Kommentar
00:59 Uhr, 27.07.2008

Haben Sie sich über mich geärgert, Herr R.?

Sehr geehrter Herr R.,
Sehr geehrte Privatanleger,

haben Sie sich geärgert, dass Sie 2007 auf meinen Rat kauften und nun viele Aktien tiefer stehen, zum Teil sogar empfindlich tiefer? So richtig geärgert? Schwarz geärgert? Ich habe eine ermutigende Nachricht für Sie.

Letzte Woche unterrichtete ich in München, zusammen mit Professor Bruce Greenwald, das Value-Investing Seminar der Columbia University. Im Anschluss an das zweitägige Seminar fand die BayernLB Value Intelligence Conference statt, die führende Konferenz von Value Experten im deutsch­sprachigen Raum

Unter anderem referierte der führende, verhaltenswissenschaftliche Finanzforscher, Professor Thorsten Hens von der Universität Zürich. Seine Erkenntnis: Emotionen können auch beim Investieren sehr nützlich sein, dann nämlich, wenn Sie sich am Anfang sehr stark ärgern, weil Sie Fehler gemacht haben. Das ist dann oft der Antrieb, später diese Fehler zu vermeiden, während ein weniger emotional involvierter Mensch vielleicht dieselben Fehler wieder machen würde.

Herr R., ich habe mitbekommen, dass der Kursein­bruch bei den Aktien Ihnen sehr nahe ging. Sie werden sich jetzt doppelt reinhängen. Deswegen sind Sie ja auch erfolgreicher Unternehmer ge­worden.

André Kostolany hat im Übrigen die Erkenntnisse von Professor Hens einfach zusammengefasst: „Das Geld an der Börse ist Schmerzensgeld – erst kommen die Schmerzen, dann das Geld.“ Ich kann Sie nicht vor Schwankungen an der Börse schüt­zen. Aber wenn Sie Ihre eigenen Reaktionen auf die Börse genau erforschen und den Willen haben, sich gegen den Strom zu stellen und solide zu investieren, wartet nach den Schmerzen das Geld.

Die Konferenz brachte viele weitere interessante Erkenntnisse und bestätigte im Großen und Ganzen unsere Strategie. Die meisten Value-Experten verabschieden sich langsam aus Rohstoffen und Energie, während die Masse hier noch die großen Gewinne wittert.

Pharmaaktien, die wir seit über einem Jahr empfehlen, sind nun wirklich hochattraktiv. Sanofi-Aventis (WKN: 920657), Novartis (WKN: 904278) und GlaxoSmithKline (WKN: 940561) scheinen ihren Boden gefunden zu haben.

Auch Japan taucht nach vielen Jahren auf dem Radarschirm der Value-Experten auf, nachdem es hier schon mehrfach einen Fehlstart der Börse gegeben hat. Diesmal könnte allerdings eine nachhaltige Entwicklung erfolgen. Viele japanische Unternehmen sind mittlerweile spottbillig.

Zwei Themen sind bei den Value-Experten besonders umstritten: Gold und Finanztitel. Während ein Teil der Value-Experten Gold als sinnvolle Depotbeimischung sieht, so zum Beispiel die Fondsgesellschaft First Eagle, ist dies für andere eher Wertvernichtung. Meine Position kennen Sie: Ihr Depot sollte durch fünf bis zehn Prozent Gold abge­sichert sein.

Bei Finanztiteln ist die Value-Gemeinschaft sehr gespalten. Einige denken, es sei an der Zeit, einzusteigen. Andere befürchten, dass uns das Schlimmste noch bevorsteht. Bei Banken wäre ich sehr vorsichtig und würde nur ganz kleine Positionen eingehen. Stabile Finanzdienstleister wie American Express (WKN: 850226), GrenkeLeasing (WKN: 586590) oder aber Versicherungen wie die Allianz (WKN: 840400) sind demgegenüber deutlich interessanter.

Schauen Sie sich auch einmal die von uns empfohlene TV-Gesellschaft Mediaset (WKN: 901402) an. Das Unterneh­men zahlt fast zehn Prozent Dividende und dominiert den italienischen Fernsehmarkt. Der Eigentümer ist zufälliger­weise Ministerpräsident seines Landes und wurde gerade durch ein zusätzliches Immunitätsgesetz geschützt. Und nun das Bonbon: Diese Woche kaufte besagter Herr Berlusconi Aktien des eigenen Unternehmens im Wert von 30 Millionen Euro. Da können Sie nicht viel falsch machen.

Auf gute Investments!
Ihr

Prof. Dr. Max Otte

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