Kommentar
16:45 Uhr, 18.01.2011

"In der Renditeerwartung realistisch bleiben"

Die Türkei hat eine Einspeisevergütung für Solarstrom von rund 0,10 Euro/kWh beschlossen. Der türkische Solarmarkt wird dadurch einen enormen Boom erleben. Deutschen Solaranlagenherstellern und Investoren bieten sich neue Chancen.

Interview mit Hermann Klughardt, Geschäftsführer des Emissionshauses für nachhaltige Kapitalanlagen Voigt und Collegen:

Entwickelt sich die Türkei zu einem für Solarinvestoren attraktiven Markt?

Grundsätzlich sind aus ökologischer Sicht alle Anstrengungen zur Förderung regenerativer Energien zu begrüßen. Somit ist auch die Verabschiedung eines Erneuerbare-Energien-Gesetzes in der Türkei sinnvoll, zeugt sie doch von einem wachsenden Umweltbewusstsein im Land am Bosporus.

Die Türkei hat im letzten Jahr mit einer Steigerung des Bruttoinlandsproduktes um ca. 7 Prozent eine enorme wirtschaftliche Entwicklung durchgemacht und auch für 2011 wird mit einer Steigerung um mindestens 5 Prozent gerechnet. Solch ein Wirtschaftswachstum führt zu einem erhöhten Energiebedarf mit entsprechend hohen Investitionen im Energiesektor. Allein bis 2017 sind hier Investitionen von über 35 Milliarden US-Dollar notwendig.

Die Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes ist somit eine logische Konsequenz, um den steigenden Energiebedarf zu decken. Ob mit der jetzt eingeführten Förderung die Türkei zu einem attraktiven Markt für Solarinvestoren wird ist jedoch fraglich. Positiv für internationale Investoren ist zunächst einmal die Tatsache, dass die Förderung in Höhe von 13,3 Dollar-Cent/kWh in US-Dollar und nicht in Türkischer Lira vergütet wird. Für Anlagen und Zubehör "Made in Turkey" wird für fünf Jahre eine zusätzliche Förderung gezahlt. Andererseits ist der jährliche Zubau an neuer installierter Leistung auf 600 Megawatt begrenzt.

Vergleichbar mit Spanien und Italien?

Ich rechne aufgrund der Rahmenbedingungen nicht mit einem ähnlichen Solarboom wie wir ihn 2007/2008 in Spanien und seit 2009 in Italien erleben. Diese Einschätzung basiert auf verschiedenen Gründen. Zum einen ist der jährliche Zubau bis 2013 auf 600 MW/Jahr begrenzt und damit können solche Zuwächse wie in Spanien und Italien gar nicht erreicht werden. Zum anderen ist die Vergütung von ca. 13,3 Dollar-Cent (ca. 10 Euro-Cent) nicht übermäßig attraktiv. Man muss dabei berücksichtigen, dass in Spanien in den Jahren 2007/2008 eine Vergütung von über 44 Euro-Cent gezahlt wurde und in Italien bis Ende 2010 eine Förderung von über 35 Euro-Cent zzgl. des Basispreises vergütet wurde.

Ich halte diese Vergütungsregelung bei gleichzeitiger Obergrenze der neu zu installierenden Leistung pro Jahr für ein Vorgehen mit Augenmaß, um nicht ähnlich unkontrollierte Auswüchse und Glücksrittertum zu fördern, wie wir es in der Vergangenheit insbesondere in Spanien und in abgemilderter Form in Italien und Frankreich erlebt haben.

Welche Fallstricke müssen Fondsinitiatoren in diesen Märkten beachten?

Wenn sich Initiatoren an ein Photovoltaikinvestment in der Türkei wagen, haben Sie wie in jedem neuen Markt mit nicht etablierten Strukturen und Genehmigungsprozessen rechnen. Ein Markt und damit auch seine Strukturen entwickeln sich mit zunehmendem Reifegrad und installierter Leistung im jeweiligen Markt. Dieser Prozess ist in der Türkei noch nicht in Gang gekommen. Dieselben Herausforderungen stellten sich den Initiatoren jedoch auch in den Frühphasen in Spanien und Italien. Die Technologie an sich ist kein Problem. Fraglich ist jedoch der Entwicklungsstand der türkischen Hersteller von Photovoltaik-Komponenten, die man einsetzen muss, wenn man in den Genuss der zusätzlichen Förderung gelangen will.

Wir planen jedenfalls aktuell keine Photovoltaikinvestments in der Türkei.

Worauf sollten private Anleger achten?

Wenn Anleger sich an einem Solarfonds in der Türkei beteiligen wollen, sollten sie wie bei jedem Solarfonds auf das Know-How des Emissionshauses und der beteiligten Partner achten. Weiterhin ist es immer vorteilhaft, wenn in der Prognoserechnung entsprechende Sicherheitsreserven einkalkuliert sind. Auch wenn manche Anbieter auf dem Papier möglicherweise alles besser können, sollte man in der Renditeerwartung realistisch bleiben.

Die Fragen stellte Helge Rehbein

Das Interview lesen Sie in der aktuellen Ausgabe von "Nachhaltigkeit & Investment", die am 17. Januar 2011 erschienen ist. Die Online-Publikation können Sie hier kostenlos abonnieren.

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