Kommentar
13:26 Uhr, 24.04.2008

ifo Geschäftsklima - Der Supertanker wird langsamer

1. Das ifo Geschäftsklima sank im April deutlich von 104,8 auf 102,4 Punkte (Bloomberg-Median: 104,3 Punkte, DekaBank: 104,4 Punkte). Die Stimmungseintrübung zeigte sich sowohl bei der Beurteilung der Geschäftslage, die um 3,1 Punkte auf 108,4 Punkte zurückging, als auch bei den Geschäftserwartungen, die um 1,6 Punkte auf 96,8 Punkte sanken.

2. Die heutigen Daten sind am besten aus Sicht der einzelnen Branchen zu interpretieren. Das verarbeitende Gewerbe – mit rund 57% das Schwergewicht im Gesamtindex – blickt pessimistischer auf die Gegenwart und die Zukunft. In den letzten vier Monaten hatte sich die Stimmung trotz Eurostärke, Rekordständen beim Ölpreis und Sorgen über die US-Konjunktur auf einem fast gleich bleibenden Niveau gehalten. Das lässt sich leicht anhand eines Bildes erklären: Wie bei einem Supertanker, der längere Zeit unter Volldampf lief, verringert sich auch bei der Industrie die Fahrgeschwindigkeit nicht sofort, wenn die Maschinen nur noch mit halber Kraft laufen. Die glühenden Kessel des Supertankers Industrie wurden im vergangenen Jahr mit hohen Auftragseingängen angeheizt. Nun kommen wegen der oben genannten Belastungsfaktoren nicht mehr so viele Aufträge nach, wie abgearbeitet werden. Folglich sinken die Auftragsbestände. Damit verrinnt nun die Zeit, die sich die Unternehmen durch die Altaufträge erkauft hatten.

3. Zudem haben die Belastungsfaktoren inzwischen Werte überschritten, die jenseits der unternehmerischen Planungsansätze liegen. So zeigt die Managerumfrage des ifo-Instituts, dass inzwischen fast alle Unternehmen, für die der EUR-USD-Wechselkurs bedeutend ist, diesen im Schmerzbereich sehen.

4. Ein anderer Erklärungsfaktor liegt beim Einzelhandel. Dessen Lagebeurteilung brach regelrecht ein. Das ist allerdings wohl auf die Lage des Osterfestes zurückzuführen. So lag Ostern 2007 in der ersten Aprilhälfte, dieses Jahr in der zweiten Märzhälfte. Damit entfiel in diesem Jahr im April das Ostergeschäft und dürfte die Geschäfte der Einzelhändler im Vergleich zum Vorjahr gedämpft haben. Diesen Vorjahresvergleich haben aber die Einzelhändler im Kopf, wenn sie den ifo-Fragebogen ausfüllen. Der Rückgang der Geschäftserwartungen der Einzelhändler ist damit aber nicht zu erklären. Hier könnte folgendes eine Rolle gespielt haben: Schon lange ist klar, dass 2008 eine gute Arbeitsmarktentwicklung und kräftige Lohnzuwächse bringen wird. Dies ist seit längerem in den Köpfen der Einzelhändler drin und daran hat sich auch nichts geändert. Dagegen haben sich die Inflationsperspektiven kontinuierlich eingetrübt und wecken jetzt verstärkt bei dem einen oder anderen Befragten Zweifel, ob und wann der Konsum anspringen kann.

5. Der Vollständigkeit halber sei vermerkt, dass sich die Stimmung im Bau verbessert, im Großhandel verschlechtert hat. Die eigenständige Umfrage der Dienstleister weist eine Stimmungseintrübung auf, die von den Erwartungen ausgeht.

6. Alles in allem beginnt die konjunkturelle Abschwächung sich im ifo Geschäftsklima bemerkbar zu machen. Während die Lagebeurteilung aber – gemessen an der konjunkturellen Entwicklung – immer noch übertrieben hoch ist, zeigen die Geschäftserwartungen die konjunkturelle Entwicklung gut an. In der Summe ist das ifo Geschäftsklima immer noch zu hoch. Wir erwarten bis in den Spätherbst tendenziell schwache Stimmungsindikatoren.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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