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12:49 Uhr, 07.03.2017

Indiens Wirtschaftsreformen: Zwei Schritte vorwärts, einen zurück

Narendra Modi treibt Aviva-Finanzexperte Will Ballard zufolge einen kohärenten Wirtschaftsreformplan voran – auch wenn diese Reform manchmal langsam und fehlerhaft daherkomme.

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London (GodmodeTrader.de) - Als Narendra Modi 2014 zum Ministerpräsidenten gewählt wurde, erwarteten Anleger weitreichende Wirtschaftsreformen von ihm. Auch wenn der Prozess langsamer voranschreitet als erwartet, bewegt sich Indien in die richtige Richtung, wie Will Ballard, Head of Emerging Markets and Asia Pacific Equities bei Aviva Investors, in einem aktuellen Marktkommentar schreibt.

Der 8. November 2016 werde als der Tag in die Geschichte eingehen, an dem Donald Trump zum US-Präsidenten gewählt worden sei. In Indien jedoch habe sich die Aufmerksamkeit auf ein anderes Schockereignis konzentriert: Modis Ankündigung, dass alle 500 und 1000-Rupien-Banknoten – etwa 86 Prozent des sich in Indien im Umlauf befindlichen Bargeldes – einzustampfen. In den folgenden Wochen hätten tausende Menschen stundenlang Schlange gestanden, um ihre Geldscheine vor dem 30. Dezember bei Banken einzuzahlen, heißt es weiter.

„Laut der indischen Notenbank (RBI) entfielen vor dem Erlass 13 Prozent des BIP auf das zirkulierende Bargeld, was darauf hindeutet, dass der abrupte Rückzug der Banknoten – und das darauffolgende Chaos – Auswirkungen auf die Wirtschaftstätigkeit nehmen würde. Der Umfang dieser Auswirkungen ist auch jetzt noch nicht ganz klar, aber die Ratingagentur Fitch hat ihre Prognose für das BIP-Wachstum Indiens für das Geschäftsjahr bis März 2017 von 7,4 Prozent auf 6,9 Prozent gesenkt“, so Ballard.

Modi habe sich bemüht, die Bargeldreform als einen Schlag gegen das organisierte Verbrechen im Namen der Unterdrückten darzustellen. In Wahrheit gebe es jedoch wenige Beweise dafür, dass die Demonetarisierung bisher etwas im Kampf gegen Steuerhinterziehung und andere Formen der Korruption ausgerichtet habe. Es sei wahrscheinlich, dass das meiste Bargeld der Schattenwirtschaft längst ihren Weg in Immobilien oder andere Vermögenswerte gefunden habe. Am härtesten von der neuen Regelung betroffen gewesen seien arme Menschen aus ländlichen Gebieten ohne Bankkonto. Diese Menschen verließen sich auf ihre Bargeldersparnisse, um zu überleben.

„Dennoch sollte Modi genug politisches Kapital in dieser Wählerschaft haben, um diesen hektischen Abwertungsprozess zu überstehen. Und er könnte in seiner Behauptung richtig liegen, dass sich dieser Schritt langfristig für Indien auszahlen wird. Um zu verstehen warum das so ist, ist es wichtig, Modis umfangreiches Wirtschaftsprogramm zu betrachten. Während seine Reformen zuweilen stückweise und unüberlegt erscheinen mögen, lässt sich bei genauerem Hinsehen eine kohärente Strategie erkennen“, so Ballard.

Als Modi im Mai 2014 gewählt worden sei, seien Unternehmen und Investoren optimistisch gewesen, dass er seine Wahlversprechen einlösen würde: hauptsächlich die Bürokratie zu senken, die das Wachstum in Indien so lange behindert habe. Nach Modis Wahltriumph 2014 sei der S&P Bombay Stock Exchange Sensitive Index (Sensex) um 30 Prozent gestiegen und habe Rekordhöhen erreicht. Seitdem gehe es enttäuschend langsam voran. Dennoch habe es Fortschritte gegeben. Die bedeutendste Leistung von Modi datiere aus dem vergangenen August, als er die Verfassung geändert habe, um ab dem 1. April 2017 eine neue, nationale Waren- und Dienstleistungssteuer (GST) einzuführen, heißt es weiter.

Die GST könnte für die indische Wirtschaft einen großen Schritt nach vorne bedeuten, denn das Land habe derzeit ein föderales Steuersystem. In einigen Branchen dürften die Steuern während des Normungsprozesses steigen. Telekommunikationsunternehmen könnten negativ beeinflusst werden, da der Dienstleistungssteuersatz wahrscheinlich von 15 auf 18 Prozent ansteigen werde. Steuern auf Pharmaunternehmen könnten sich auch erhöhen. Insgesamt dürften jedoch die wirtschaftlichen Vorteile für Indien in Form von Effizienzgewinnen und niedrigeren Verbraucherpreisen enorm sein. HSBC schätze, dass die GST mittelfristig 0,8 Prozent zum indischen BIP beisteuern könnte, heißt es weiter.

„Nach Angaben der Weltbank liegt in Indien die Rückgewinnungsrate für Investoren in Insolvenzverfahren bei 26 Prozent. Damit liegt Indien hinter China (37 Prozent) und dem durchschnittlichen Wert bei Nationen mit hohem Einkommen in der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (73 Prozent). Das neue Gesetz bietet einen Rahmen, der es Gläubigern ermöglicht, Forderungen innerhalb von 180 Tagen einzuziehen. Dafür wird den Banken die Möglichkeit gegeben, die Kontrolle über angeschlagene Unternehmen zu übernehmen. Dies ermöglicht es dem Finanzsektor, sein am stärksten verwurzeltes und schädigendes Problem anzugehen: die Verbreitung von notleidenden Krediten (NPLs). Indiens Banken haben in den vergangenen Jahren einen deutlichen Anstieg von NPLs angesichts weitverbreiteter Kreditausfällen bei Industrieunternehmen beobachtet. Nach Angaben der indischen Notenbank stieg die NPL-Rate der Geschäftsbanken von 7,8 Prozent im März auf 9,7 Prozent im September 2016“, so Ballard.

Wenn das neue Insolvenzrecht ordnungsgemäß umgesetzt werde, werde es den Banken ermöglichen, ihr Kapital von notleidenden Vermögenswerten in produktivere Anlagen wie Kommunalanleihen zu verlagern. Modi habe die lokalen Regierungen dazu ermutigt, mehr von diesen Anleihen zu emittieren. Das neue Insolvenzsystem könnte dazu beitragen, dieses Projekt durch die Verankerung des Gläubigerschutzes im Gesetz zu unterstützen. In diesem Zusammenhang werde die Logik der Demonetarisierung klar. Die Schwemme großer Scheine in das Finanzsystem habe ihre Gesamtkapitalbasis gestärkt und werde es den Banken ermöglichen, produktive Investitionen in die indische Wirtschaft zu fördern. Mindestens 95 Prozent des entwerteten Bargeldes seien nun wieder in das Finanzsystem zurückgeflossen, was sogar die Erwartungen der Regierung übertreffe.

„Diese verschiedenen, ineinandergreifenden politischen Elemente deuten darauf hin, dass Modi einen kohärenten Wirtschaftsreformplan vorantreibt – auch wenn diese Reform manchmal langsam und fehlerhaft daherkommt. Dennoch lohnt es sich, die derzeitigen regionalen Parlamentswahlen im Auge zu behalten. Eine Stärkung der Oppositionsparteien wie der BSP in Uttar Pradesh könnte es für Modi schwieriger machen, seine Reformpläne durch das Oberhaus des indischen Parlaments zu bringen, wo die BJP derzeit nur 73 von 250 Sitzen hält. Investoren sind bezüglich des indischen Wirtschaftsprogramms von Modi vorsichtig optimistisch. Jetzt muss er die Wähler überzeugen“, so Ballard.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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