Kommentar
16:42 Uhr, 28.02.2007

Guangshen Railways: Chinas einzige Eisenbahngesellschaft an der Börse

Eine Zeitmaschine müsste man haben, wünscht sich mancher Investor. Dann könnte man in die Pionierzeit Amerikas reisen und am Aufbruch einer jungen Wirtschafts-Weltmacht teilnehmen. Damals haben Eisenbahnen den jungfräulichen Kontinent erschlossen. Aber dann fällt dem gut informierten Investor ein, dass gerade in China ähnliches passiert. Auch dort erschließen Eisenbahnen einen Kontinent im Aufbruch.

Die einzige im Westen notierte chinesisches Eisenbahnaktie ist Guangshen Railways. Seit 1996 wird die Eisenbahngesellschaft an ihrer Heimatbörse Shenzhen und in Form von American Depositary Shares ("ADRs") an den Börsen Hongkong und der New York Stock Exchange notiert. Seit 2006 wird Guangshen auch in Shanghai gehandelt.

Deren Bahnlinien verbinden im Süden Chinas zwei rasant wachsende Ballungszentren, nämlich Shenzhen und Guangzhou. Shenzhen ist eine boomende Sonderwirtschaftszone an der Grenze von Hongkong mit rund 11 Millionen Einwohnern. Etwa 150 km nordwestlich davon liegt die Großstadt Guangzhou, bekannter unter dem Namen Kanton, die zusammen mit dem näheren Umland rund 10 Millionen Einwohner hat. Außerdem ist Guangshen die einzige Bahnverbindung Hongkongs mit der Volksrepublik China.

Damit erschließt Guangshen eine der am dichtesten besiedelten Regionen Chinas, deren Wirtschaft und Bevölkerung zudem rasant wachsen. Die Züge der Gesellschaft transportieren nicht nur Menschen, sondern Kohle, Eisen, Holz, Nahrungsmittel und was sonst noch gebraucht wird, zwischen den beiden Boomtowns.

Guangshen betreibt mehrere Schienenstränge und darauf verschiedene Zuglinien. Dazu zählen Hochgeschindigkeits-Passagierzüge, die bis zu 200 km/h schnell sind, und Frachtzüge, die bis zu 120 km/h bewältigen. Die Strecken sind allerdings im Vergleich zur gesamten Volksrepublik China, die sich von Nord nach Süd über 4.500 km erstreckt und von Osten nach Westen über 4.200 km ausdehnt, sehr begrenzt.

Die Regierung in Peking hat aber im vergangen Jahr angekündigt, sie wolle bis zum Jahr 2010 bis zu 160 Milliarden Dollar in die Infrastruktur investieren, einschließlich dem Eisenbahnwesen. Im vergangenen Jahr hat Guangshen durch einen Börsengang in Shanghai ihr Kapital erhöht und mit dem Geld eine Strecke von rund 330 km in der Nähe Guangzhou erworben.

Die langfristige Fantasie des Papiers beruht also auf der Hoffnung, dass das Streckennetz wesentlich erweitert wird, also durch Zukäufe, vielleicht eines Tages sogar über ganz China.

Allerdings ist die Aktie nur für sehr risikobewußte Investoren geeignet. Interessenten sollten daher Warnzeichen beachten.

Eisenbahnen sind in der Pionierzeit eine Landes keineswegs eine risikolose Anlage. Das zeigt die Geschichte der amerikanischen Eisenbahngesellschaft Union Pacific, die im 19. Jahrhundert einen bedeuteten Beitrag zur Erschließung des nordamerikanischen Kontinents leistete. Obwohl die Eisenbahngesellschaft damals enorme Subventionen des US-Staates kassierte, ging sie 1893 bankrott. Bereits schon 1872 war die Union Pacific in einen Finanzskandal verwickelt , der die noch junge USA erschütterte - und das kurz nach dem Höhepunkt des Erschließungsbooms, dem sogenannten "Goldenen Zeitalter" der Industrialisierung Nordamerikas. Auch andere Eisenbahngesellschaften gingen in der Frühzeit der USA bankrott.

Heute hat die Union Pacific ihre Flegeljahre allerdings überwunden. Der Aktienkurs stieg seit 1985 - bereinigt um Aktiensplits - von 20 Dollar auf 100.

Die Geschichte wiederholt sich zwar nie völlig identisch - aber auch chinesische Eisenbahnen brauchen sehr viel Geld, um neue Schienenstränge zu legen, Weichen zu installieren, Bahnhöfe zu bauen und Lokomotiven und Wägen anzuschaffen. Solche Investitionen können die zeitweise Gewinne stark belasten.

Es gibt aber einen wesentlichen Unterschied zur USA. Das politische Risiko ist in der Volksrepublik China sehr hoch, weil das Land nach wie vor von einer kommunistischen Regierung beherrscht wird, die zudem Großaktionär von Guangshen ist. Bürokratie und Korruption sind wesentlich ausgeprägter als in Europa oder USA. Die Politik ist in China noch willkürlicher, sprunghafter und noch weniger durchschaubar als in westlichen Demokratien. Die Geschichte Chinas ist ohne sehr volatil. Es gab in der Vergangenheit häufig drastische Rückschläge, etwa die Kulturrevolution.

Zu dem politischen Risiko passt, dass es über die teilweise staatliche Guangshen - obwohl sie an der Wall Street notiert wird - nur wenige Informationen gibt. Die üblichen Quartalsberichte, die man von amerikanischen und inzwischen auch von deutschen Unternehmen gewohnt ist, fehlen. Eine Investition in der Guangshen ist auch eine Fahrt ins Blaue.

Außerdem hat die Eisenbahn einen Großaktionär, nämlich den chinesischen Staat. Was der künftig mit seinen Aktien anstellt, weiß niemand.

Davon abgesehen sind Chinaaktien ganz besonders volatil. Auf scharfe Aufschwungphasen folgen oft schmerzhafte Einbrüche. Die Chinesen scheinen Spiel und Risiko zu lieben.

Während der Asienkrise 1997/1998 brach der Aktienkurs der Guangshen an der Wall Street um rund 80 Prozent ein. Der Infrastruktur-Titels benötigte dann etwa sieben Jahre, um die Schlappe wieder auszugleichen. Ein Kursverhalten, das frappant an das Schicksal der Internetaktien erinnert. Vergleicht man die Kursentwicklung der Guangshen seit ihrem Wall Street-Start 1996 mit der über einhundertjährigen Union Pacific entwickelt sich das Chinapapier - wegen dieses Rückschlags- erst seit vergangenem Sommer an der Börse besser als der US-Wert.

Seit 2003 bewegt sich der fernöstliche Transport-Titel allerdings im Aufschwung, der sich in den vergangenen Monaten beschleunigt hat - wie bei vielen China-Aktien. Allein gegenüber dem Tief des vergangenen Jahres hat der Hoffnungs-Wert mehr als 100 Prozent zugelegt. Die Fantasie wurde zuletzt vom Börsengang in Shanghai und der damit finanzierten Erweiterung des Streckennetzes angeregt.

Nach der Rallye hat der Kurs schon reichlich Hoffnung eingepreist - wie das Gros der Chinaaktien. Im Januar warnte ein chinesischer Regierungsbeamter in einem offiziellen Interview mit der Financial Times bereits vor einer Überhitzung der Aktienmärkte in Shanghai und Shenzhen. Es sei möglich, dass die Regierung in Peking Maßnahmen ergreift, um die Spekulation zu dämpfen, drohte der Offizielle. Allein diese Meldung führte damals zu einem Tagesverlust von 5,5% bei Guangshen Railways.

Derzeit wächst die Gesamtwirtschaft Chinas mit einer jährlichen Rate von über 10%. Die Regierung in Peking bemüht sich aber, das Wachstumstempo zu drosseln.

Die Deutsche Bank, die grundsätzlich sehr optimistisch bleibt für das Eisenbahnsystem Chinas, empfiehlt Guangshen nur noch zu Halten.

Zusammenfassung: Guangshen Railways ist eine Wette darauf, dass sich der rasante Aufstieg des chinesischen Riesenreiches fortsetzt. Das ist nur möglich, wenn Menschen, Rohstoffe und verarbeitete Waren schnell und effizient zu ihren Zielen gebracht werden. Davon profitiert diese Eisenbahngesellschaft, die eine Boomregion im dynamischen Süden Chinas bedient. Guangshen setzt moderne und teilweise superschnelle Züge ein, bedient aber bislang lediglich ein regional eng begrenztes Gebiet an der Grenze von Hongkong. Die langfristige Fantasie des Papiers beruht auf der Hoffnung, dass das Streckennetz wesentlich erweitert wird, vielleicht eines Tages sogar über ganz China. Das Infrastruktur-Papier ist aber nur für sehr risikobewußte Investoren geeignet. Obwohl Guangshen auch an der New York Stock Exchange gehandelt wird, gibt es dazu viel weniger Informationen als über westliche Gesellschaften. Das politische Risiko ist sehr hoch, weil das Land nach wie vor von einer kommunistischen Regierung beherrscht wird, die zudem Großaktionär von Guangshen ist. Bürokratie und Korruption sind wesentlich ausgeprägter als in Europa oder USA. Außerdem ist die Regierung derzeit bemüht, das Wachstumstempo der Wirtschaft zu drosseln. Die Aktie ist - wie traditionell alle Chinaaktien - sehr volatil. Guangshen hat - wie das Gros der China-Papiere - gerade eine Rallye von 100% in wenigen Monaten hinter sich. Das Risiko eines vorübergehenden Rückschlags ist hoch.

Quelle: http://www.rohstoff-report.de - Der reichweitenstärkste Börsenbrief in Deutschland mit Schwerpunkt Rohstoffe, Edelmetalle, erneuerbare Energien. Fundamentalresearch und zusätzlich charttechnische Analysen mit Kurszielen. Melden Sie sich KOSTENLOS an.

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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