Kommentar
09:19 Uhr, 22.11.2011

Im Jackpot: 50 Billionen Dollar

50 Billionen Dollar betrug der öffentliche Schuldenstand der 80 größten Wirtschaften der Welt Ende 2010. Inzwischen dürfte es die ein oder andere Billion mehr sein. Demgegenüber stand ein BIP von ca. 61 Billionen, was unterm Strich einer Schuldenquote von 81% entspricht. Ende 2011 sollte die Marke von 85% deutlich überschritten sein. 85% klingen zunächst gar nicht so dramatisch, immerhin ist Deutschlands Schuldenquote genauso hoch. Fasst man die wichtigsten Wirtschaftsräume ex China – Eurozone, Japan, UK und USA – zusammen, liegen wir bei ca. 127% oder 40 Billionen gegenüber einem BIP von 34,8 Billionen. Dabei ist die private Verschuldung von Konsumenten und Unternehmen noch gar nicht berücksichtigt. Zugegeben, Japan treibt die Quote massiv nach oben. Aber auch ohne Japan liegt die Verschuldung bei 95% des BIP. Spätestens 2013 wird die Verschuldung dieser Länder wohl über 100% der Wirtschaftsleistung liegen, wenn … das überhaupt möglich ist.

Der Kern der Krise liegt ja gerade darin, dass die Schuldentragfähigkeit vieler Länder erreicht oder überschritten ist. Dabei geht es nicht nur um Extremfälle wie Griechenland. Auch die USA, Frankreich und Deutschland werden mit der Eskalation an ihre Grenzen gedrückt. Die noch niedrigen Renditen sollten darüber nicht hinwegtäuschen. Momentan gelten Deutschland und die USA sogar als Profiteure der Krise, da sie sich zu historisch niedrigen Zinsen Geld leihen können. Durch die Nullzinspolitik der Fed und einer Inflationsrate von 3% sind die realen Renditen sogar bereits negativ. Noch 2008 konnten Investoren positive Renditen erwirtschaften. Vor allem Ende 2008 und Anfang 2009 lag die reale Rendite wegen einer kurz dauernden Deflation über der nominellen Renditekurve. Drei Jahre später sieht das Bild anders aus. Bei knapp 3% Jahresinflation bewegen sich derzeit nur Staatspapiere mit Laufzeiten über 20 Jahren im positiven Bereich.

Für Deutschland sieht das Bild ähnlich aus. Allerdings wird sich dieses Renditewunder nicht ewig fortsetzen. Der Bund Future zeigte in der vergangenen Woche bereits erste Schwäche. Trotz hoher Volatilität bei sinkenden Aktienkursen sackte der Bund Future regelrecht ab. Kurz zuvor war der Bund Future an seinem bisherigen Hoch bei gut 139 gescheitert. Damit müssen sich weder Deutsche noch Amerikaner Sorgen machen, dass die Renditen durch die Decke gehen, aber das ist auch nicht notwendig. Vor allem in den USA sind die historisch niedrigen Renditen inzwischen zur Überlebensfrage geworden. Die durchschnittliche Zinslast beträgt in den USA derzeit etwas über 3% oder 530 Milliarden Dollar pro Jahr! Diese gewaltige Summe ist der viertgrößte Ausgabenposten der US Regierung.

Die Zinslast ist absolut gesehen sehr hoch. Relativ sind 3% vom BIP natürlich nicht übertrieben viel. Diese Betrachtung ist allerdings irreführend. Die Einnahmen der US Regierung belaufen sich derzeit nämlich nur auf ungefähr 2,2 Billionen Dollar. Die Zinsen verbrauchen also fast ein Viertel der Steuereinnahmen. Auch in Zukunft wird das nicht besser werden. Betrachtet man die hohen Ausgabenposten, ist wenig Potential für Sparpakete vorhanden. Wenn nicht die heilige Kuh Militär geschlachtet wird, sieht es düster aus. Nachdem immer mehr Amerikaner arbeitslos und vor allem mittellos sind, werden die Kosten für soziale Ausgaben kaum sinken. Bis 2016 will die Regierung weitere 5,4 Billionen Schulden machen. Damit steigt die Zinslast auf knapp 700 Milliarden jährlich. Die Schulden lägen bei gut 20 Billionen, während das BIP bei einem jährlichen Wachstum von optimistischen 3% bei 18 Billionen stehen sollte. In der Budgetplanung gehen die USA davon aus, dass bis dahin die Steuereinnahmen auf 3,8 Billionen steigen, was einem Zuwachs von 72% in fünf Jahren entspricht. Wird dieses Wunderwerk vollbracht, sinkt die prozentuale Zinslast im Vergleich zu den Steuereinnahmen. Ich persönlich bin der Meinung, dass eine Stagnation noch optimistisch ist. Es fehlen einfach die Anhaltspunkte für hohes Wachstum und Ausgabendisziplin. Es bleibt darüber hinaus rätselhaft, wie die Regierung es bewerkstelligen will, innerhalb von 5 Jahren die Steuereinnahmen in Prozent des BIP zu verdoppeln. Interveniert die Fed zudem nicht ungezügelt weiter, werden Investoren langfristig negative Renditen nicht akzeptieren. Ein Anstieg der Zinslast von 0,5 Prozentpunkten ist nicht übertrieben hoch, frisst allerdings gleich einmal weitere 3-5% der Steuereinnahmen auf.

Den Prognosen darf man also guten Gewissens misstrauen. Auch der Entwicklung des jährlichen Budgetdefizits ist zu entnehmen, dass in den USA andere Gesetze gelten. Der unlängst angekündigte American Jobs Act sieht Ausgaben von 400 Milliarden vor, um die Wirtschaft anzukurbeln. Der Grafik ist zu entnehmen, dass diese Ausgaben die zukünftigen Defizite gleich einmal halbieren. Wieso dieses Wunderwerk beim vergangenen Programm von 900 Milliarden nicht vollbracht wurde, sei dahingestellt.

Der Kernpunkt ist jedoch, dass die Schulden schneller wachsen werden als das BIP. Während das jährliche Defizit bis 2016 4-8% betragen soll, liegt das Wachstum voraussichtlich bei maximal 3%. Spätestens an diesem Punkt muss man sich die Frage stellen, wie es sein kann, dass die Wirtschaft weniger wächst, als neue Dollar an öffentlichen und privaten Schulden aufgenommen werden. Ein Ziel der neuen Schulden ist es ja, die Wirtschaft anzukurbeln, um aus den Schulden „herauszuwachsen.“ Die Datenlage sieht nicht danach aus, als könne das gelingen. Tatsächlich ist es so, dass die Wirtschaft mehr oder weniger linear wächst, während die Schulden in den letzen Jahren exponentiell zugenommen haben. Bis ca. 2007 hatte die Logik bestand: durch Schulden Wachstum generieren. Seit 2007 produziert jeder Schuldendollar weniger als 1 Dollar zusätzliches BIP. Jeder Schuldendollar müsste auf Jahresssicht ohnehin schon eine Rendite von 5% bringen, um die Inflation und Zinsen auszugleichen. Diese 5% sind zwar quasi nur noch das i-Tüpfelchen, zeigen aber doch, wie dramatisch die Lage inzwischen ist. So absurd es klingt: das zusätzliche Geld verlangsamt das Wachstum. Der Fairness halber lasse ich aber die Frage offen, wie stark die Wirtschaft eventuell schrumpfen würde bzw. wie schlecht es den Menschen ginge, würden die Schulden nicht gemacht werden.

Mit der rasch steigenden Verschuldung wird auch der Refinanzierungsbedarf immer höher. Ein Großteil der Schuldtitel hat Laufzeiten unter drei Jahren. Die auslaufenden Schulden müssen mit neuen zurückgezahlt werden und Defizite ebenfalls mit neuen Schulden finanziert werden. Dieser Roll-Over von alten in neue Schulden hat bislang überraschend gut funktioniert. Japan, Deutschland und die USA haben als sichere Häfen derzeit kein Problem ihre Anleihen zu platzieren. In anderen Ländern sieht das anders aus. Dort müssen immer höhere Zinsen gezahlt werden. Das jüngste Beispiel ist Italien, das den Investoren inzwischen 7% bieten muss.

Die Notwendigkeit des Schulden Roll-Over wird immer mehr zum Problem. In den vergangenen Jahren hat sich eine „Wall of Maturity“ aufgebaut. Zwischen 2011 und 2014 werden überdurchschnittlich viele Schulden fällig. Allein in den USA beträgt der

Refinanzierungsbedarf 10 Billionen Dollar. Weltweit ist es etwa doppelt so viel. 15-20% davon sind neue Schulden. Das Geld muss erst einmal irgendwo herkommen. Würden die fälligen Schulden gleich wieder in neue gesteckt, betrüge der Finanzierungsbedarf lediglich 15-20%. Das ist viel, klingt aber verkraftbar. Die letzten Jahrzehnte hat dieser Roll-Over gut funktioniert. Versicherungen, Banken und Pensionsfonds haben quer durch die Bank beherzt zugegriffen. Heute ist das anders. Es findet eine massive Kapitalwanderung statt. Das Geld auslaufender Schulden wird in sicherere Anlagen transferiert. Als Folge sind die Renditen deutscher und amerikanischer Anleihen stark gesunken und sogar negative Renditen werden akzeptiert. Das sollte zu denken geben.

Staaten wie Italien müssen immer höhere Zinsen bieten, um sich finanzieren zu können. Wird nicht mindestens der Betrag eingespart, der an zusätzlichen Zinsen gezahlt werden muss, droht der Kapitalabfluss zu eskalieren. Denn schon jetzt sind Zweifel angebracht, ob Staaten wie Italien die Last ihrer Schulden tragen können. Die Krise nährt also die Krise. Misstrauen und die Verlagerung bedingen die Notwendigkeit attraktivere Renditen zu bieten, die die Schuldentragfähigkeit weiter erodieren. Der Ruf nach einem lender of last resort ist also verständlich. Die EZB wehrt sich offiziell noch dagegen. Möglicherweise wird ihr aber schlussendlich nichts anderes übrig bleiben. Die US Regierung hingegen kann sich diesbezüglich wohl auf die Fed verlassen. In Europa fehlt diese indirekte Garantie bisher. Schulden bei den Zentralbanken abzuladen, löst zwar keine Probleme, verhindert aber immerhin den Kollaps der Rentenmärkte. Noch funktionieren die Märkte. Allerdings ist in Europa eine ähnliche Tendenz wie in den USA zu beobachten. Unten stehende Grafik zeigt, wer wie viel der US Schulden hält. Der sinkende Anteil von Banken und Pensionsfonds konnte von ausländischen Investoren gut abgefangen werden. Seit zwei Jahren beginnt nun die Fed die sinkende Nachfrage ausländischer Investoren zu ersetzen und es sieht so aus, als würde bzw. müsste sich dieser Trend weiter fortsetzen.

Was bedeutet das jetzt für die Zukunft? Nichts Gutes. In der Politik wird noch davon geredet um jeden Preis eine Ansteckung zu verhindern. Meiner Meinung nach geht das an der Realität vorbei. Die Ansteckung hat schon längst stattgefunden. Es geht jetzt nur noch um die Eindämmung. Der Trend hat 2009 begonnen. Seitdem sinken die Bonitätsbewertungen der Staaten und die CDS Prämien steigen. Nach einer Trendumkehr sieht es derzeit nicht aus. Es wird so getan, als stünde der Wendepunkt zum Schlechten noch bevor, dabei liegt er bereits hinter uns. Es hat bis jetzt nur kaum jemand bemerkt.

Der Punkt der Schuldentragfähigkeit der meisten westlichen Industrieländer ist überschritten. Durch Schulden das Wachstum anzukurbeln wird in den meisten Ländern nicht funktionieren, da die „Produktivität“ jedes Schuldendollars oder Euros unter 1 liegt. Ohne radikale Schritte ist es unmöglich die Schulden abzubauen. Ein „weiter so“ wird es ohnehin nicht geben können. Je früher radikale Maßnahmen zur Eindämmung der Krise ergriffen werden, desto besser bzw. desto weniger schmerzhaft wird es. Ginge es so weiter wie bisher, müssten in wenigen Jahren über 10% des BIPs allein für Zinszahlungen aufgewendet werden. Der Sozialstaat und derzeitiger Lebensstandard wären damit endgültig vom Tisch.

Zugegebenermaßen klingt das ganze jetzt dramatischer als es wahrscheinlich ist. Dennoch: es ist nicht mehr kurz vor 12, sondern bestenfalls Punkt 12. Letztlich gibt es zwei Wege aus der Krise: Inflation oder Deflation. In den USA hat man sich bereits für die Inflation entschieden. In Europa wird darüber noch diskutiert. Wie können Anleger davon profitieren? In den USA ist davon auszugehen, dass die Renditen für Staatsanleihen weiterhin niedrig bleiben. Solange in Europa allerdings weiterhin Unsicherheit herrscht, ist von weiter steigenden Renditen auszugehen. Das gilt auch immer mehr für Deutschland. Es ist gut möglich, dass wir den Renditetiefpunkt für deutsche Staatsanleihen gesehen haben. Kurzfristige Erholungen des Bund Futures bieten sich folglich fürs Shortselling an. Die Commerzbank bietet drei Faktor Short Zertifikate auf den Bund Future an. Der Schein DE000CZ33C63 hat einen Hebel von 15, DE000CZ33C55 einen Hebel von 10 und DE000CZ33C48 einen Hebel von 5. Alle drei Scheine sind sehr spekulativ. Beachten Sie daher neben dem Emittentenrisiko die Möglichkeit hoher Verluste. Das hier vorgestellte Investmentszenario kann Ihre persönliche Entscheidung und eine Beratung nicht ersetzen.

Viel Erfolg

Clemens Schmale

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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