Fundamentale Nachricht
14:49 Uhr, 18.08.2015

Griechenland: Finanzbedarf nimmt weiter zu

Der Finanzbedarf Griechenlands ist offenbar um weitere 6,2 Milliarden Euro auf etwa 92 Milliarden Euro gestiegen. Es wird deshalb wieder "getrickst"

Griechenland benötigt offenbar noch mehr Geld als bisher bekannt. Vor der Bundestagsabstimmung über ein drittes Hilfspaket für Athen am Mittwoch zeigt der Beschlussantrag des Bundesfinanzministeriums, dass der Finanzbedarf um weitere 6,2 Milliarden Euro gewachsen ist, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet. Demnach gehen die Geldgeber nun von einer Gesamtsumme von etwa 92 Milliarden Euro aus. Bislang war von einem Programm mit einem Volumen von 82 bis 86 Milliarden Euro die Rede.

Damit die vom Gipfel-Beschluss vorgegebene Maximalsumme von 86 Milliarden Euro nicht überschritten wird, wird im Beschlussantrag des Bundesfinanzministeriums nun der Posten "Privatisierung" mit 6,2 Milliarden Euro eingerechnet. Wenn Erlöse aus dem geplanten Verkauf von Staatseigentum aber bereits jetzt im Gesamtpaket verbucht werden, fehlen sie später dem geplanten Privatisierungsfonds, der eigentlich ein Volumen von 50 Milliarden Euro erzielen sollte. Wie die Summe zustande kommen soll, ist aber damit erst recht fraglich.

Griechenland soll Rabatt erhalten

Das dritte Rettungspaket für Griechenland soll schon zu Beginn einen Rabatt für das Krisenland beinhalten. Wie die Zeitung "Welt" unter Berufung auf Verhandlungskreise berichtet, wollen die Euro-Länder in den ersten zehn Jahren auf Zins- und Tilgungszahlungen verzichten. Die Belastung Athens sinke durch die zehnjährige Stundung rechnerisch um zwölf Milliarden Euro. Allerdings dürfte diese Erleichterung nicht annähernd ausreichen, um den Schuldenstand auf ein Niveau zu drücken, das der Internationale Währungsfonds (IWF) als langfristig tragfähig einstuft. Dies wäre aber die Voraussetzung dafür, dass der IWF sich an weiteren Hilfen beteiligt.

"Wortakrobatik"

CSU-Finanzpolitiker Hans Michelbach hat Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble für deren "Wortakrobatik" beim Werben für das neue Griechenland-Hilfspaket kritisiert. Wenn man Kredite auf bis zu 60 Jahre streckt, sowie keine Tilgungen und keine Zinsen für längere Zeit belastet, dann sei der Kapitalverzehr genauso wie bei einem Schuldenschnitt, sagte Michelbach im ZDF-Morgenmagazin. In Verbindung mit dem neuen Hilfspaket müsse man deshalb von einem "Schuldenerlass" sprechen. Michelbach selbst will dem Programm nicht zustimmen. Er sei zu dem Ergebnis gekommen, "dass wir die Schuldentragfähigkeit nicht mehr erreichen". Merkel wolle vor allem eine politische Lösung für Europa. Michelbach aber sei der Auffassung, wenn die Ökonomie nicht funktioniere, dann funktioniere auch die dauerhafte politische Lösung nicht.

Schuldenrückzahlung an das Wachstum koppeln

DIW-Chef Marcel Fratzscher begrüßt das dritte Hilfspaket für Athen, er glaubt aber wie der IWF, dass es ohne Schuldenerleichterungen nicht gehen wird. Die Schuldenlast werde im nächsten Jahr auf 200 Prozent der Wirtschaftsleistung steigen, weil die Wirtschaft noch weiter schrumpft. Mit einer solchen Quote sei es unmöglich, wieder Vertrauen bei Investoren herzustellen, sagte der Ökonom im Interview mit der "Rheinischen Post". Nur durch Investitionen komme aber das Wachstum zurück.

Nach Ansicht von Fratzscher wird es auch nicht ausreichen, Kreditrückzahlungen nochmals um 40 Jahre zu verschieben, um das Vertrauen der Menschen und Investoren wieder herzustellen. Er schlägt deshalb vor, die Schuldenrückzahlung an das Wachstum in Griechenland zu koppeln. "Die Idee ist: Wenn die griechische Wirtschaft nicht wächst, leistet das Land keine Zins- und Tilgungszahlungen. Wenn sie wieder wächst, steigen die Zinsen und die Schuldenrückzahlungen proportional zum Wachstum".

2 Kommentare

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    17:30 Uhr, 18.08.2015
  • Cristian Struy
    Cristian Struy

    war ja zu erwarten, dass alles viel teurer wird. Das war in Paket 1 und 2 auch schon so.

    Und wie bei diesen Paketen wird der Bundestag auch dieses Paket morgen durchwinken, auch wenn da einige Einzelpolitiker rumkrähen. Niemand aus der Politik (wirklich wichtige verantwortliche politische Entscheidungsträger) wird je dem Mumm haben, einen Börsenabsturz oder das Scheitern der Euroidee zu verantworten. Ein Politiker will Priorität 1 an der Macht bleiben und dann kommt erst mal ne Weile gar nichts. Also tut er alles, was seinem Job hilft und ihm persönlich nicht schaden kann, wenn er nicht externe Faktoren dafür verantwortlich machen kann.

    Also müssen wir auf einen externen Faktor warten, damit sich das Spiel irgendwann mal auflöst.

    15:26 Uhr, 18.08.2015

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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