Analyse
23:00 Uhr, 26.09.2008

Hilfe ist unterwegs! - Der Rettungsplan

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Externe Quelle: UniCredit

Die Märkte verfolgen wie gebannt die Debatte über den von US-Finanzminister Paulson vorgeschlagenen Rettungsplan (Troubled Assets Relief Program – TARP). Viele Kongressabgeordnete sind hin- und hergerissen: Einerseits wissen sie um die Dringlichkeit der Sache – die Spannungen an den Geldmärkten haben drastisch zugenommen, während sich das Wachstum der US-Wirtschaft weiter abschwächt. Andererseits wollen sie in dieser schwerwiegenden Frage nicht vorschnell entscheiden, sondern zu einer effektiven und möglichst gerechten Lösung kommen. Ganz offensichtlich haben wir es hier mit einer emotionalen Achterbahnfahrt zu tun. Gestern Abend europäischer Zeit nährte die Meldung über eine prinzipielle Übereinkunft von Demokraten und Republikanern an den Märkten zunächst die Hoffnung, dass der Kongress den Rettungsplan schon heute verabschieden könnte. Nur wenige Stunden später sagten die beiden USPräsidentschaftskandidaten McCain und Obama, dass noch keine definitive Einigung erzielt worden sei. Schließlich sickerte heute in den frühen Morgenstunden durch, dass die Republikaner einen Alternativplan vorgelegt hätten, durch den sich die Verabschiedung im Kongress erheblich verzögern könnte.

Wahrscheinlich wird über das Wochenende weiter verhandelt. Bis zur Öffnung der asiatischen Märkte am Montagmorgen sollte jedoch ein abschließendes Ergebnis vorliegen. Im Mittelpunkt der Debatte stehen äußerst brisante Themen, die während der Kongressanhörung von Fed-Chef Bernanke am letzten Mittwoch offen diskutiert wurden. Die Abgeordneten bemängeln vor allem das Gesamtvolumen des Plans. Ebenso strittig ist die Frage, ob entweder der Ankauf von Not leidenden Forderungen oder Kapitalspritzen das richtige Mittel sind. Hinzu kommt die fehlende parlamentarische Kontrolle. Bernanke plädierte in der Anhörung für die erste Lösung, d.h. für den Ankauf ausfallgefährdeter Wertpapiere und Kredite durch den Staat. Jetzt komme es darauf an, die Transparenz und das Vertrauen in die Bilanzen der Finanzinstitute wiederherzustellen, um diese für private Kapitalgeber wieder kreditwürdig zu machen. Nur dann könnten diese Unternehmen wieder selbst Kredite vergeben und das Wachstum unterstützen. Bernanke zeigte sich offen gegenüber anderen Vorschlägen, insbesondere hinsichtlich einer engeren Kontrolle durch den Kongress. Befürchtungen, der Rettungsplan könnte die Inflation anheizen, erteilte er jedoch eine Absage.

Besonders umstritten ist der Preis, zu dem die Regierung illiquide Forderungen erwerben wird. Der Ergebnis ist so oder so zwiespältig: Je niedriger der Preis, desto geringer sind die Risiken für die Steuerzahler, aber desto größer sind die Belastungen für die Bilanzen der Finanzinstitute. Und dann wären nicht nur die Unternehmen betroffen, die direkt an diesen Transaktionen beteiligt sind. Bei entsprechend niedrigen Preisen könnten auch andere Finanzinstitute gezwungen sein, ergebniswirksame Abschreibungen vorzunehmen. In der Tat könnte ein zu niedriger Preis einige Institute von einer Beteiligung am Rettungsplan abhalten – zumindest solange, bis sie dann doch kurz vor der Pleite stehen. Vor diesem Hintergrund hat Bernanke vorgeschlagen, die Not leidenden Forderungen zum Preis bei Fälligkeit und nicht zu einem Notverkaufspreis zu übernehmen, den die Finanzinstitute angesichts der illiquiden Märkte ansonsten akzeptieren müssten. Dies wäre sicherlich eine große Hilfe, riecht aber verdächtig nach staatlicher Subvention. Letztlich liegt nämlich genau darin das Problem: Die Banken können diese Assets eben nicht bis zur Fälligkeit im Bestand halten und entsprechend bewerten. Insofern ist Bernankes Vorschlag durchaus sinnvoll, weil (a) das Ziel eine Erholung im Finanzsektor ist und (b) das Finanzministerium die aufgekauften Forderungen auf unbestimmte Zeit im Bestand halten kann. Natürlich stellt sich nun die Frage, wie dieser „hold-tomaturity“- Preis zu ermitteln ist. Einige Abgeordnete wollen erreichen, dass der Staat und damit die Steuerzahler an den Gewinnen geretteter Unternehmen beteiligt werden. Schließlich trägt der öffentliche Sektor die Kosten und Risiken dieses Rettungsplans, also sollte er auch unmittelbar profitieren, wenn sich die Lage verbessert. Im Klartext bedeutet dies, dass der US-Finanzminister die übernommenen Forderungen langfristig vielleicht zu einem höheren Preis wieder verkaufen kann. Beteiligt sich der Staat mit Eigenkapital, dann wäre er bzw. der US-Steuerzahler direkter Nutznießer der angestrebten Verbesserung in der Performance der Finanzinstitute. In der Öffentlichkeit wird außerdem über die Kapitalausstattung der Finanzinstitute diskutiert. Luigi Zingales und Raghuram Rajan von der University of Chicago sowie Charles Calomiris von der Columbia Business School plädieren dafür, diese mit gezielten Maßnahmen zu unterstützen. Denn der Austausch illiquider Vermögenswerte gegen USTreasuries würde nichts an der Tatsache ändern, dass die Unternehmen dringend frisches Kapital brauchen. Rajan will die Finanzinstitute mit einem hohen Fremdkapitalanteil dazu zwingen, ihre Dividendenzahlungen auszusetzen und Bezugsrechte auszugeben. Zingales favorisiert hingegen die Umwandlung zweifelhafter Forderungen in Beteiligungen mit Hilfe von Debt-Equity-Swaps (DES). Und Calomiris wirbt für die sogenannte „Matched Preferred Stock“-Methode, die kombinierte Kapitalspritzen vonseiten des öffentlichen und privaten Sektors vorsieht. Für Kapitalspritzen spricht, dass dadurch das Problem der Kapitalausstattung direkt adressiert und zugleich das Problem der angemessen Bewertung ausfallgefährdeter Forderungen umgangen wird. Sobald die Eigenkapitaldecke der Finanzinstitute wieder stark genug ist, sollten die Märkte aus ihrer Erstarrung erwachen. Dann wäre es über den Marktmechanismus wieder möglich, die derzeit illiquiden Assets fair zu bewerten.

Bernanke erklärte in der Kongressanhörung am Mittwoch, warum Kapitalspritzen zum jetzigen Zeitpunkt jedoch nicht das probate Mittel seien: Solche Kapitalspritzen würden dann eingesetzt, wenn ein Unternehmen bereits zusammengebrochen ist oder kurz vor der Pleite steht. In diesem Fall sei es sinnvoll, die Aktionäre außen vor zu lassen und neues Kapital bereitzustellen. Doch derzeit ist die Unsicherheit im Markt unvermindert groß. Staatliche Kapitalspritzen könnten deshalb den Eindruck erwecken, dass der Staat die Unternehmen zu Lasten der privaten Aktionäre rettet. Dies würde die Kapitalaufnahme über den privaten Sektor zusätzlich erschweren. Bernanke räumte aber ein, dass Kapitalspritzen geeignet seien, um den sich abzeichnenden Zusammenbruch eines Finanzinstituts abzuwenden. Allerdings ist nicht klar, warum es im Vergleich zur Preisfindung für illiquide Assets deutlich leichter sein sollte, den Grad für eine angemessene Rekapitalisierung der Finanzinstitute festzulegen? Denn letztendlich hängt die erforderliche Kapitalausstattung auch von der Bewertung der Vermögenswerte ab. Tatsächlich weisen Bernankes Äußerungen darauf hin, dass ohne eine Sanierung der Bankbilanzen das Marktvertrauen nicht wiederherstellbar ist. Nach den Worten des Fed-Chefs komme es jetzt darauf an, die Transparenz und das Vertrauen in die Bilanzen der Finanzinstitute zu erneuern, um diese für private Kapitalgeber wieder kreditwürdig zu machen. Nur dann könnten diese Institute wieder selbst Kredite vergeben und das Wachstum unterstützen.

Auf Widerstand stoßen auch der von Finanzminister Paulson eingeforderte Ermessensspielraum sowie die fehlende Rechenschaftspflicht. Paulson und Bernanke sagen, dass sie bei der Lösung dieses äußerst komplizierten Problems möglichst freie Hand bräuchten. Anschließend würde die Strategie über „learning-by-doing“ verfeinert. Zwar stimmen die Kongressabgeordneten damit grundsätzlich überein, aber sie wollen an diesem Lernprozess direkt beteiligt werden. So regte Senator Charles Schumer (Demokraten) an, das 700 Mrd USD-Paket in Tranchen auszuzahlen. Der Gesamtbetrag, so seine Argumentation, würde ohnehin nicht gebraucht. Bernanke hielt dem entgegen, dass eine Auszahlung in Tranchen den beabsichtigten psychologischen, d.h. vertrauensbildenden Effekt des Rettungsplans gefährden könnte. Eine enge Kontrolle durch den Kongress sei hingegen akzeptabel. Bernanke ließ auch Befürchtungen nicht gelten, wonach der Rettungsplan die Inflation anheizen könnte. Schließlich erreiche der Plan nicht die Größenordnung eines Konjunkturpakets. In der Tat wies der US-Rechnungshof (Congressional Budget Office – CBO) darauf hin, dass im Staatsaushalt lediglich die Differenz zwischen dem Preis und dem erwarteten Gewinn der Assets auszuweisen ist. Inflationsgefahren seien höchstens indirekt über die Makroökonomie vorstellbar: Wenn der Plan aufgeht, kurbelt er das Kreditgeschäft der Banken an, was zu mehr Wachstum führt. In diesem Fall, so Bernanke, müsste die Fed den Zielsatz sogar eher anheben als senken. Der Grundgedanke des Rettungsplans ist relativ einfach: Er soll die Wogen der zwangsweisen Entschuldung der Finanzinstitute sowie der Kreditklemme glätten. Ansonsten drohen Rezession und Deflation. Die Inflation würde nur dann anziehen, wenn der Plan eine mehr als kompensierende Wirkung hätte und das Wachstum wieder rasch über Potenzial ankurbeln würde – ein relativ unwahrscheinliches Szenario!

Gleichzeitig mit der Rettung des Finanzsektors durch den US-Steuerzahler sollen auch Refinanzierungsangebote für hoch verschuldete Hausbesitzer einhergehen. Alles andere, so die Befürworter dieser Regelung, sei politisch höchst unpopulär. Bernanke weiß sehr wohl um die Bedeutung einer raschen Stabilisierung und Erholung im Immobiliensektor. In diesem Zusammenhang unterstrich er die Rolle, die dem Finanzministerium bei der Kontrolle über die ehemals halbstaatlichen Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac zukommt. Umstritten bleibt auch der Vorschlag, Obergrenzen für die Vergütung von Managern und Entscheidungsträgern in den vom Rettungsplan betroffenen Unternehmen einzuführen. Es könne nicht sein, dass Vorstände nach dem Zusammenbruch ihres Instituts und der Forderung nach staatlicher Hilfe auch noch mit umfangreichen Abfindungen „belohnt“ würden. Der Fed-Chef warnte jedoch, dass eine Kopplung dieser Regelung an den Rettungsplan viele Unternehmen davon abhalten könnte, sich daran zu beteiligen. Eine maximale Teilnehmerquote sei aber unverzichtbar, um sowohl einen niedrigen Preis für die Not leidenden Assets zu gewährleisten – über den Wettbewerb bei den entsprechenden Auktionen – als auch die Chancen für eine erfolgreiche Stabilisierung des Systems zu maximieren.

Sehr wahrscheinlich wird es am Ende auf eine strengere parlamentarische Kontrolle und eine Beschneidung der Managergehälter hinauslaufen. Die von Paulson und Bernanke vorgetragenen Argumente waren in diesen beiden Punkten wenig überzeugend. Darüber hinaus dürfte der Rettungsplan eine Kapitalbeteiligung des öffentlichen Sektors an den betroffenen Unternehmen vorsehen, um so an möglichen Gewinnen teilzuhaben. Allerdings wird es wohl dabei bleiben, dass der Staat den Finanzinstituten Problemkredite und ausfallgefährdete Wertpapiere abkauft. Wir sollten hierauf schon bald genauere Antworten erhalten. Sobald der Rettungsplan in trockenen Tüchern ist, sollte sich der Aktienmarkt erholen und der Dollar etwas unter Druck geraten, dann aber wieder zulegen können. Bis sich auch die Spannungen am Geldmarkt endgültig aufgelöst haben, wird es aber noch einige Zeit dauern. Zuerst muss die Bereinigung der Bankbilanzen anlaufen. Erst dann kann sich das am Markt wahrgenommene Kontrahentenrisiko deutlich verringern. Die Spreads am Geldmarkt sollten aber unmittelbar von der endgültigen Verabschiedung des Rettungsplans profitieren.

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