Kommentar
14:10 Uhr, 24.07.2008

ifo Geschäftsklima - Die Unternehmen sehen nicht mehr durch das Konjunkturtal

1. Mit rekordverdächtiger Geschwindigkeit verlieren die Unternehmen ihren Konjunkturoptimismus. Mit dem zweitstärksten Rückgang aller Zeiten sank das ifo Geschäftsklima um 3,7 auf nur noch 97,5 Punkte (Bloomberg-Median: 100,1 Punkte; DekaBank: 99,8 Punkte). Getrieben war die Entwicklung vom ebenfalls zweitstärksten Rückgang (-4,6 Punkte) aller Zeiten der Geschäftserwartungen auf 90,0 Punkte und einer vergleichsweise moderaten, aber dennoch deutlichen Eintrübung (-2,6 Punkte) der Lagebeurteilung auf 105,7 Punkte. Die um den traditionellen Pessimismus der deutschen Unternehmen bereinigte ifo- Uhr steht nun tief im Abschwungsbereich.

2. Bislang blickten die deutschen Unternehmen durch das Konjunkturtal. Die Auftragsbestände wurden als ausreichend erachtet, um die Konjunkturdelle zu überstehen. Diese sichern zwar die gegenwärtige Produktion noch ab, doch inzwischen zweifeln die Unternehmen daran, dass die Auftragsbestände ausreichen, die sich abzeichnende ausgeprägtere Schwächephase zu überstehen. Darauf deutet der Einbruch der Geschäftserwartungen hin. Zu schwach sind die Perspektiven für die inländischen wie auch die ausländischen Absatzmärkte, zu groß die kostenseitigen Belastungen, als dass die Unternehmen durch das Konjunkturtal hindurchblicken könnten.

3. Die Konjunktur in Europa zeigt deutliche Schwächetendenzen, in einigen Ländern bricht sie geradezu weg. Mit einem Anteil knapp 60% ist dies die bedeutendste Absatzregion deutscher Unternehmen. Die Binnenkonjunktur ist im Würgegriff der Inflation. Von einem zu erwartenden Nominaleinkommenszuwachs von rund 3,8% bleibt in diesem Jahr nach Abzug von Steuern, Abgaben und Inflation nichts übrig. Die Hoffnungen auf ein Comeback des Konsums in diesem Jahr haben sich in Luft aufgelöst.

4. Gleichzeitig steigt der Kostendruck der Unternehmen.

• Die Rohstoff- und Energiepreise sind binnen Jahresfrist dramatisch angestiegen: So liegen die Preise für Kohle 154% über dem Vorjahresniveau, die Strompreise um 144%, Rohöl um 98%, Silizium um 97%, Stahl um 61%. Problematisch ist insbesondere der Anstieg der Stahlpreise. Stahl ist ein wesentlicher Werkstoff für viele der wichtigsten deutschen Branchen wie die Automobilindustrie oder den Maschinenbau. Die Unternehmen stoßen nach eigenen Aussagen immer mehr an die Grenze ihrer Belastbarkeit.

• Die Stärke der europäischen Gemeinschaftswährung belastet derzeit noch nicht die Absatzperspektiven, aber die Gewinnmargen. Die Zeit, die sich die Unternehmen durch Wechselkurssicherungsgeschäfte erkauft haben, ist überwiegend abgelaufen. Nun müssen die Unternehmen die Eurostärke durch geringere Margen im Exportgeschäft abfedern. Man verdient hier nun weniger.

• Die Lohnkosten beginnen in Deutschland wieder merklich zuzulegen. Das ist für sich genommen in diesem Monat nicht Neues. Doch erste Zahlen einer möglichen Lohnforderung für die Metallund Elektroindustrie dürften verunsichert haben. So wurden inoffiziell im Pilotbezirk Nordwürttemberg- Nordbaden 9% Lohnerhöhung und eine Einmalzahlung von 1000€ als denkbar genannt.

5. Der Rückgang des Geschäftsklimas zog sich durch alle Branchen. In Saldendarstellung verschlechterte sich das ifo Geschäftsklima insgesamt um 7,3 Punkte, das der Einzelhändler um 13,7 Punkte, das der Großhändler um 9,3 Punkte, das des verarbeitende Gewerbes um 6,0 Punkte und das der Bauwirtschaft um „nur“ 4,3 Punkte. Das der Dienstleistungsklima sank (nicht saisonbereinigt!) um 6,4 Punkte.

6. Die Talfahrt der Konjunktur wird sich gemessen an der Stimmung der Unternehmen beschleunigen. Insbesondere angesichts der Zukunftserwartungen steht zu befürchten, dass die Konjunkturdelle länger als erwartet wird. Ob daraus eine „technische“ Rezession wird, lässt sich aus dem Geschäftsklima noch nicht folgern, auszuschließen ist sie angesichts des geringen Wachstums jedoch nicht.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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