Kommentar
09:30 Uhr, 17.06.2008

Hoher Ölpreis belastet Automobilindustrie

Konjunktur, Inflation, Finanzkrise und Ölpreis waren in der Berichtswoche erneut Zentralthemen an den internationalen Aktienmärkten. Sie wirkten sich allesamt belastend aus und schickten die Kurse weiter auf Talfahrt. Erst der zuletzt veröffentlichte US-Verbraucherpreisindex sorgte für Entlastungen.

USA: Lehman Brothers mit Quartalsverlust

Die US-Aktienbörsen, die sich zu Beginn der Handelswoche noch etwas von dem Kursdesaster des vorherigen Freitags erholen konnten, neigten im weiteren Verlauf erneut zur Schwäche. Insbesondere zur Wochenmitte kam es mit einem Tagesverlust im Dow Jones Industrial Average von 206 Punkten bzw. 1,7 Prozent zu heftigen Rückschlägen. Erst der zuletzt veröffentlichte Verbraucherpreisindex (Kernrate) sorgte für Entlastungen. Insofern konnte der Dow Jones Industrial Average letztendlich noch ein Wochenplus ausweisen.

Als Negativfaktor erwies sich unter anderem das Beige Book, der Konjunkturbericht der FED, welcher ein relativ düsteres Bild der amerikanischen Wirtschaft aufzeigte. So leidet der US-Verbraucher mittlerweile unter den drastisch steigenden Kosten für Energie und Lebensmittel. Aber auch die Unternehmen werden hierdurch belastet, wobei es ihnen allerdings teilweise gelingt, die gestiegenen Kosten an den Konsumenten weiterzugeben. Insgesamt hat der private Verbrauch deutlich nachgelassen, was sich an den schwachen Einzelhandelsumsätzen ablesen lässt. Zwar konnten sie im Mai stärker zulegen als erwartet, doch dürfte das Bild durch die Ausgabe von Rabattschecks verzerrt sein. Darüber hinaus scheinen die hohen Benzinkosten im inneramerikanischen Tourismus ihren Tribut zu fordern. Am Immobilienmarkt ist noch keine Entspannung in Sicht und auf der Inflationsseite bleibt die Situation angespannt.

Hinsichtlich der anziehenden Teuerung hat sich Notenbank-Chef Ben Bernanke in der Berichtswoche erneut warnend geäußert. So hob er in einer Stellungnahme nochmals die Gefahren hoher Inflationsraten hervor und betonte die Notwendigkeit eines stärkeren US-Dollar. Was die Märkte verschreckte, kam der amerikanischen Währung zugute, die sich sowohl gegenüber Euro als auch Yen befestigte.

Als Unruhestifter erwies sich zudem der Bankensektor. Hier musste Lehman Brothers, die viertgrößte US-Investment Bank, zum ersten Mal seit ihrem Börsengang 1994 einen Quartalsverlust ankündigen. Mit 2,8 Mrd. USD fiel er unerwartet hoch aus. Zudem wird das Institut sechs Mrd. USD aufnehmen, um seine Eigenkapitalbasis zu stärken. Darüber hinaus wurde zuletzt bekannt, dass die Finanzchefin sowie der für das operative Geschäft zuständige Vorstand die Bank verlassen werden. Des Weiteren rankten sich Gerüchte um den Konkurrenten Goldman Sachs, die von Abschreibungen infolge der Subprime-Krise wissen wollten.

Zu den wenigen, vom Markt mit Wohlwollen aufgenommenen Entwicklungen, zählte die Ankündigung von Microsoft, die Übernahmegespräche mit Yahoo zu beenden. Zahlreiche Investoren hatten den möglichen Deal als risikoreich angesehen.

Euroland: Hoher Ölpreis belastet Automobilindustrie Die europäischen Aktienmärkte zogen eine negative Wochenbilanz. Zunehmende Inflationssorgen und die Angst vor den Folgen der Finanzkrise belasteten deutlich das Geschehen. Die Talfahrt war am Mittwoch besonders ausgeprägt, als die europäischen Börsen im Sog der US-Aktienmärkte steil nach unten fielen. Der DAX beispielsweise musste einen Tagesverlust von 121 Punkten bzw. 1,8 Prozent hinnehmen.

Belastungsmomente gingen zwischenzeitlich ebenfalls vom Finanzbereich aus. Abgesehen von Negativnachrichten aus dem US-Bankensektor hatte die britische Hypothekenbank HBOS Verunsicherung hervorgerufen. Ihr Kurs notierte zeitweise unter dem Ausgabepreis der anstehenden vier Mrd. Pfund schweren Kapitalerhöhung, was einen Erfolg der Kapitalmaßnahme in Frage stellt. Die Zeichnungsfrist endet am 18. Juli. Auch Royal Bank of Scotland sorgte für Unruhe, indem sie darauf hinwies, dass die Ergebnislage infolge der Subprime-Krise unter Druck bleiben wird. Kurzfristig Auftrieb erhielt der Sektor jedoch von einem Bericht, wonach der russische Milliardär Sulejman Kerimow in großem Stil Aktien der Deutschen Bank sowie der Schweizer Institute UBS und Crédit Suisse kaufen wolle. Auch die offenbar in Bewegung kommenden Fusionsgespräche zwischen Dresdner Bank und Commerzbank hellten ein wenig die Stimmung unter den Marktteilnehmern auf.

Im M&A-Bereich erregte darüber hinaus vor allem das Übernahmeangebot der belgischen Brauerei InBev für Anheuser-Busch Aufmerksamkeit. Die Belgier wollen 46,3 Mrd. USD für das amerikanische Traditionshaus, das vor allem für die Marke Budweiser bekannt ist, zahlen. Beide Seiten haben bereits Sondierungsgespräche geführt, kamen jedoch bislang zu keiner Einigung. Aufhorchen ließ auch die Meldung, dass der japanische Hersteller von Speicherchips Elpida Memory an der Infineon-Tochter Qimonda interessiert sei.

Alles in allem jedoch überwogen die Sorgen hinsichtlich steigender Inflationsraten, hoher Ölpreise, die mittlerweile bei 150 USD pro Barrel prognostiziert werden, und der weiteren Entwicklung im Bankensektor. Der rasant steigende Ölpreis hatte sich gerade auch für die europäische Automobilindustrie deutlich ungünstig ausgewirkt. Wie die jüngsten Zahlen zeigten, fielen die Automobilverkäufe im Mai um 7,8 Prozent, wobei allerdings auch ein Arbeitstag weniger zu bedenken ist. Für die ersten fünf Monate 2008 ergab sich ein Rückgang um 0,7 Prozent.

Insgesamt tendierte der Ölpreis ohne Anzeichen einer nachhaltigen Abschwächung nahe seinem Rekordhoch von 139 USD pro Barrel WTI. Am 22. Juni wollen sich auf Initiative Saudi-Arabiens Produzenten- und Verbraucherländer zu einer Krisensitzung in Dscheddah treffen.

Ausblick

In der laufenden Handelswoche werden in den USA insbesondere die Quartalszahlen großer Investmentbanken das rege Interesse der Marktteilnehmer auf sich ziehen. Darüber hinaus dürften die Frühindikatoren Aufmerksamkeit finden. In Europa wird der deutsche ZEW-Index Aufschluss über die Konjunkturerwartungen geben.

Quelle: Union Investment

Gegründet 1956, zählt Union Investment heute zu den größten deutschen Investmentgesellschaften. Rund 174,5 Mrd. Euro verwaltete die Gesellschaft per 31. Dezember 2007. Die Produktpalette für private Anleger umfasst Aktien-, Renten- Geldmarkt- und Offene Immobilienfonds sowie gemischte Wertpapier- und Immobilienfonds und Dachfonds. Anleger erhalten diese Produkte bei allen Volksbanken, Raiffeisenbanken, Sparda-Banken und PSD-Banken. Rund 4 Millionen Anleger nutzen überdies die Depotdienstleistungen der Union Investment.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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