Kommentar
14:25 Uhr, 26.02.2008

ifo Geschäftsklima - im Sog des Einzelhandels

1. Das deutsche ifo Geschäftsklima stieg im Februar zum zweiten Mal in Folge unerwartet auf 104,1 Punkte an (Bloomberg-Median: 102,9 Punkte, DekaBank: 102,6 Punkte). Getragen wurde diese Entwicklung allein von einem starken Anstieg der Lagebeurteilung (110,3 Punkte nach 107,9 Punkten). Die Geschäftserwartungen für die kommenden sechs Monate sanken hingegen von 99,0 auf 98,2 Punkte.

2. Zur Erklärung des ifo-Anstiegs bedarf es zunächst einiger Arithmetik. Normalerweise wird die Entwicklung des ifo Geschäftsklimas vom verarbeitenden Gewerbe dominiert, das ein Gewicht von knapp unter 60% hat. Dort hat sich in diesem Monat das Geschäftsklima erwartungsgemäß eingetrübt. Auch der Bau, der ein Gewicht von rund 13% hat, wies einen deutlichen Rückgang der Stimmung auf. Der Großhandel legte zu. Entscheidend war aber der Einzelhandel, dessen Geschäftsklima von -17,5 auf +1,3 Punkte anstieg. Überschlägt man dieses Plus mit dem Gewicht des Einzelhandels im Geschäftsklima (rund 14%), so zeigt sich, dass die leidgeprüfte Branche tatsächlich fast im Alleingang für den Anstieg des ifo Geschäftsklimas verantwortlich war. Wir haben es also mit einer sehr einseitigen Entwicklung zu tun. Woher dieser Stimmungsumschwung im Einzelhandel kam, ist allerdings unklar, denn die Rahmenbedingungen für den Einzelhandel und den Konsum haben sich nicht verbessert. Und auch die Meldungen zum Winterschlussverkauf waren alles andere als gut. Zu beachten ist auch, dass das Einzelhandelsgeschäftsklima keine verlässlichen Informationen über die aktuelle Konsumentwicklung liefert. Als Erklärungsansatz für die Stimmungsaufhellung im Einzelhandel bleibt nur der Vorjahresvergleich: Genau vor einem Jahr, also in der Februarumfrage 2007, verschlechterte sich die Lagebeurteilung in der Branche wegen der Mehrwertsteuererhöhung deutlich (nachdem sie sich noch im Januar einigermaßen stabil gezeigt hatte). Insofern reicht die momentan eher mittelmäßige Lage möglicherweise schon aus, um die befragten Unternehmen zufrieden zu stellen. Die Verbesserung des Geschäftsklimas des Einzelhandels wäre also mit einem Basiseffekt zu erklären.

3. Der Rückgang der Geschäftserwartungen ist erklärbar, galt es doch eine Altschuld aus dem Vormonat abzutragen. Der drastische Kurssturz an den Börsen weltweit kam erst nachdem das Gros der befragten Unternehmen ihre Fragebögen abgegeben hatten. Auch wenn sich die Börsen seitdem wieder etwas erholt haben, notieren sie immer noch deutlich tiefer als zuvor. Diese Entwicklung hat auch Auswirkungen auf die Unternehmensstimmung, denn sie führt nicht nur zu einer Verunsicherung, sie engt auch den Finanzierungsspielraum ein.

4. Der Tarifabschluss in der westdeutschen Stahlindustrie lastete ebenfalls auf den Geschäftserwartungen. Die Messlatte für die in diesem Jahr noch anstehenden Abschlüsse – darunter Branchen wie der öffentliche Dienst, die chemische Industrie, die Banken und die Metall- und Elektroindustrie – liegt nun hoch, sodass die Unternehmen befürchten, bei den Verhandlungen noch ein paar Zehntel mehr als bislang kalkuliert drauflegen zu müssen.

5. Ferner dürfte die Sorge um wichtige Absatzmärkte wachsen. Losgelöst von der Frage, ob es in den USA zu einer Rezession kommt oder nicht, haben sich die Perspektiven für die Weltwirtschaft eingetrübt. So hat sich auch das ifo Weltwirtschaftsklima für das erste Quartal weiter spürbar abgekühlt. Zudem dürften die Eurostärke und das Notieren des Ölpreises über der 100-US-Dollar-Marke eine Erklärung sein.

6. Die heutigen Geschäftsklimadaten sollten mit großer Vorsicht interpretiert werden. Die Konjunkturdelle fällt nicht aus. Gleichwohl sehen sich die Unternehmen immer noch in einer überdurchschnittlich guten Verfassung. Sie betrachten die Konjunkturabschwächung als vorübergehend und besitzen noch ein Auftragspolster, mit dem sie Einiges abfangen können. Dass sie weiterhin gewillt sind, Beschäftigung aufzubauen, ist ein Zeichen hierfür.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

Mehr Experten