IMK: Neue EU-Fiskalregeln könnten Investitionsschwäche verschärfen
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Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones) - Die neuen EU-Fiskalregeln könnten laut einer Studie dem eigentlichen Ziel zuwiderlaufen, den EU-Staaten größeren Spielraum für Investitionen zu geben und die bestehende Investitionsschwäche sogar verschärfen. Einige europäische Länder wie Frankreich, Italien und Spanien könnten in den kommenden Jahren aufgrund einer "teilweise problematischen Methodik der Regeln" zu erheblichen Einsparungen gezwungen sein, so die Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung. Darunter würden öffentliche Investitionen leiden, die für die Zukunft Europas dringend gebraucht würden. Auch Deutschland sei betroffen - zwar in geringerem Umfang, aber mitten in einer tiefen Investitions- und Wachstumsschwäche.
"Es war richtig, dass die EU die Fiskalregeln reformiert hat, weil die alten Regeln wachstumsfeindlich waren. Leider ist die Reform aber nur zum Teil gelungen. Aufgrund technischer Details drohen auch die neuen Regeln zur Wachstumsbremse zu werden, weil Spielräume für öffentliche Investitionen unnötig eingeschränkt werden", sagte der wissenschaftliche Direktor des IMK, Sebastian Dullien. "Hier sollte die Europäische Kommission schnell nachbessern." Es sei auch Aufgabe der Bundesregierung, eine solche Korrektur in Brüssel anzumahnen.
An die Stelle eines Systems aus zahlreichen Finanzindikatoren trete unter den neuen Regeln die sogenannte Ausgabenregel. Die nationalen Netto-Primärausgaben - also die Staatsausgaben ohne Zinszahlungen, Zahlungen für Arbeitslosengeld und durch Steuererhöhungen gedeckte Mehrausgaben - dienten nun als einziger Indikator zur Überwachung der Einhaltung der Regeln. Anders als etwa vom IMK im Reformprozess gefordert, enthalte die Ausgabenregel aber keine Ausnahme für kreditfinanzierte öffentliche Investitionen, monierte das Institut.
Berechnungen des IMK zeigten, dass erhebliche Einsparungen notwendig sein würden. Die zu erwartende Haushaltskonsolidierung liege für Italien bei bis zu 1,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts pro Jahr, für Frankreich und Spanien bei 0,9 Prozent und für Deutschland bei 0,1 Prozent. Es liege auf der Hand, dass solche fiskalischen Konsolidierungsanstrengungen in den kommenden Jahren den dringend erforderlichen umfangreichen öffentlichen Investitionsprogrammen in der EU im Wege ständen. Nach Analyse des IMK fehle im neuen Regelwerk nicht nur eine Ausnahme für kreditfinanzierte öffentliche Investitionen. Auch die Schuldentragfähigkeitsanalyse enthalte problematische Punkte, etwa hinsichtlich der Auswirkungen einer alternden Gesellschaft.
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
DJG/ank/cbr
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