Kommentar
09:00 Uhr, 09.06.2024

Hätte Janet Yellen lieber spekulieren sollen?

Janet Yellen wurde schon als Notenbankvorsitzende viel kritisiert. Die Kritik ist ihr in ihr Amt als Finanzministerin gefolgt. Der Kritikpunkt: Sie hätte viel mehr Anleihen ausgeben sollen, um die Zinslast des Staates zu minimieren.

Die Kritik klingt einleuchtend. 2020 und 2021 waren die Zinsen so tief wie noch nie. Wer in dieser Zeit Anleihen (Laufzeiten von sieben Jahren und mehr) ausgegeben hat, profitiert noch einige Jahre von diesen Anleihen, für die kaum Zinszahlungen fällig werden. Im Jahr 2020 konnten etwa Anleihen mitzehn Jahren Laufzeit zu einem Zinssatz von ungefähr 0,6 % ausgegeben werden. 30-jährige Anleihen konnte man fast zu einem Zinssatz von 1 % platzieren.

Die Chance wurde vertan und genau das wurde kritisiert. Jetzt zahlt die US-Regierung bereits über eine Billion USD Zinsen pro Jahr. Das klingt viel, ist aber prozentual noch immer wenig. Der Zinssatz auf alle ausstehenden Schulden liegt bei gut 3 %. Das ist so viel wie seit 2009 nicht mehr, aber immer noch unglaublich wenig (Grafik 1).

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Das Problem ist nicht der Zinssatz, sondern die Schuldenhöhe. Bei fast 30 Billionen USD Schulden (Grafik 2) macht auch ein niedriger Zinssatz viel aus. Es könnte jedoch weniger sein. Zu Beginn der Pandemie, als der Finanzierungsbedarf sehr schnell in die Höhe schnellte, gab die Regierung vor allem Bills aus (Laufzeiten bis ein Jahr). Dafür kann man Janet Yellen kaum kritisieren. Sie war damals noch nicht im Amt.

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Ihre Amtszeit begann, als die Rendite 10-jähriger Anleihen bereits wieder bei 1,6 % stand. Das ist immer noch deutlich weniger als heute (4,3 %). Immerhin das kann man ihr anlasten, so zumindest die Kritiker. Das Problem: Es stimmt nicht. Yellen erhöhte die Ausgabe von Notes (sieben bis zehn Jahre Laufzeit) und Bonds (mehr als 20 Jahre Laufzeit) massiv. Erst seit 2023 werden wieder vermehrt Bills ausgegeben (Grafik 3).

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Die Zinsen für Bills sind derzeit höher als für Notes und Bonds. Das nimmt man in Kauf, wenn man mittelfristig tiefere Zinsen erwartet. Es ist besser, für ein oder zwei Jahre einen halben Prozentpunkt mehr zu bezahlen, wenn man für die restlichen acht oder mehr Jahre dann einen Prozentpunkt an Zinsen sparen kann.


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An der Ausgabe von Notes und Bonds kommt der Staat dennoch nicht gänzlich vorbei. Im Vergleich zum Marktzins liegt der Zins, den die Regierung effektiv zahlt, allerdings auf tiefem Niveau (Grafik 4, 5). Ob gewollt oder nicht, der Staat hat genau das Richtige gemacht. Rückblickend gesehen hätte vielleicht noch mehr optimiert werden können. Angesichts der überbordenden Verschuldung gleicht es jedoch einem kleinen Wunderwerk, dass die USA nicht einen höheren Zins zahlen müssen.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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