Kommentar
20:30 Uhr, 29.06.2015

Griechenland und die Börse: War es das?

Was für ein Montag. Die Gaps hatten es in sich. Von Weltuntergangsstimmung und der Rückkehr der ganz großen Krise ist dennoch wenig zu spüren. War`s das also schon?

Bemerkenswert ist die Entwicklung des Euro. Dieser eröffnete gestern Abend im asiatischen Handel mit einem fast 1,5%-igen Gap nach unten. Das sieht man nicht jeden Tag. Was man ebenfalls nicht jeden Tag sieht ist die extrem schnelle Erholung. Inzwischen steht der Euro höher als er am Freitag geschlossen hatte. Das sagt viel aus.

Anleger nehmen den Bankrott Griechenlands und den möglichen Austritt aus der Währungsunion offenbar positiv auf. Die Logik dahinter kann ich gut nachvollziehen. Wenn das schwächste Glied einer Kette entfernt wird, dann ist der Rest stabiler.

Ganz so einfach ist die Lage dann anscheinend aber doch wieder nicht. Die Renditen für zehnjährige portugiesische, spanische und italienische Anleihen machten einen kräftigen Satz nach oben. Die Renditen bei irischen Anleihen bewegen sich kaum und sinken heute sogar ein wenig. Investoren unterscheiden ganz klar zwischen dem Norden und dem Süden der Krisenländer. Irland, kann man sagen, gehört schon gar nicht mehr dazu.

Die recht sprunghafte Bewegung der Renditen nach oben macht trotz des robusten EUR/USD Kurses deutlich, dass Anleger noch nicht alles vergessen haben. Den ganz großen Abverkauf gab es bei Anleihen der Krisenländer nicht. Das ist schon einmal ein gutes Zeichen.

Damit aus der heutigen, ersten Reaktion der Anleger kein Trend wird - sei es bei Aktien oder Anleihen - sollten die übrigen Euroländer relativ schnell Vorschläge machen, wie sie die Situation behandeln wollen. Die Bekenntnisse vieler Politiker, dass man jederzeit wieder miteinander verhandeln könne, sind verständlich, aber nicht hilfreich. Es muss Klarheit her und zwar jetzt. Revidieren kann man später immer noch - wäre ja nun wirklich nicht das erste Mal. Eine Fortsetzung des bisherigen Verhaltens, einem ständigen Hin und Her, ist kontraproduktiv.

Noch besteht die Chance, dass sich die heutigen Reaktion am Markt sehr schnell wieder ausbügeln lassen. Von alleine wird das jedoch nicht geschehen, denn es schwebt vor allem eine ganz große Frage im Raum: was geschieht mit den wertlosen griechischen Schulden und Krediten, die bei EZB und den Eurostaaten liegen?

Wahrscheinlich ist eine Auslagerung der Schulden an den EFSF und EFSM. Alles ganz einfach, oder? Nicht ganz. EFSF und EFSM haben zusammen eine Kapazität von 500 Mrd. Euro. Würden die Schulden des Hilfsprogramms und die Kredite der EZB gebündelt, dann müssten über 250 Mrd. ausgelagert werden. Mit anderen laufenden Programmen bleibt dann von den 500 Mrd. so viel nicht mehr.

Wer ein wenig über die Implikationen nachdenkt, der findet schnell viele offene Fragen, die Sprengstoff beinhalten. Darauf muss es Antworten geben. Alles andere tut der Eurozone wirklich nicht gut. Auf das Referendum zu warten und dann die nächsten Monate mit der gleichen Regierung in Athen weiterzuverhandeln dürfte ebenso produktiv werden wie die vergangenen Monate. Jetzt besteht die Chance auf einen Schlussstrich und diese Chance muss genutzt werden.

Griechenlands Regierung hackt derweil auf dem Rest der Eurozone weiter herum. Die Aussagen des Tsipras/Varoufakis Duos erinnern inzwischen an nordkoreanische Propaganda. So verkündete Varoufakis gestern Mittag, dass es keine Kapitalverkehrskontrollen geben wird. Kurze Zeit später erklärt Tsipras das Gegenteil. Varoufakis: die Maßnahmen dienen dazu, die Konsequenzen der Entscheidungen der Euroländer für die Griechen möglichst gering zu halten.

Was gut klingt ist einfach nur Müll und größte Propaganda. Behauptet wird zudem die Entscheidungen der Eurogruppe und der EZB dienten dazu, die Demokratie zu unterwandern und das Referendum zu verhindern.

Hören sich Tsipras und Varoufakis eigentlich selbst reden? Der Unsinn solcher Aussagen ist kaum noch greifbar. Die nordkoreanische Propagandamaschine kann da sogar noch etwas lernen.

Ob die Regierung es aus Verzweiflung oder aus Überzeugung tut weiß keiner. Das ist auch nicht wichtig. Wichtig ist, dass sich hier etwas ganz Schlimmes offenbart: kommt es nicht bald zu Neuwahlen in Griechenland, dann muss man sich dafür fürchten, dass die links-rechts Regierung totalitäre Maßnahmen umsetzen. Verbal sind sie schon mitten drin. Soviel zum Thema Demokratie.

Für Griechenland war`s das heute sicherlich noch nicht. Da kommt eine Lawine von Instabilität auf die Griechen zu, nicht nur an den Märkten, sondern auch in der Politik. Das wird sich auch auf den Rest Europas auswirken. Die rein finanziellen Implikationen der Krise sind zu bewältigen. Viel schwieriger einzuschätzen ist es, was passiert, wenn Griechenland auch politisch und Gesellschaftlich ins Chaos stürzt. Insofern kann es nach der heutigen Panikreaktion in den kommenden Tagen etwas ruhiger werden. Danach droht eine zweite Verkaufswelle.

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11 Kommentare

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  • P_44
    P_44

    Hey, nichts gegen Nordkorea! Dort werde ich dieses Jahr, wenn alles läuft wie geplant, meinen Urlaub verbringen. Ist zwar teuer als Griechenland, aber auch lohnender. :-)

    08:53 Uhr, 30.06. 2015
  • trugi
    trugi

    Es geht der griechischen Regierung höchstwahrscheinlich (denn so richtig durchschaubar sind die Herren immer noch nicht) nur um rein ideologische Dinge. Es handelt sich doch eindeutig um eine links/rechts Regierung aus Kommunisten, Altstalinisten, Nationallisten. Die Regierung ist durch und durch Europa/Eurofeindlich und möchte einzig und allein einen EU/Eurorauswurf provozieren bzw noch schöner für die Herren wäre es wenn der Euroraum und die EU gleich ganz auseinanderbrechen würde (Ich möchte keine neue Verschwörungstheorie in die Welt setzen das die Herren von Putin geschickt wurden). Mich würde es nicht wundern das man demnächst unter dem Denkmantel Notstandsgesetze verabschiedet, die das griechische Parlament ausklammert und eine Art Diktatur installiert wird und ich bin mal gespannt wie sich das griechische Militär noch verhält wenn deren Gehälter ausbleiben und Unruhen ausbrechen. Nein hier haben viele meiner Vorschreiber unrecht, die Buhmänner sitzen diesmal nicht in Brüssel oder Berlin/Paris/Washington (vollkommen absurd/ich glaube die schimpfen eher auf die Europäer, dass die das nicht gebacken bekommen).

    08:45 Uhr, 30.06. 2015
  • Kasnapoff
    Kasnapoff

    Um die Griechen geht es in diesem Drama nicht wirklich, die sind den Mächtigen dieser Welt ziemlich egal. Es geht wie immer um Geld und Macht. Die Statthalterin der USA in Europa, Frau Merkel, wurde von ihrem Boss Obama gebrieft, dass ein Austritt der Griechen aus der EU nicht in Frage kommt. Den EU-Bonzen Juncker, Schulz etc. flattern die Hosen, wenn sie an die vor lauter Dummheit versenkten Steuermilliarden denken. Diese inkompetenten Umverteiler haben das Ende der Fahnenstange erreicht und stehen vor einem Scherbenhaufen und das nur deshalb weil 2 europäische Politiker nach der Wahl genau das tun, was sie davor versprochen haben. Die EU-Liten sind schon weit vorgeschritten in ihrem Bestreben, aus der Demokratie eine Diktatur zu machen, man kann nur hoffen, das sie dabei letztlich gnadenlos auf die Schnauze fallen.

    07:00 Uhr, 30.06. 2015
  • 1 Antwort anzeigen
  • Dieter_HW
    Dieter_HW

    Herr Schmale, meinem Vorposter muss ich recht geben. Und meine persönliche Meinung: Ihr schreibt über Griechenland letztendlich auch nur das was die allgemeine Presse veröffentlichen darf. Da liest man von „fünf nach zwölf" und wie schlimm doch alles ist. Wie schlimm ist es denn wirklich? Wenn die Griechen heute völlig überschuldet sind, liegt das Problem bei den Geldgebern, die vor lauter Gier frisst Hirn Mentalität dieses Land dorthin gebracht haben. Darüber schreiben Sie oder die Kollegen eigentlich nix.

    Schreiben Sie doch mal über die Unfähigkeit der EU. Wär doch mal ein Knaller. Oder wie reich oder arm Griechenland wirklich ist. Gemessen an der Größe des Landes stecken die uns wahrscheinlich in den Sack.

    Ich kann dieses Mainstreamgeschreibsel einfach nicht mehr ertragen. Die EU ist ein Kuhstall für unnütze Beamte, die sich auf Kosten der Leistungsgesellschaft die Taschen vollhauen. Ich wäre für eine Auflösung der EU, weil sie sich selbst erschossen hat.

    23:21 Uhr, 29.06. 2015
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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