Hoffnung ist keine Anlagethese
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Boston (GodmodeTrader.de) - Die Sorgen der Anleger im letzten Quartal des Jahres 2018 haben sich aufgrund der Neubewertung der Risiken über alle globalen Aktien- und Anleihenmärkte in den ersten beiden Monaten des Jahres 2019 anscheinend verflüchtigt. Dies wirft die Frage auf: Waren die Anleger damals zu pessimistisch, oder sind sie heute zu optimistisch? Die Antwort lautet meiner Meinung nach in beiden Fällen ja, wie Robert M. Almeida, MFS Global Investment Strategist, in einem aktuellen Marktkommentar schreibt.
Die richtige Antwort sei, dass der Markt unter Aktualitätsverzerrungen leide – der Tendenz, sich an jüngste Ereignisse besser zu erinnern als an solche, die schon weiter zurücklägen – und dazu neige, sich von unwesentlichen Informationen verwirren zu lassen. Hätten sich die Fakten seit dem letzten Quartal so stark verändert, dass sie eine solche Volatilität verursachten, fragt Almeida.
„Vereinfacht gesagt, gab es drei Quellen der Hoffnung, an denen sich die Anleger in den ersten Monaten des Jahres 2019 anscheinend festhielten: eine Veränderung der Rhetorik der Zentralbanken, insbesondere der US-Notenbank, hin zu einer weniger restriktiven Haltung; Hoffnungen auf eine Lösung des Handelskrieges zwischen den USA und China; und ein Ende des längsten Verwaltungsstillstands in der Geschichte der USA“, so Almeida.
Diese Arten von makroökonomischen Ereignissen seien schwierig, wenn nicht gar unmöglich vorherzusagen. Sollten sie angesichts dieser Tatsache in einer Anlagethese berücksichtigt werden? Langfristig trieben unternehmens- und branchenspezifische Fundamentaldaten die Cashflows in die Höhe, sodass die Frage vielleicht eher lauten sollte: Seien makroökonomische Informationen nur Rauschen, wenn es um Anlagepreise gehe, heißt es weiter.
„Hier sind einige Dinge, die ich für wesentlich halte: Wird ein potenzielles Anlageziel in den nächsten fünf Jahren wahrscheinlich Marktanteile gewinnen oder verlieren? War es in der Vergangenheit ein Preissetzer oder ein Preisnehmer? Unter welchen Umständen? Wichtiger noch, wird die Geschäftsleitung in der Lage sein, die Preise anzuheben, weil das Unternehmen etwas Einzigartiges zu bieten hat, für das in den nächsten fünf bis zehn Jahren Nachfrage besteht? Welche Risiken bestehen, dass sich das Wertversprechen des Unternehmens zur Massenware entwickelt? In welchem Verhältnis stehen die heutigen Betriebskosten des Unternehmens zu den möglichen Kosten in fünf Jahren? Wichtiger noch, wie beeinflusst all dies seine Margenstruktur im Vergleich zu dem, was der Markt bereits eingepreist hat?“, so Almeida.
Was habe sich also verändert? Hätten sich also die Fakten – oder das, was für die Anlagepreise wesentlich sei – verändert? Die Unternehmensgewinne seien stark, insbesondere in den USA. Sie schwächten sich jedoch ab. Die Bewertungen seien allerdings nicht unangemessen. „Fair“ sei eine Beschreibung, die im vergangenen Jahr vielfach verwendet worden sei und es immer noch werde. Fair basiere jedoch auf den Gewinnen der vorangegangenen zwölf Monate. Seien diese Bewertungen immer noch fair, wenn die Gewinne nachgäben, heißt es weiter.
„Hier sind einige Beispiele für Branchen, in denen wir wesentliche grundlegende Veränderungen der Geschäftsmodelle beobachtet haben, die eine Anpassung unserer Anlagethese erforderten. Über den gesamten gegenwärtigen Konjunkturzyklus, der durch geringes Wachstum geprägt ist, haben Internetplattformen und Technologie weltweit und sektorübergreifend zu stetigen Umbrüchen geführt und dadurch die Ökonomie vieler Branchen rasch verändert. Beispielsweise waren Videospielverleger bislang meist Ein-Produkt-Unternehmen und häufig stark davon abhängig, ein erfolgreiches Spiel herauszubringen, weshalb ihre Cashflows stark schwankten. In den letzten Jahren hat sich das Geschäftsmodell der Branche verändert: Das Internet ermöglichte es den Verlegern, von physischen Discs und dem Vertrieb über Einzelhändler auf ein vollständig digitales Modell mit Direktvertrieb an den Kunden umzusteigen. Ergebnis waren ein beträchtlicher Rückgang der Kosten und eine Steigerung der Margen sowie eine geringere Abhängigkeit vom Konsolenzyklus“, so Almeida.
In den letzten 18 Monaten sei jedoch ein neuartiges Geschäftsmodell entstanden: kostenlose Online-Multiplayer-Spiele. Eric Fischman, Portfoliomanager für US-Wachstumsfonds von MFS, habe es bei einem globalen Branchenmeeting zum Ausdruck gebracht: „Fortnite hat möglicherweise den Wandel gebracht, denn es bietet ein kostenloses Spiel und ein hohes Maß an Spielerinteraktivität. Der Spieler muss das Spiel nicht kaufen, sondern der Verleger erzielt seine Einnahmen mit Ingame-Käufen. Damit ändern sich potenziell die Ökonomie der Branche und die langfristigen Wachstumstreiber.“
„Ein weiteres Beispiel für veränderte Fundamentaldaten ist die Kreuzfahrtbranche. Kreuzfahrtreedereien hatten stets hohe Markteintrittsbarrieren zu bewältigen, wie die erforderlichen erheblichen Anfangsinvestitionen – die Kosten für den Bau eines Kreuzfahrtschiffes belaufen sich auf 500 Millionen bis 1,5 Milliarden US-Dollar –, Größe und Markenwert. Bei den Gesellschaften handelte es sich jedoch um stark fremdfinanzierte Geschäftsmodelle, die von der Bereitschaft des Verbrauchers abhängig waren, für seine Freizeit Geld auszugeben. Dies führte zu einer großen Spannbreite an Zahlungsströmen und volatilen finanziellen Erträgen“, so Almeida.
Eine größere, die Branche betreffende Veränderung sei die zunehmende Tendenz der Gesellschaft, mehr für Erlebnisse als für physische Waren auszugeben, sowie ein besseres Kapitalmanagement. Die Branche erlebe ein Wachstum der Stückzahlen, das von einer Vielzahl von Altersgruppen ausgehe – von Ruheständlern bis hin zu Millennials und sogar der Generation Z. Lauren McCarthy, US-Kreditanalystin bei MFS, habe erklärt: „Der tatsächliche Cashflow-Zuwachs ist dem Wachstum der an Bord erzielten Umsätze zu verdanken, die durch Unterhaltungsangebote auf dem Schiff erwirtschaftet wurden, wie Wellenreiten, Wasserrutschen usw. Die Kreuzfahrtschiffe werden größer und besser, und somit wird das Schiff neben attraktiven Routen selbst ein Teil des Erlebnisses.“ Dies führe dazu, dass der freie Cashflow aufgrund vielfältiger Monetisierungsmöglichkeiten höher sein könne als in der Vergangenheit, heißt es weiter.
„Investieren ist einfach, aber es ist auch sehr schwierig. Einfach ausgedrückt, treiben Cashflows langfristig die Kurse von Aktien und Anleihen in die Höhe. Das Schwierige daran ist, diszipliniert zu bleiben und sich auf Informationen oder Datenpunkte zu konzentrieren, die von Belang sind, und den Rest zu ignorieren“, so Almeida.
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