nochmals anhebt, ist das für den Aktienmarkt keine Katastrophe. Die Wahrscheinlichkeit für eine weitere Zinsanhebung liegt deutlich über 50 %. Sie käme also nicht unerwartet. Nur das, was unerwartet kommt, sorgt für Unruhe.

Was kurzfristig nicht besorgt, kann langfristig zum Bumerang werden. Warten Notenbanken nicht ab, wie die Wirtschaft überhaupt auf die bisherigen Zinsschritte reagiert, ist die Wahrscheinlichkeit eines zu hohen Zinses plötzlich sehr hoch. Anstatt einer weichen Landung kommt dann doch die harte. Jeder zusätzliche Basispunkt lässt eine harte Landung näherkommen. Wieso aber ist die Zinspause plötzlich unwahrscheinlicher?

Begonnen hat die Misere in Großbritannien. Dort stieg die Kerninflation auf ein neues, zyklisches Hoch. Sie sprang förmlich von 6,2 % auf 6,8 % nach oben. Die Inflation, inklusive Energie und Nahrungsmitteln, fällt zwar weiter, doch wenn die Kerninflation bisher noch kein Hoch erreicht hat, zwingt dies die Notenbank förmlich zu weiteren Zinsschritten (Grafik 1).

Inflation-Das-hätte-nicht-passieren-dürfen-Kommentar-Clemens-Schmale-stock3.com-1

Keiner weiß, wie sich die Lage entwickeln wird. Es könnte wie 1991 sein. Damals sprang die Kernrate ebenfalls auf ein neues Hoch, während die Inflation deutlich zurückging. Es könnte aber auch wie 2010 sein. Es kam zu einer zweiten, wenn auch kleinen Inflationswelle.

Das Risiko will niemand eingehen, weder die Bank of England noch die Fed. Diese fokussiert sich weniger auf die Inflationsraten im Ausland. Die Korrelation zwischen den Inflationsraten ist allerdings hoch. Großbritannien zeigt, was geschehen kann: Die erste Inflationswelle ist noch nicht gebrochen.

In den USA stieg die Kernrate im April leicht an. Erwartet wurde etwas anderes. Die Dynamik, mit der die Kernrate vom Hoch zurückgeht, schwächt sich immer weiter ab. Analysiert man die Entwicklung der Inflationsrate wie einen Chart, kann man beginnen, an einen Boden zu glauben (Grafik 2).

Inflation-Das-hätte-nicht-passieren-dürfen-Kommentar-Clemens-Schmale-stock3.com-2

Anleger erwarten aufgrund dieser Entwicklungen bisher nur einen zusätzlichen Zinsschritt. Beginnt hingegen gerade eine zweite Inflationswelle, steht der Leitzins in den USA am Ende doch bei 6 % und mehr. Es ist so gut wie ausgeschlossen, dass es unter diesen Umständen keine harte Landung und ein erneutes Aufflackern der Bankenkrise gibt.

In der Eurozone sieht es kaum besser aus. Mehrfach pausierte der Anstieg der Kernrate für einen Monat, bevor sich der Trend fortsetzte (Grafik 3). Ob sich dieses Schema wiederholt, wissen wir bereits in einigen Tagen. Für die USA und Großbritannien ist schon jetzt klar, dass der Trend nicht wie erwartet verläuft. Das hätte nicht passieren dürfen.

Inflation-Das-hätte-nicht-passieren-dürfen-Kommentar-Clemens-Schmale-stock3.com-3

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

Mehr über Clemens Schmale
  • Makroökonomie
  • Fundamentalanalyse
  • Exotische Basiswerte
Mehr Experten