Kommentar
11:02 Uhr, 16.02.2017

Griechenland: Lage absolut kritisch

Sigmar Gabriel hinterlässt Schäuble mit seinem Abtritt als Wirtschaftsminister ein kleines Geschenk. Es zeigt wie isoliert Schäuble inzwischen ist.

Als vermutlich letzte Aktion als Wirtschaftsminister sprach Sigmar Gabriel das Thema Griechenland an. Gabriel ist nicht zufrieden mit der aktuellen Situation und spricht sich für Schuldenerleichterungen aus. Genau dagegen wehrt sich Schäuble verbissen und riskiert damit, dass der Internationale Währungsfonds endgültig aussteigt.

Schäuble versucht tatsächlich die Quadratur des Kreises hinzubekommen. Der IWF soll am Rettungspaket beteiligt bleiben. Der Fonds selbst fordert Schuldenerleichterungen. Gibt es diese nicht, dann will er aussteigen. Da sich Schäuble klar gegen Erleichterungen ausspricht, drängt er den IWF geradezu aus dem Programm heraus, obwohl er mündlich das Gegenteil beteuert.

Griechenland ist noch lange nicht über den Berg. Das aktuelle Hilfsprogramm läuft noch bis 2018, doch niemand kann derzeit ernsthaft davon ausgehen, dass damit das Ende erreicht ist. Das Ende ist auch nicht erreicht, wenn Schuldenerleichterungen kommen. Diese sehen derzeit keinen Schuldenschnitt vor, sondern lediglich die Streckung der Rückzahlungsfristen und eine Reduktion der Zinsen.

Durch diese Tricks lässt sich der Schuldenberg auf Sicht vieler Jahrzehnte reduzieren. Möglicherweise sinkt die Verschuldung dann wieder Richtung 120 % der Wirtschaftsleistung. Das ist jedoch noch immer ein hohes Niveau und zu viel für fiskalischen Spielraum. Die Regierung kann also auch mit einem indirekten Schuldenschnitt nicht plötzlich das Wachstum durch Konjunkturprogramme anschieben.

Auch der Privatsektor ist handlungsunfähig. Grafik 1 zeigt die Bankeinlagen bei griechischen Banken. Diese befanden sich vor Abschluss der Verhandlungen zum dritten Hilfspaket im freien Fall. Nur Kapitalverkehrskontrollen konnten die Geldflucht aufhalten. Der Trend ist damit gestoppt, doch wenn man sich die Entwicklung so ansieht ist klar, wohin die Reise früher oder später wieder gehen wird: nach unten.

Griechische Banken sind nach wie vor am Rande des Zusammenbruchs. Sie haben in ihren Bilanzen Berge an faulen Krediten. Solange diese in den Bilanzen liegen, bleiben Kredite Mangelware. Ohne Kredit kann die Privatwirtschaft nur mit großer Mühe investieren und wachsen.

Derzeit können weder Staat noch die Privatwirtschaft Geld ausgeben oder investieren. Unter diesen Bedingungen ist es schon ein kleines Wunder, dass sich das Wachstum wieder im positiven Bereich befindet. Grafik 2 zeigt das Wirtschaftswachstum sowie die Staatsverschuldung.

Dabei fällt ein interessanter Punkt auf. Als die Verschuldung stieg, sank das Wachstum. Seitdem sich die Verschuldung stabilisiert, steigt das Wachstum wieder. Die hohe Korrelation sagt wenig über Kausalität aus. Man könnte auf den Gedanken kommen, dass das Wachstum höher ist, wenn die Verschuldung sinkt.

Griechenland selbst sagt immer wieder: der Staat muss mehr ausgeben dürfen. Andernfalls kommt das Wachstum nicht in Schwung. Betrachtet man die Grafik, dann kann man das so nicht unterschreiben. Noch deutlich zeigt das Grafik 3. Hier ist die Verschuldung zusammen mit der Wirtschaftsleistung abgebildet.

Obwohl das Wachstum wahrscheinlich mit höheren Staatsausgaben höher wäre, bedeutet das nicht, dass die Verschuldung sinkt. Als Griechenland noch Geld mit vollen Händen ausgab, stieg die Verschuldung, während das Wachstum immer weiter fiel. Mit anderen Worten: ein Euro Staatsausgaben hatte zu weniger als ein Euro Wirtschaftswachstum geführt.

Inzwischen wäre das wohl anders. Die Wirtschaft ist so ausgeblutet, dass ein Euro Investition zu mehr als einem Euro Wachstum führen würde. Nun ist es allerdings nicht so, dass die Europartner und Schäuble Investitionen und Staatsausgaben verbieten. Sie wünschen sich sogar Investitionen. Das Geld dafür soll jedoch nicht über einen Blankoscheck zur Verfügung gestellt werden. Genau das will die Regierung in Athen allerdings (wieder einmal).

Würde die Regierung endlich konsequent Steuern eintreiben und nicht ihre Wählerschaft mit Geldgeschenken bei der Stange halten, gäbe es genug Geld für Investitionen. Insofern ist es absolut verständlich, dass Schäuble keinen Scheck schreiben will. Da sich seit Jahren keine der Seiten bewegt, bleibt es wohl auf absehbare Zeit bei einem Patt. Um das aufzulösen bleibt eigentlich nur Eines: Austritt aus der Währungsunion. Das Ende mit Schrecken ist immer noch besser als der derzeitige Schrecken ohne Ende.

Clemens Schmale

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10 Kommentare

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  • 1 Antwort anzeigen
  • istdochlogo
    istdochlogo

    Schluß, Aus Ende, rein ins Rollstuhleuropa !

    Wahnsinn diese unglaubliche EU, die gewöhnlichen Griechen leben seit Jahrzehnten in Saus und Braus, schlagen sich alle den Bauch voll und niemand hats je wirklich merken wollen. Es lief ja gut, solange das politische Europa noch nicht so kritisiert wurde. Jetzt aber ist es uns Unverantwortlichen genug, keine Fortschritte, auch keinerlei Bemühen oder auch keine brauchbare Kapitulation seitens Griechenland. Selbstverständlich verlangen wir von den Griechen, was wir von zB. dem politischen Bremen, Berlin, NRW, etc. nicht erwarten, weils einfach stimmungsmäßig nicht so paßt und auch näher bei uns liegt.

    Ich meine, wenn eine Firma insolvent wird oder ist, dann versucht man sich mit den Gläubigern gemeinsam substanziell über die Schulden zu verständigen und doktert nicht stur politökonomisch, mittels bürokratischem Dirigismus, in aller lehrbuchmäßigen Theorie, politisch unklug herum.

    Für ein Land wie Griechenland, braucht es eine sinnvolle Lösung (Schuldenschnitt oder besser vielleicht ähnlich Bad Bank ab einem bestimmten tragfähigen Schuldenvolumen etc.) aber kein politisches Scherbengericht zur Bespaßigung aller EU-Gegner bzw. damit die politische Bankrotterklärung der Euro-Zone, der EU und aller Verantwortlichen.

    Und auch ist es traurig und falsch, den Griechen zu unterstellen sich nicht zu bemühen, nach allen Reformanstrengungen und Veränderungen der letzten Jahre. Brauchbare Steuern für einen funktionierenden Staat kann man aber nur einnehmen von Leuten welche Geld auch haben.

    15:14 Uhr, 16.02.2017
  • Peter Zumdeick
    Peter Zumdeick

    Oh wäre das schön: Griechenland endlich freigeben ... - in unserem Interesse und im Interesse Griechenlands.

    Endlich ein Ende ... Bitte, Bitte, Bitte ...

    12:12 Uhr, 16.02.2017
  • whynot
    whynot

    Das Grundproblem war die stoische Beharrlichkeit, mit der GR nichts bewegt hat und immer darauf gesetzt hat, doch irgendwann wieder von anderen aufgefangen zu werden. Ich glaube, wenn man sich die einzelnen Punkte, wo es Schieflagen gab und gibt, anschaut und diese vergleicht damals gg. heute, dann hat sich kaum etwas zum Guten verbessert. Was ist bei den Steuerbehörden passiert? Ist es denen gelungen, Steueraußenstände einzutreiben und die Steuerflucht zu bekämpfen, was ist in Sachen Privatisierung von Staatseigentum passiert? Ich befürchte, da hat sich so gut wie nichts getan. Die Sozis gehen immer ganz gerne den einfachen Weg, das wäre halt ein Schuldenschnitt - nur dieser geht dann naturgemäß wieder zu Lasten anderer. Das nähme dann auch den Druck von GR überhaupt noch an Strukturreformen zu arbeiten. Ergebnis: nach einem Schuldenschnitt fangen die GR erneut Jahr für Jahr wieder an zu steigen und in 10 - 20 Jahren ist dann der nächste Schuldenschnitt notwendig.

    12:11 Uhr, 16.02.2017
  • tradesequenz
    tradesequenz

    Ja genau, das Ende mit Schrecken....kommt auf die EU ohnehin zu, insofern Dollar weiterhin kaufen bis eben die EU breakt

    11:54 Uhr, 16.02.2017
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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