Kommentar
10:44 Uhr, 18.08.2016

Großbritannien: Arbeitsmarkt brummt! Gute Einzelhandelsumsätze

Der britische Arbeitsmarkt überrascht nach dem Brexit-Votum. Dieser läuft weiter auf Hochtouren, obwohl viele eher ein Stottern erwartet hatten.

Die britischen Arbeitsmarktdaten sind recht speziell. Das muss man wissen, bevor man die Daten sieht und sich gleich eine Meinung bildet. Arbeitslosenraten werden im Vergleich zu anderen Ländern relativ spät veröffentlicht. So waren im heutigen Arbeitsmarktbericht vor allem Daten bis Juni enthalten (also pre-Brexit).

Die meisten Datensätze zum Arbeitsmarkt sind keine Monatsdaten, sondern sind der Durchschnitt der letzten drei Monate. Auch das unterscheidet die Daten von anderen Ländern, wo man normalerweise Monatsdaten erhebt und veröffentlicht. Ein Datensatz wird jedoch auf monatlicher Basis veröffentlicht und dieser überraschte alle.

Die positive Überraschung gab es bei den Arbeitslosengeldbeziehern. Die Zahl sank im Juli um 8.600 Personen (Grafik 1). Eigentlich wurde ein Anstieg um 9.500 erwartet. Dass es zu keinem Anstieg kam, ist ein wenig verwunderlich. Viele Firmen hatten nach dem Brexit-Votum eigentlich Einstellungsstopps angekündigt. Davon kann derzeit noch keine Rede sein.

Mit dem Rückgang kann man auch davon ausgehen, dass die Arbeitslosenquote auf ihrem sehr niedrigen Niveau von 4,9 % verharren wird. Mit 4,9 % ist die Quote so niedrig wie seit 10 Jahren nicht mehr. Der niedrige Wert ist auch deswegen bemerkenswert, weil immer mehr Menschen auf den Arbeitsmarkt strömen.

Grafik 2 zeigt die Beschäftigungsquoten für Frauen, Männer und die Gesamtbevölkerung. Während die Quote bei Männern seit 1990 zwischen 75 % und 80 % schwankt, steigt die von Frauen seit Jahrzehnten kontinuierlich an. Insgesamt ergibt sich daraus die höchste Beschäftigungsquote, die Großbritannien jemals ausweisen konnte.
Der Boom des britischen Arbeitsmarktes hat in den vergangenen Jahren nicht nur Briten zu einem Job verholfen, sondern auch vielen EU Bürgern. Grafik 3 zeigt wie viele Jobs von Ausländern gehalten werden. Die Anzahl an Jobs, die von Personen mit keinem EU Pass besetzt werden, stagniert seit 2008. Dafür hat sich die Zahl an Beschäftigten aus EU Ländern seit 2008 verdoppelt.
Die starke Zuwanderung und das extrem schnelle Wachstum der Beschäftigung bei EU Bürgern war auch im Wahlkampf ein großes Thema. Dabei kann man die Position der Brexit-Befürworter kurz und knapp zusammenfassen: Die Einwanderer aus anderen EU Ländern nehmen den Briten die Jobs weg.

Ob nun andere EU Bürger die Jobs wirklich weggenommen haben, sei dahingestellt. Die Arbeitslosigkeit ist generell niedrig. Es gibt keinen Hinweis dafür, dass EU Bürger im Gegensatz zu Briten bei der Stellenvergabe systematisch bevorzugt werden. Darauf kommt es allerdings auch nicht wirklich an. Wer einen Blick auf die Grafik wirft, ohne viel Kontext zu kennen, bekommt schnell einen ganz bestimmten Eindruck.

Wie dem auch sei, dem Arbeitsmarkt geht es gut und es gibt bisher keine Anzeichen, dass sich das wegen des Brexit-Votums ändern wird. Die Notenbank hält einen Anstieg der Arbeitslosgenquote auf 6,5 % für möglich. Persönlich halte ich das für zu pessimistisch. Vielmehr dürfte es vor einem Anstieg der Arbeitslosigkeit zu einer Verlangsamung des Lohnwachstums kommen. Dieses zeigte sich zuletzt mit Werten von 2-3 % sehr robust (Grafik 4).

Wegen der geschwächten Währung wird die Inflation in den kommenden Monaten ansteigen und eventuell sogar über die Marke von 2 % steigen. Solange die Löhne weiterhin mit 2 % oder mehr steigen können, sollte dieser „Inflationsschock“ nicht negativ auf die Konsumlaune der Bürger abfärben. Verlangsamt sich das Lohnwachstum oder wird gar negativ, dann dürfte es anders aussehen. Eine solch starke Abschwächung halte ich jedoch für unwahrscheinlich.

Alles in allem kann man nach den ersten harten Zahlen nach dem Referendum noch keinen dramatischen Einbruch erkennen.

Heute wurden Einzelhandelsumsätze veröffentlicht. Im Juli legte der Einzelhandelsumsatz um 1,4 % ggü. dem Vormonat zu. Prognostiziert war ein Plus von 0,1 %. Bisher sehe ich mich in meiner Einschätzung bestätigt, dass das Brexit-Votum zu keinem Einbruch des Wachstums führen wird.

Clemens Schmale

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Über den Experten

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Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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