Kommentar
14:44 Uhr, 01.03.2022

Hat der Bullenmarkt doch noch eine Chance?

Seit Jahresbeginn war der Markt schwach und anfällig. Jetzt, da es zur Panik gekommen ist: Ist der Bullenmarkt gerettet?

Zumindest kurzfristig stehen die Chancen für eine weitere Erholung auf soliden Beinen. Die Stimmung sackte auf ein bärisches Extrem ab. Bei US-Privatanlegern lag der Bärenüberhang bei mehr als 30 %. Deutlich mehr als 50 % aller Anleger zählten sich zum Bärenlager und nur 20 % waren bullisch eingestellt.

Ein so großer Bärenüberhang ist für den Markt positiv (Grafik 1). Ähnlich hohe oder noch höhere Werte führten in der Vergangenheit zu Rebounds und entpuppten sich als gute Kaufgelegenheiten. Anleger waren in der vergangenen Woche sogar bärischer als zu Beginn der Pandemie (Grafik 2).

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Das wirft gewisse Fragen auf. Die Pandemie hat jeden betroffen. Sie war sofort und für alle spürbar. Geschlossene Geschäfte, leere Straßen, Bilder überfüllter Krankenhäuser – das konnte nicht unbemerkt bleiben. Dennoch reagieren US-Anleger auf den Ukrainekrieg mit größerer Sorge.

Nüchtern betrachtet macht das keinen Sinn. Die Pandemie, wirtschaftlicher Lockdown und ein Finanzsystem, welches wieder einmal kurz vor dem Kollaps stand, waren für Aktien eine weitaus größere Gefahr. Das Sentiment spiegelt also nicht unbedingt die tatsächliche Gefahr wider.

Eine mögliche Erklärung ist die Veränderung bei der Anlegergruppe. Erst durch die Pandemie sind viele Privathaushalte zu Anlegern geworden. Sie kannten nur eine Börse, die aufwärts tendiert. Zwei Monate Korrekturbewegung und dann noch Krieg zermürben unerfahrene Anleger mehr als Anleger, die mehrere Krisen durchlebt haben.

Was auch immer der Grund für den extremen Pessimismus ist, es ist für Aktien ein positives Signal. Gibt es so viele Bären bzw. so wenige Bullen wie jetzt, tendiert der Markt aufwärts. Dies gilt nicht unbedingt für die ersten Wochen. Die Performance ist statistisch positiv mit 1 % und einer Trefferquote von 61 % (Grafik 3).

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Das überzeugt noch nicht. Dass die Performance nicht besser ist, hat gute Gründe. Anleger sind verunsichert. Es wird viel gekauft und verkauft. Eine klare Linie ist in den ersten Tagen nach dem Schock nicht zu erwarten. Der Markt bleibt volatil und anfällig. Auf Sicht von drei, sechs oder zwölf Monaten ändert sich das. Die Performance ist überdurchschnittlich gut und weist hohe Trefferquoten auf.

Auf Sicht von sechs und zwölf Monaten kann man sich sogar relativ sicher sein, dass die Kurse höher stehen. Die große Ausnahme war 2008. Eine Finanzkrise ist aktuell nicht erkennbar. Die Lage müsste sich deutlich verschlechtern, um die Perspektive so einzutrüben wie 2008.

Trotz schlechter Stimmung ist am Aktienmarkt jedoch eines ausgeblieben: Kapitulation. Der Anteil der S&P 500 Aktien oberhalb der 50-Tagelinie fiel in die Kaufzone zurück (Grafik 4), die zumindest einen Rebound anzeigt. Ein Kapitulationsniveau wurde hingegen nicht erreicht. Anleger sollten daher aufmerksam bleiben und sich nicht zurücklehnen. Im Schlafwagen wie von April 2020 bis Dezember 2021 geht es nicht weiter.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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