Kommentar
13:00 Uhr, 01.02.2005

Guter Profit in kurzer Zeit: Hohe "schnelle" fallende Dreiecksformationen

Trader und Chartisten lassen sich verschiedentlich kategorisieren. Unter anderem gibt es die große Einteilung in Systemtrader einerseits und in intuitiv handelnde „Chart Reader“ andererseits. Systemtrader entwickeln komplexe Regelwerke, werten sie statistisch aus, nutzen umfassende Indikatorenteppiche, flechten Intermarketkorrelationen in ihre Formeln ein und kombinieren nach umfassenden Backtestings mehrere solcher Systeme. Anschließend screent der Computer, nicht der Mensch den Markt und wendet die programmierten Systeme an. Systemtrader haben die Statistik auf ihrer Seite, sie haben sich des Problems der Emotionen während des Tradings weitgehend entledigt, sie haben ein standardisiertes festes Regelwerk bei der Wahl des Drawdowns, kurzum alles ist in der Formel des jeweiligen Systems enthalten. Beim konkreten Trading läuft es auf in eindeutiges Ja oder Nein hinaus. Ganz anders der klassische „Chart Reader“, der als Mensch den Chart quasi wie ein Buch liest, sich beim „Lesen“ Hilfsmitteln wie der klassischen Formations- und Indikatorenlehre, den Fibos, der Elliott Wave Theorie, Bollingerbändern und simplen gleitenden Durchschnitten bedient. Thema dieses Artikels sollen sogenannte hohe „schnelle“ fallende Dreiecksformationen sein, die von eben dieser Gruppe der intuitiven, subjektiv als Mensch handelnden Trader angewandt werden können. In der klassischen Charttechnik spielt die Lehre der Formationen eine zentrale Rolle. Bei „schnellen“ fallenden Dreiecken handelt es sich um eine Spezialform klassischer fallender Dreiecksformationen. Sie sind leicht und schnell anzuwenden, bieten sich als Hilfsmittel für Trader an, die es unkompliziert bevorzugen, enge Drawdowns präferieren und sie sind vor allen Dingen hochprofitabel.

Logik der Strategie: Hohe „schnelle“ fallende Dreiecke tauchen am Ende starker überhitzter Aufwärtstrendphasen auf. Steile Anstiege im Vorfeld der Formation sind aber nicht zwingend erforderlich. Bei „schnellen“ fallenden Dreiecken handelt sich um Formationen mit hochgradig bearishem Trendwendecharakter. Werden Sie durch Auslösung ihres Sell Triggers bestätigt, leiten sie in der Regel größere Abwärtsbewegungen innerhalb kürzester Zeit ein. Der Kurs des betreffenden Basiswerts implodiert regelrecht. Insofern ist dieser Typ fallender Dreiecke besonders lukrativ für Shortseller.

Regeln: Das Regelwerk ist mehr als simpel. Bei hohen „schnellen“ fallenden Dreiecken handelt es sich eigentlich um eine Zwitterformation zwischem klassischem Doppeltop und klassischem fallenden Dreieck. Werfen Sie bitte während des Lesens des Regelwerks einen Blick auf Bild (1). Das Dreieck besteht aus 2 Peaks. Das Top von Peak 2 sollte deutlich unter dem von Peak 1 liegen. „Morphologisch“ sollten sich beide Peaks ähneln. Beide schmal, spitz, hoch und optimalerweise von gleicher Breite. Die Formation insgesamt sollte deutlich höher als breit sein. Die Oberkante (A) sollte 2 Auflagepunkte haben, die Unterkante (B) nur einen. Deshalb der Hinweis auf den Formationszwitter. Ein Auflagepunkt, wie Sie es bei einem Doppeltop kennen. Nach der klassischen Definition sollte die Unterkante eines Dreiecks ebenfalls mindestens 2 Auflagepunkte haben. Das ist hier aber gerade nicht der Fall. Wir versehen die Bezeichnung dieser Art von fallendem Dreieck deshalb mit dem Zusatz „schnell“, weil ein wesentlicher Bestandteil der Definition die Forderung nach „maximal“ minimaler Anzahl von Auflagepunkten ist, - das Formationsgebilde muß sich sehr schnell aufbauen -, und weil es anschließend in der Regel zu schnellen umfassenden Kursabschlägen kommt. Im Folgenden seien noch einige wünschenswerte Features angemerkt. Wünschenswert bei der Ausbildung dieser Dreiecke ist, dass in den Verlauf des Dreiecks weitere bearishe Formationen eingebettet sind. Beispielsweise Peak 2 in Form eines kleinen Doppeltops. Ebenfalls wünschenswert ist es, wenn der Auflagepunkt der Dreiecksunterkante durch ein kleines bullishes Pattern oder eine bullishe Kerze wie etwa einem Hammer dargestellt ist.

Konkrete Anwendung beim Trading: Das Niveau von dem Auflagepunkt der Dreiecksunterkante (B) nutzen Sie als maßgebliche Sell Triggermarke (B). Wird sie unterschritten, liegt das entscheidende Verkaufssignal bzw. Shortsignal vor. Bezüglich der Signifikanz der Auslösung des Verkaufssignals gilt kurstechnisch, dass jeder Kurs unterhalb der Sell Triggermarke (B) verkaufssignalauslösend wirkt und unter zeitlichen Gesichtspunkten ein Schlusskurs entsprechend der Chartzeiteinstellung. Im Wochenchart ist also ein Wochenschlußkurs unterhalb des Sell Triggers (B) erforderlich, im Tageschart ein Tagesschlußkurs, im 60 Minutenchart ein 60 Minutenschlußkurs unterhalb des Triggers (B). Sind diese beiden Bedingungen erfüllt, können Sie in den betreffenden Basiswert short gehen. In Bild 1 mit der schematischen Darstellung eines „schnellen“ fallenden Dreiecks ist der Beginn eines Short-Trades und die zu shortende Strecke mit dem blauen Pfeil skizziert. Das Stopp sollte auf Schlusskursbasis entsprechend der Chartzeiteinstellung leicht oberhalb des Sell Trigger (B) gesetzt werden. In der Tat bietet es sich an, bei einem nennenswerten Rebreak über den Trigger (B), sich sofort wieder ausstoppen zu lassen, da in diesem Fall die Variante einer Etablierung einer bullishen Flagge zur möglichen Option wird. Und in einer solchen möchte man als Shortseller nicht short positioniert sein. Die Erfahrung hat allerdings gezeigt, dass ein Rebreak im Gros der Fälle nicht zu einer Bullflag-Bildung führt, sondern zu einem „Geplänkel“ im Sinne beispielsweise eines zwischengeschalteten Wimpels. Das Korrekturziel bei einem fallenden Dreieck ermittelt sich aus dessen Höhe. Gemessen wird dabei die maximale Höhe des Dreiecks bis zur Triggerlinie (B). Diese Höhe wird bei einem fallenden Dreieck von der Triggerlinie nach unten projeziert. Auf Bild (1) ist neben der schematischen Dreiecksdarstellung auch ein erstes konkretes Beispiel in Form eines 60 Minutenchartausschnitts des S&P 500 Index vom 06.06.2003 zu sehen.

Anbei einige konkrete Beispiele:

Beispiel 1: Wochenchart vom Nasdaq Composite mit Darstellung der mittelfristigen Top-Bildung in 2000 in Form eines typischen fallenden Dreiecks.

Beispiel 2: Wochenchart von Goldman Sachs (GS) mit Darstellung des „schnellen“ fallenden Dreiecks von Februar bis April 2004

Beispiel 3: Wochenchart von Research in motion (RIMM) mit Darstellung des „schnellen“ fallenden Dreiecks, das sich Februar/März 2000 ausgebildet hatte und einen regelrechten Sell Off einleitete.

Welcher Mechanismus verbirgt sich hinter dieser Formation? Peak 1 entsteht meist am Ende einer übergeordneten Aufwärtsbewegung, die sich immer mehr verschärft hat. Idealerweise explodiert der Kurs am Ende dieser Aufwärtsbewegung nahezu senkrecht. Peak 1 kommt dadurch zustande, dass die ersten Marktteilnehmer größere Positionen auf den Markt schmeißen. Gleichzeitig versiegt der Nachfrageschub der euphorisierten Masse. „Man“ merkt, dass der Hype zuende sein könnte. Es setzt ein schlagartiger Stimmungswechsel ein. Peak 2 stellt ein Erschöpfungspeak dar. Es wird lediglich getestet, ob tatsächlich das Niveau von Peak 1 nicht mehr erreicht werden kann. Deshalb sollte Peak 2 deutlich unter Peak 1 liegen. Es zeigt nämlich das Ausmaß der plötzlichen Ernüchterung der Marktteilnehmer an, die den betreffenden Basiswert zuvor nach oben gehandelt hatten. Während des Hypes dominierte das Gefühl die Masse, etwas auf der Longseite zu verpassen, während der Ausbildung des ersten Peaks weicht es dem Gefühl der noch Investierten, keine sinnvollen Ausstiegskurse mehr zu erhalten. „Oh nein, das Niveau von Peak 1 ist soweit entfernt … das erreichen wir nie mehr … ich muß raus … koste es, was es wolle …“. Peak 2 kommt dadurch zustande, dass nun Verkäufer dominieren und das vorliegende Kursniveau weit unterhalb von Peak 1 noch als sinnvolles Verkaufsniveau erachten. Und warum nur ein Auflagepunkt der Dreiecksunterkante? Und warum sollten die beiden Peaks möglichst spitz und schmal sein? Weil es um die Geschwindigkeit des Stimmungswechsels geht. Er sollte sich so schnell wie möglich und so drastisch wie möglich vollziehen. Aus Sicht des Shortsellers sollte Panik entstehen, um in Aktion treten zu können und den „Schmerz der Investierten“ leerzuverkaufen. Der schnelle Aufbau des hohen Dreiecks spricht auch für ein erhöhtes Momentum in dem betreffenden Basiswert. Momentum im Sinne von möglichst großem Orderflow pro Zeiteinheit. Alle Orders müssen durch ein und dasselbe Nadelöhr. Und durch dieses Nadelöhr strömen bei Unterschreiten der Sell Triggermarke (B) auch die leerverkauften Positionen der Shortseller, die zusätzlichen Druck nach unten verursachen. Hohes Momentum als Zeichen der zunehmenden Panik.

Bevorzugte Märkte, Zeitfenster und Chartzeiteinstellungen: „Schnelle“ Dreiecke funktionieren ausgezeichnet bei Aktien, - insbesondere bei US Aktien -, außerdem bei Commodities und Devisen. Weniger gut anwendbar sind sie im DAX und FDAX, in denen es oft durch mehrfache Rebreaks des Sell Triggers (B) zur Ausbildung von sogenannten „verwaschenen“ fallenden Dreiecken kommt. „Schnelle“ Dreiecke funktionieren in langfristigen Zeitfenstern ebenso gut wie in ultrakurzfristigen (intraday). Auch die Chartzeiteinstellung hat in den genannten Märkten keinen nennenswerten Einfluß auf die Effektivität. Monats-, Wochen-, Tages-, 60 Minuten-, 15 Minuten- und 5 Minutencharts funktionieren gleichermaßen gut.

Schlussfolgerung: Hohe „schnelle“ Dreiecksformationen sind leicht von intuitiven „Chartreadern“ anzuwenden. Das Prinzip ist simpel. Der Drawdown kann relativ gering gehalten werden. Bei regelkonformer Auflösung winken mit Shortpositionen hohe Gewinne innerhalb kürzester Zeit. Leider kommen sie so oft nicht vor und funktionieren nicht in allen Märkten

Autor: Harald Weygand - Chefredakteur http://www.godmode-trader.de

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